"Wie magst Du Solches fragen? Wer könnte diesen edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer müßte nicht die Schönheit der jungen Helden, Deiner Freunde, bewundern? Sie Alle sind unserem Hause theuer geworden; besonders aber hat Dein schöner Bruder alle Herzen gewonnen. Die Aegypter sind den Fremden ab- hold; sobald sich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Mur- meln der Bewunderung durch die gaffende Menge."
Bei diesen Worten der Königstochter verfinsterte sich die Stirn des Königs. "Auch dort!" murmelte er leise vor sich hin; dann warf er plötzlich sein Roß herum, sprengte an die Spitze seines Gefolges und gelangte nach wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.
Nitetis, welche als Aegypterin an die größesten Bau- ten gewohnt war, staunte dennoch über die riesenhafte Ausdehnung und die Großartigkeit dieser ungeheuren Stadt.
Die Mauern derselben erschienen durchaus unein- nehmbar, denn ihre Höhe maß fünfzig Ellen und ihre Breite war so groß, daß sich zwei Wagen bequemlich auf derselben ausweichen konnten. Zweihundert und fünfzig hohe Thürme krönten und befestigten diese ungeheuere Schutzwehr, ja man hätte eine noch größere Anzahl solcher Citadellen bedurft, wenn Babylon nicht auf einer Seite von undurchdringlichen Sümpfen beschützt worden wäre. Die Riesenstadt erhob sich auf beiden Seiten des Euphrat. Jhr Umfang betrug mehr als neun Meilen, und die sie umgürtende Mauer beschirmte Bauwerke, deren Größe selbst die Pyramiden und die Tempel von Theben und Memphis überbot 13).
„Wie magſt Du Solches fragen? Wer könnte dieſen edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer müßte nicht die Schönheit der jungen Helden, Deiner Freunde, bewundern? Sie Alle ſind unſerem Hauſe theuer geworden; beſonders aber hat Dein ſchöner Bruder alle Herzen gewonnen. Die Aegypter ſind den Fremden ab- hold; ſobald ſich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Mur- meln der Bewunderung durch die gaffende Menge.“
Bei dieſen Worten der Königstochter verfinſterte ſich die Stirn des Königs. „Auch dort!“ murmelte er leiſe vor ſich hin; dann warf er plötzlich ſein Roß herum, ſprengte an die Spitze ſeines Gefolges und gelangte nach wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.
Nitetis, welche als Aegypterin an die größeſten Bau- ten gewohnt war, ſtaunte dennoch über die rieſenhafte Ausdehnung und die Großartigkeit dieſer ungeheuren Stadt.
Die Mauern derſelben erſchienen durchaus unein- nehmbar, denn ihre Höhe maß fünfzig Ellen und ihre Breite war ſo groß, daß ſich zwei Wagen bequemlich auf derſelben ausweichen konnten. Zweihundert und fünfzig hohe Thürme krönten und befeſtigten dieſe ungeheuere Schutzwehr, ja man hätte eine noch größere Anzahl ſolcher Citadellen bedurft, wenn Babylon nicht auf einer Seite von undurchdringlichen Sümpfen beſchützt worden wäre. Die Rieſenſtadt erhob ſich auf beiden Seiten des Euphrat. Jhr Umfang betrug mehr als neun Meilen, und die ſie umgürtende Mauer beſchirmte Bauwerke, deren Größe ſelbſt die Pyramiden und die Tempel von Theben und Memphis überbot 13).
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0017"n="15"/><p>„Wie magſt Du Solches fragen? Wer könnte dieſen<lb/>
edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer<lb/>
müßte nicht die Schönheit der jungen Helden, Deiner<lb/>
Freunde, bewundern? Sie Alle ſind unſerem Hauſe theuer<lb/>
geworden; beſonders aber hat Dein ſchöner Bruder alle<lb/>
Herzen gewonnen. Die Aegypter ſind den Fremden ab-<lb/>
hold; ſobald ſich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Mur-<lb/>
meln der Bewunderung durch die gaffende Menge.“</p><lb/><p>Bei dieſen Worten der Königstochter verfinſterte ſich<lb/>
die Stirn des Königs. „Auch dort!“ murmelte er leiſe<lb/>
vor ſich hin; dann warf er plötzlich ſein Roß herum,<lb/>ſprengte an die Spitze ſeines Gefolges und gelangte nach<lb/>
wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Nitetis, welche als Aegypterin an die größeſten Bau-<lb/>
ten gewohnt war, ſtaunte dennoch über die rieſenhafte<lb/>
Ausdehnung und die Großartigkeit dieſer ungeheuren<lb/>
Stadt.</p><lb/><p>Die Mauern derſelben erſchienen durchaus unein-<lb/>
nehmbar, denn ihre Höhe maß fünfzig Ellen und ihre<lb/>
Breite war ſo groß, daß ſich zwei Wagen bequemlich auf<lb/>
derſelben ausweichen konnten. Zweihundert und fünfzig<lb/>
hohe Thürme krönten und befeſtigten dieſe ungeheuere<lb/>
Schutzwehr, ja man hätte eine noch größere Anzahl ſolcher<lb/>
Citadellen bedurft, wenn Babylon nicht auf einer Seite<lb/>
von undurchdringlichen Sümpfen beſchützt worden wäre.<lb/>
Die Rieſenſtadt erhob ſich auf beiden Seiten des Euphrat.<lb/>
Jhr Umfang betrug mehr als neun Meilen, und die ſie<lb/>
umgürtende Mauer beſchirmte Bauwerke, deren Größe<lb/>ſelbſt die Pyramiden und die Tempel von Theben und<lb/>
Memphis überbot <hirendition="#sup">13</hi>).</p><lb/></div></body></text></TEI>
[15/0017]
„Wie magſt Du Solches fragen? Wer könnte dieſen
edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer
müßte nicht die Schönheit der jungen Helden, Deiner
Freunde, bewundern? Sie Alle ſind unſerem Hauſe theuer
geworden; beſonders aber hat Dein ſchöner Bruder alle
Herzen gewonnen. Die Aegypter ſind den Fremden ab-
hold; ſobald ſich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Mur-
meln der Bewunderung durch die gaffende Menge.“
Bei dieſen Worten der Königstochter verfinſterte ſich
die Stirn des Königs. „Auch dort!“ murmelte er leiſe
vor ſich hin; dann warf er plötzlich ſein Roß herum,
ſprengte an die Spitze ſeines Gefolges und gelangte nach
wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.
Nitetis, welche als Aegypterin an die größeſten Bau-
ten gewohnt war, ſtaunte dennoch über die rieſenhafte
Ausdehnung und die Großartigkeit dieſer ungeheuren
Stadt.
Die Mauern derſelben erſchienen durchaus unein-
nehmbar, denn ihre Höhe maß fünfzig Ellen und ihre
Breite war ſo groß, daß ſich zwei Wagen bequemlich auf
derſelben ausweichen konnten. Zweihundert und fünfzig
hohe Thürme krönten und befeſtigten dieſe ungeheuere
Schutzwehr, ja man hätte eine noch größere Anzahl ſolcher
Citadellen bedurft, wenn Babylon nicht auf einer Seite
von undurchdringlichen Sümpfen beſchützt worden wäre.
Die Rieſenſtadt erhob ſich auf beiden Seiten des Euphrat.
Jhr Umfang betrug mehr als neun Meilen, und die ſie
umgürtende Mauer beſchirmte Bauwerke, deren Größe
ſelbſt die Pyramiden und die Tempel von Theben und
Memphis überbot 13).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/17>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.