Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf dem Heimzuge von der Jagd lud der junge Held
seine Seelenfreunde *) Krösus, Darius, Zopyros und Gy-
ges zu einem Abschiedstrunke ein.

Krösus wollte sich später zu den Zechenden gesellen,
denn er hatte versprochen beim Aufgange des Tistarsterns
die blaue Lilie anzusehn.

Als er am frühen Morgen Nitetis auf den hängenden
Gärten besuchen wollte, war er von den Wächtern ent-
schieden abgewiesen worden; jetzt schien ihm die blaue Lilie
eine neue Möglichkeit zu bieten, seinen geliebten Schützling,
dessen gestriges Benehmen er sich kaum erklären konnte,
und dessen strenge Bewachung ihm große Besorgniß ein-
flößte, zu sehen und zu sprechen.

Die jungen Achämeniden saßen, als es dämmerte, in
einer schattigen Laube des königlichen Gartens, an deren
Seite helle Springbrunnen plätscherten, in fröhlichen Ge-
sprächen bei einander. -- Araspes, ein vornehmer Perser
und Freund des verstorbnen Kyros, hatte sich zu den Plau-
dernden gesellt und that sich gütlich an dem trefflichen
Weine des Königssohns.

"Glücklicher Bartja," rief der alte Junggeselle, "Du
ziehst fort in ein goldnes Land, um Dir das Weib Dei-
ner Liebe heimzuholen, während ich armer Hagestolz, ge-
tadelt von aller Welt **), meinem Grabe entgegentaumle,
ohne Weiber und Kinder zu hinterlassen, welche mich be-
weinen und zu den Göttern für ein mildes Gericht über
meine Seele bitten möchten."

"Wer wird solche Gedanken haben!" rief Zopyros
den Becher schwingend. "Kein Weib ist so vollkommen,

*) Siehe Anmerkung 188 des I. Theils.
**) Siehe Anmerkung 91 des II. Theils.

Auf dem Heimzuge von der Jagd lud der junge Held
ſeine Seelenfreunde *) Kröſus, Darius, Zopyros und Gy-
ges zu einem Abſchiedstrunke ein.

Kröſus wollte ſich ſpäter zu den Zechenden geſellen,
denn er hatte verſprochen beim Aufgange des Tiſtarſterns
die blaue Lilie anzuſehn.

Als er am frühen Morgen Nitetis auf den hängenden
Gärten beſuchen wollte, war er von den Wächtern ent-
ſchieden abgewieſen worden; jetzt ſchien ihm die blaue Lilie
eine neue Möglichkeit zu bieten, ſeinen geliebten Schützling,
deſſen geſtriges Benehmen er ſich kaum erklären konnte,
und deſſen ſtrenge Bewachung ihm große Beſorgniß ein-
flößte, zu ſehen und zu ſprechen.

Die jungen Achämeniden ſaßen, als es dämmerte, in
einer ſchattigen Laube des königlichen Gartens, an deren
Seite helle Springbrunnen plätſcherten, in fröhlichen Ge-
ſprächen bei einander. — Araspes, ein vornehmer Perſer
und Freund des verſtorbnen Kyros, hatte ſich zu den Plau-
dernden geſellt und that ſich gütlich an dem trefflichen
Weine des Königsſohns.

„Glücklicher Bartja,“ rief der alte Junggeſelle, „Du
ziehſt fort in ein goldnes Land, um Dir das Weib Dei-
ner Liebe heimzuholen, während ich armer Hageſtolz, ge-
tadelt von aller Welt **), meinem Grabe entgegentaumle,
ohne Weiber und Kinder zu hinterlaſſen, welche mich be-
weinen und zu den Göttern für ein mildes Gericht über
meine Seele bitten möchten.“

„Wer wird ſolche Gedanken haben!“ rief Zopyros
den Becher ſchwingend. „Kein Weib iſt ſo vollkommen,

*) Siehe Anmerkung 188 des I. Theils.
**) Siehe Anmerkung 91 des II. Theils.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0141" n="139"/>
        <p>Auf dem Heimzuge von der Jagd lud der junge Held<lb/>
&#x017F;eine Seelenfreunde <note place="foot" n="*)">Siehe Anmerkung 188 des <hi rendition="#aq">I.</hi> Theils.</note> Krö&#x017F;us, Darius, Zopyros und Gy-<lb/>
ges zu einem Ab&#x017F;chiedstrunke ein.</p><lb/>
        <p>Krö&#x017F;us wollte &#x017F;ich &#x017F;päter zu den Zechenden ge&#x017F;ellen,<lb/>
denn er hatte ver&#x017F;prochen beim Aufgange des Ti&#x017F;tar&#x017F;terns<lb/>
die blaue Lilie anzu&#x017F;ehn.</p><lb/>
        <p>Als er am frühen Morgen Nitetis auf den hängenden<lb/>
Gärten be&#x017F;uchen wollte, war er von den Wächtern ent-<lb/>
&#x017F;chieden abgewie&#x017F;en worden; jetzt &#x017F;chien ihm die blaue Lilie<lb/>
eine neue Möglichkeit zu bieten, &#x017F;einen geliebten Schützling,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;triges Benehmen er &#x017F;ich kaum erklären konnte,<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;trenge Bewachung ihm große Be&#x017F;orgniß ein-<lb/>
flößte, zu &#x017F;ehen und zu &#x017F;prechen.</p><lb/>
        <p>Die jungen Achämeniden &#x017F;aßen, als es dämmerte, in<lb/>
einer &#x017F;chattigen Laube des königlichen Gartens, an deren<lb/>
Seite helle Springbrunnen plät&#x017F;cherten, in fröhlichen Ge-<lb/>
&#x017F;prächen bei einander. &#x2014; Araspes, ein vornehmer Per&#x017F;er<lb/>
und Freund des ver&#x017F;torbnen Kyros, hatte &#x017F;ich zu den Plau-<lb/>
dernden ge&#x017F;ellt und that &#x017F;ich gütlich an dem trefflichen<lb/>
Weine des Königs&#x017F;ohns.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Glücklicher Bartja,&#x201C; rief der alte Jungge&#x017F;elle, &#x201E;Du<lb/>
zieh&#x017F;t fort in ein goldnes Land, um Dir das Weib Dei-<lb/>
ner Liebe heimzuholen, während ich armer Hage&#x017F;tolz, ge-<lb/>
tadelt von aller Welt <note place="foot" n="**)">Siehe Anmerkung 91 des <hi rendition="#aq">II.</hi> Theils.</note>, meinem Grabe entgegentaumle,<lb/>
ohne Weiber und Kinder zu hinterla&#x017F;&#x017F;en, welche mich be-<lb/>
weinen und zu den Göttern für ein mildes Gericht über<lb/>
meine Seele bitten möchten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer wird &#x017F;olche Gedanken haben!&#x201C; rief Zopyros<lb/>
den Becher &#x017F;chwingend. &#x201E;Kein Weib i&#x017F;t &#x017F;o vollkommen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0141] Auf dem Heimzuge von der Jagd lud der junge Held ſeine Seelenfreunde *) Kröſus, Darius, Zopyros und Gy- ges zu einem Abſchiedstrunke ein. Kröſus wollte ſich ſpäter zu den Zechenden geſellen, denn er hatte verſprochen beim Aufgange des Tiſtarſterns die blaue Lilie anzuſehn. Als er am frühen Morgen Nitetis auf den hängenden Gärten beſuchen wollte, war er von den Wächtern ent- ſchieden abgewieſen worden; jetzt ſchien ihm die blaue Lilie eine neue Möglichkeit zu bieten, ſeinen geliebten Schützling, deſſen geſtriges Benehmen er ſich kaum erklären konnte, und deſſen ſtrenge Bewachung ihm große Beſorgniß ein- flößte, zu ſehen und zu ſprechen. Die jungen Achämeniden ſaßen, als es dämmerte, in einer ſchattigen Laube des königlichen Gartens, an deren Seite helle Springbrunnen plätſcherten, in fröhlichen Ge- ſprächen bei einander. — Araspes, ein vornehmer Perſer und Freund des verſtorbnen Kyros, hatte ſich zu den Plau- dernden geſellt und that ſich gütlich an dem trefflichen Weine des Königsſohns. „Glücklicher Bartja,“ rief der alte Junggeſelle, „Du ziehſt fort in ein goldnes Land, um Dir das Weib Dei- ner Liebe heimzuholen, während ich armer Hageſtolz, ge- tadelt von aller Welt **), meinem Grabe entgegentaumle, ohne Weiber und Kinder zu hinterlaſſen, welche mich be- weinen und zu den Göttern für ein mildes Gericht über meine Seele bitten möchten.“ „Wer wird ſolche Gedanken haben!“ rief Zopyros den Becher ſchwingend. „Kein Weib iſt ſo vollkommen, *) Siehe Anmerkung 188 des I. Theils. **) Siehe Anmerkung 91 des II. Theils.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/141
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/141>, abgerufen am 25.11.2024.