und Verwandten, indem er ihnen den Mund zum Kusse darbot.
Dann schüttelte er die Rechte des Krösus und befahl ihm, sein Pferd von Neuem zu besteigen, und ihn, als Dolmetscher, zum Wagen der Nitetis zu begleiten.
Die höchsten Würdenträger sprangen herbei und hoben den König wiederum auf sein Roß; dieser winkte und der Zug setzte sich von Neuem in Bewegung.
Krösus trabte neben Kambyses zur Seite des golde- nen Wagens.
"Sie ist schön und gefällt meinem Herzen," rief der Perser dem lydischen Greise zu. "Jetzt übersetze mir treu- lich, was sie auf meine Fragen antworten wird, denn ich verstehe keine andere als die persische und die assyrische Sprache, welche letztere ich, der Babylonier wegen, mit großer Mühe, von meinem Vater gezwungen, erlernen mußte."
Nitetis hatte diese Worte verstanden. Eine namen- lose Wonne zog in ihr Herz, und ehe noch Krösus dem Könige antworten konnte, sprach sie mit leiser Stimme und hocherröthend in gebrochenem Persisch: "Wie soll ich den Göttern danken, welche mich Gnade vor Deinen Augen finden ließen. Jch bin nicht unkundig der Sprache meines Herrn, denn dieser edle Greis hat mich auf unserer lan- gen Reise in der persischen Mundart unterrichtet. Verzeihe, wenn ich Dir nur in gebrochenen Sätzen antworten kann. Meine Lehrzeit war so kurz, und meine Fassungsgabe ist ja nur die einer armen, ungelehrten Jungfrau! 12)"
Der sonst so ernste Mund des Kambyses lächelte. Seine Eitelkeit fühlte sich durch den Eifer der Nitetis, sein Wohlgefallen zu erringen, geschmeichelt und der streb- same Fleiß eines Weibes erschien dem Perser, welcher ge-
und Verwandten, indem er ihnen den Mund zum Kuſſe darbot.
Dann ſchüttelte er die Rechte des Kröſus und befahl ihm, ſein Pferd von Neuem zu beſteigen, und ihn, als Dolmetſcher, zum Wagen der Nitetis zu begleiten.
Die höchſten Würdenträger ſprangen herbei und hoben den König wiederum auf ſein Roß; dieſer winkte und der Zug ſetzte ſich von Neuem in Bewegung.
Kröſus trabte neben Kambyſes zur Seite des golde- nen Wagens.
„Sie iſt ſchön und gefällt meinem Herzen,“ rief der Perſer dem lydiſchen Greiſe zu. „Jetzt überſetze mir treu- lich, was ſie auf meine Fragen antworten wird, denn ich verſtehe keine andere als die perſiſche und die aſſyriſche Sprache, welche letztere ich, der Babylonier wegen, mit großer Mühe, von meinem Vater gezwungen, erlernen mußte.“
Nitetis hatte dieſe Worte verſtanden. Eine namen- loſe Wonne zog in ihr Herz, und ehe noch Kröſus dem Könige antworten konnte, ſprach ſie mit leiſer Stimme und hocherröthend in gebrochenem Perſiſch: „Wie ſoll ich den Göttern danken, welche mich Gnade vor Deinen Augen finden ließen. Jch bin nicht unkundig der Sprache meines Herrn, denn dieſer edle Greis hat mich auf unſerer lan- gen Reiſe in der perſiſchen Mundart unterrichtet. Verzeihe, wenn ich Dir nur in gebrochenen Sätzen antworten kann. Meine Lehrzeit war ſo kurz, und meine Faſſungsgabe iſt ja nur die einer armen, ungelehrten Jungfrau! 12)“
Der ſonſt ſo ernſte Mund des Kambyſes lächelte. Seine Eitelkeit fühlte ſich durch den Eifer der Nitetis, ſein Wohlgefallen zu erringen, geſchmeichelt und der ſtreb- ſame Fleiß eines Weibes erſchien dem Perſer, welcher ge-
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und Verwandten, indem er ihnen den Mund zum Kuſſe
darbot.
Dann ſchüttelte er die Rechte des Kröſus und befahl
ihm, ſein Pferd von Neuem zu beſteigen, und ihn, als
Dolmetſcher, zum Wagen der Nitetis zu begleiten.
Die höchſten Würdenträger ſprangen herbei und
hoben den König wiederum auf ſein Roß; dieſer winkte
und der Zug ſetzte ſich von Neuem in Bewegung.
Kröſus trabte neben Kambyſes zur Seite des golde-
nen Wagens.
„Sie iſt ſchön und gefällt meinem Herzen,“ rief der
Perſer dem lydiſchen Greiſe zu. „Jetzt überſetze mir treu-
lich, was ſie auf meine Fragen antworten wird, denn ich
verſtehe keine andere als die perſiſche und die aſſyriſche
Sprache, welche letztere ich, der Babylonier wegen, mit
großer Mühe, von meinem Vater gezwungen, erlernen
mußte.“
Nitetis hatte dieſe Worte verſtanden. Eine namen-
loſe Wonne zog in ihr Herz, und ehe noch Kröſus dem
Könige antworten konnte, ſprach ſie mit leiſer Stimme und
hocherröthend in gebrochenem Perſiſch: „Wie ſoll ich den
Göttern danken, welche mich Gnade vor Deinen Augen
finden ließen. Jch bin nicht unkundig der Sprache meines
Herrn, denn dieſer edle Greis hat mich auf unſerer lan-
gen Reiſe in der perſiſchen Mundart unterrichtet. Verzeihe,
wenn ich Dir nur in gebrochenen Sätzen antworten kann.
Meine Lehrzeit war ſo kurz, und meine Faſſungsgabe iſt
ja nur die einer armen, ungelehrten Jungfrau! 12)“
Der ſonſt ſo ernſte Mund des Kambyſes lächelte.
Seine Eitelkeit fühlte ſich durch den Eifer der Nitetis,
ſein Wohlgefallen zu erringen, geſchmeichelt und der ſtreb-
ſame Fleiß eines Weibes erſchien dem Perſer, welcher ge-
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/14>, abgerufen am 22.07.2024.
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