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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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des, den man vor ihm niederwirft. -- Köstliche Geschenke
zu geben und zu empfangen ist die Gewohnheit der Per-
ser. Sie verstehen es, einander zu bereichern; Du wirst
sie lehren, einander zu beglücken. -- Wie schön Du aus-
siehst! Sitzest Du gut oder verlangst Du höhere Polster?
-- Aber, was ist das? -- Siehst Du nicht Staubwolken
von der Stadt her aufwirbeln? Das wird Kambyses sein,
welcher Dir entgegen zieht. Halte Dich aufrecht, Mädchen!
Vor Allem bemühe Dich, den Blick Deines Gatten auszu-
halten und zu erwiedern. Nur wenige ertragen die Blitze
dieses Auges. Gelingt es Dir, ihm frei und ohne Zagen
in's Gesicht zu schauen, dann ist Dein Spiel gewonnen.
Muth, Muth, meine Tochter; Aphrodite schmücke Dich mit
ihrer schönsten Schönheit! -- Zu Pferde, meine Freunde,
ich glaube, daß der König uns entgegen zieht!" Nitetis
saß hoch aufgerichtet und die Hände auf das Herz pres-
send in dem goldenen Wagen. -- Die Staubwolke kam
immer näher und näher. Jetzt flackerten aus derselben
lichte Sonnenstrahlen, welche sich in den Waffen der He-
ranziehenden spiegelten, wie Blitze aus dem Gewitterhim-
mel hervor. Jetzt theilte sich die Wolke, und einzelne
Gestalten wurden sichtbar, jetzt verschwand der nahende
Zug hinter dichtem Buschwerk an der Krümmung des We-
ges, jetzt, kaum hundert Schritte von ihr entfernt, zeigten
sich die heransprengenden Reiter, nah und immer näher
kommend, fast greifbar deutlich.

Der ganze Zug glich einer bunten Masse von Ros-
sen, Männern, Purpur, Gold, Silber und Edelsteinen.
Mehr als zweihundert Reiter, alle auf schneeweißen
nisäischen Pferden, deren Zaumzeug und Schabracken von
goldnen Glöckchen und Buckeln, von Federn, Quasten und
Stickereien strotzten 10), folgten einem Manne, welcher von

des, den man vor ihm niederwirft. — Köſtliche Geſchenke
zu geben und zu empfangen iſt die Gewohnheit der Per-
ſer. Sie verſtehen es, einander zu bereichern; Du wirſt
ſie lehren, einander zu beglücken. — Wie ſchön Du aus-
ſiehſt! Sitzeſt Du gut oder verlangſt Du höhere Polſter?
— Aber, was iſt das? — Siehſt Du nicht Staubwolken
von der Stadt her aufwirbeln? Das wird Kambyſes ſein,
welcher Dir entgegen zieht. Halte Dich aufrecht, Mädchen!
Vor Allem bemühe Dich, den Blick Deines Gatten auszu-
halten und zu erwiedern. Nur wenige ertragen die Blitze
dieſes Auges. Gelingt es Dir, ihm frei und ohne Zagen
in’s Geſicht zu ſchauen, dann iſt Dein Spiel gewonnen.
Muth, Muth, meine Tochter; Aphrodite ſchmücke Dich mit
ihrer ſchönſten Schönheit! — Zu Pferde, meine Freunde,
ich glaube, daß der König uns entgegen zieht!“ Nitetis
ſaß hoch aufgerichtet und die Hände auf das Herz preſ-
ſend in dem goldenen Wagen. — Die Staubwolke kam
immer näher und näher. Jetzt flackerten aus derſelben
lichte Sonnenſtrahlen, welche ſich in den Waffen der He-
ranziehenden ſpiegelten, wie Blitze aus dem Gewitterhim-
mel hervor. Jetzt theilte ſich die Wolke, und einzelne
Geſtalten wurden ſichtbar, jetzt verſchwand der nahende
Zug hinter dichtem Buſchwerk an der Krümmung des We-
ges, jetzt, kaum hundert Schritte von ihr entfernt, zeigten
ſich die heranſprengenden Reiter, nah und immer näher
kommend, faſt greifbar deutlich.

Der ganze Zug glich einer bunten Maſſe von Roſ-
ſen, Männern, Purpur, Gold, Silber und Edelſteinen.
Mehr als zweihundert Reiter, alle auf ſchneeweißen
niſäiſchen Pferden, deren Zaumzeug und Schabracken von
goldnen Glöckchen und Buckeln, von Federn, Quaſten und
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[9/0011] des, den man vor ihm niederwirft. — Köſtliche Geſchenke zu geben und zu empfangen iſt die Gewohnheit der Per- ſer. Sie verſtehen es, einander zu bereichern; Du wirſt ſie lehren, einander zu beglücken. — Wie ſchön Du aus- ſiehſt! Sitzeſt Du gut oder verlangſt Du höhere Polſter? — Aber, was iſt das? — Siehſt Du nicht Staubwolken von der Stadt her aufwirbeln? Das wird Kambyſes ſein, welcher Dir entgegen zieht. Halte Dich aufrecht, Mädchen! Vor Allem bemühe Dich, den Blick Deines Gatten auszu- halten und zu erwiedern. Nur wenige ertragen die Blitze dieſes Auges. Gelingt es Dir, ihm frei und ohne Zagen in’s Geſicht zu ſchauen, dann iſt Dein Spiel gewonnen. Muth, Muth, meine Tochter; Aphrodite ſchmücke Dich mit ihrer ſchönſten Schönheit! — Zu Pferde, meine Freunde, ich glaube, daß der König uns entgegen zieht!“ Nitetis ſaß hoch aufgerichtet und die Hände auf das Herz preſ- ſend in dem goldenen Wagen. — Die Staubwolke kam immer näher und näher. Jetzt flackerten aus derſelben lichte Sonnenſtrahlen, welche ſich in den Waffen der He- ranziehenden ſpiegelten, wie Blitze aus dem Gewitterhim- mel hervor. Jetzt theilte ſich die Wolke, und einzelne Geſtalten wurden ſichtbar, jetzt verſchwand der nahende Zug hinter dichtem Buſchwerk an der Krümmung des We- ges, jetzt, kaum hundert Schritte von ihr entfernt, zeigten ſich die heranſprengenden Reiter, nah und immer näher kommend, faſt greifbar deutlich. Der ganze Zug glich einer bunten Maſſe von Roſ- ſen, Männern, Purpur, Gold, Silber und Edelſteinen. Mehr als zweihundert Reiter, alle auf ſchneeweißen niſäiſchen Pferden, deren Zaumzeug und Schabracken von goldnen Glöckchen und Buckeln, von Federn, Quaſten und Stickereien ſtrotzten 10), folgten einem Manne, welcher von

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/11>, abgerufen am 19.04.2024.