"Auf den Besuch des Königs darfst Du freilich nicht rech- nen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor seiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird; einige Achämeniden werden aber sicher erscheinen. Sie sind, wie alle Perser, so große Garten- und Blumenfreunde, daß sie sich diesen seltenen Anblick nicht entgehen lassen werden. Vielleicht kann ich auch Krösus hieher führen; er versteht sich zwar weniger auf die Gärtnerei, dafür ist er aber um so erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälli- gen Anblick."
"Bringe ihn nur mit," rief der Gärtner; "er wird Dir dankbar sein, denn meine Fürstin der Nacht ist schöner als alle Blüten, welche jemals in königlichen Gärten ge- zogen wurden! Du hast ja in dem spiegelhellen Wasser- behälter die von grünen Blättern umkränzte Knospe ge- sehen; wenn dieselbe aufbricht, so gleicht sie einer himmel- blauen riesenhaften Rose. Meine Blüte ..."
Der begeisterte Gartenkünstler wollte in seinen Lob- preisungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend grüßend, schritt die Treppe hinunter, stellte sich in den zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher seiner wartete, und ließ sich von dem neben ihm stehenden Lenker seiner mit Quasten und Glöckchen behängten Rosse 79) in raschem Trabe bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiber- haus des Königs umgab, führen. --
Jm Harem des Kambyses herrschte heut ein gar be- wegtes, emsiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle Frauen des Hofes, um so schön und frisch als möglich zu erscheinen, vor dem Beginn des großen Festmahls in's Bad geführt werden sollten; darum begab sich der Weiberfürst ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palastes, welcher das Frauenbad enthielt.
„Auf den Beſuch des Königs darfſt Du freilich nicht rech- nen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor ſeiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird; einige Achämeniden werden aber ſicher erſcheinen. Sie ſind, wie alle Perſer, ſo große Garten- und Blumenfreunde, daß ſie ſich dieſen ſeltenen Anblick nicht entgehen laſſen werden. Vielleicht kann ich auch Kröſus hieher führen; er verſteht ſich zwar weniger auf die Gärtnerei, dafür iſt er aber um ſo erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälli- gen Anblick.“
„Bringe ihn nur mit,“ rief der Gärtner; „er wird Dir dankbar ſein, denn meine Fürſtin der Nacht iſt ſchöner als alle Blüten, welche jemals in königlichen Gärten ge- zogen wurden! Du haſt ja in dem ſpiegelhellen Waſſer- behälter die von grünen Blättern umkränzte Knoſpe ge- ſehen; wenn dieſelbe aufbricht, ſo gleicht ſie einer himmel- blauen rieſenhaften Roſe. Meine Blüte ...“
Der begeiſterte Gartenkünſtler wollte in ſeinen Lob- preiſungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend grüßend, ſchritt die Treppe hinunter, ſtellte ſich in den zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher ſeiner wartete, und ließ ſich von dem neben ihm ſtehenden Lenker ſeiner mit Quaſten und Glöckchen behängten Roſſe 79) in raſchem Trabe bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiber- haus des Königs umgab, führen. —
Jm Harem des Kambyſes herrſchte heut ein gar be- wegtes, emſiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle Frauen des Hofes, um ſo ſchön und friſch als möglich zu erſcheinen, vor dem Beginn des großen Feſtmahls in’s Bad geführt werden ſollten; darum begab ſich der Weiberfürſt ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palaſtes, welcher das Frauenbad enthielt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0108"n="106"/>„Auf den Beſuch des Königs darfſt Du freilich nicht rech-<lb/>
nen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor<lb/>ſeiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird;<lb/>
einige Achämeniden werden aber ſicher erſcheinen. Sie<lb/>ſind, wie alle Perſer, ſo große Garten- und Blumenfreunde,<lb/>
daß ſie ſich dieſen ſeltenen Anblick nicht entgehen laſſen<lb/>
werden. Vielleicht kann ich auch Kröſus hieher führen; er<lb/>
verſteht ſich zwar weniger auf die Gärtnerei, dafür iſt er<lb/>
aber um ſo erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälli-<lb/>
gen Anblick.“</p><lb/><p>„Bringe ihn nur mit,“ rief der Gärtner; „er wird<lb/>
Dir dankbar ſein, denn meine Fürſtin der Nacht iſt ſchöner<lb/>
als alle Blüten, welche jemals in königlichen Gärten ge-<lb/>
zogen wurden! Du haſt ja in dem ſpiegelhellen Waſſer-<lb/>
behälter die von grünen Blättern umkränzte Knoſpe ge-<lb/>ſehen; wenn dieſelbe aufbricht, ſo gleicht ſie einer himmel-<lb/>
blauen rieſenhaften Roſe. Meine Blüte ...“</p><lb/><p>Der begeiſterte Gartenkünſtler wollte in ſeinen Lob-<lb/>
preiſungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend<lb/>
grüßend, ſchritt die Treppe hinunter, ſtellte ſich in den<lb/>
zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher ſeiner wartete, und<lb/>
ließ ſich von dem neben ihm ſtehenden Lenker ſeiner mit<lb/>
Quaſten und Glöckchen behängten Roſſe <hirendition="#sup">79</hi>) in raſchem Trabe<lb/>
bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiber-<lb/>
haus des Königs umgab, führen. —</p><lb/><p>Jm Harem des Kambyſes herrſchte heut ein gar be-<lb/>
wegtes, emſiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle<lb/>
Frauen des Hofes, um ſo ſchön und friſch als möglich zu<lb/>
erſcheinen, vor dem Beginn des großen Feſtmahls in’s Bad<lb/>
geführt werden ſollten; darum begab ſich der Weiberfürſt<lb/>
ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palaſtes, welcher das<lb/>
Frauenbad enthielt.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[106/0108]
„Auf den Beſuch des Königs darfſt Du freilich nicht rech-
nen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor
ſeiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird;
einige Achämeniden werden aber ſicher erſcheinen. Sie
ſind, wie alle Perſer, ſo große Garten- und Blumenfreunde,
daß ſie ſich dieſen ſeltenen Anblick nicht entgehen laſſen
werden. Vielleicht kann ich auch Kröſus hieher führen; er
verſteht ſich zwar weniger auf die Gärtnerei, dafür iſt er
aber um ſo erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälli-
gen Anblick.“
„Bringe ihn nur mit,“ rief der Gärtner; „er wird
Dir dankbar ſein, denn meine Fürſtin der Nacht iſt ſchöner
als alle Blüten, welche jemals in königlichen Gärten ge-
zogen wurden! Du haſt ja in dem ſpiegelhellen Waſſer-
behälter die von grünen Blättern umkränzte Knoſpe ge-
ſehen; wenn dieſelbe aufbricht, ſo gleicht ſie einer himmel-
blauen rieſenhaften Roſe. Meine Blüte ...“
Der begeiſterte Gartenkünſtler wollte in ſeinen Lob-
preiſungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend
grüßend, ſchritt die Treppe hinunter, ſtellte ſich in den
zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher ſeiner wartete, und
ließ ſich von dem neben ihm ſtehenden Lenker ſeiner mit
Quaſten und Glöckchen behängten Roſſe 79) in raſchem Trabe
bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiber-
haus des Königs umgab, führen. —
Jm Harem des Kambyſes herrſchte heut ein gar be-
wegtes, emſiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle
Frauen des Hofes, um ſo ſchön und friſch als möglich zu
erſcheinen, vor dem Beginn des großen Feſtmahls in’s Bad
geführt werden ſollten; darum begab ſich der Weiberfürſt
ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palaſtes, welcher das
Frauenbad enthielt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/108>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.