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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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lande und seinen Pflanzstätten dieselbe Einigkeit schenken,
wollten doch alle Stämme der Heimat ihrer dori-
schen, ionischen oder äolisischen Herkunft vergessend, sich
mit dem einen Namen ,Hellenen' begnügen, und, wie die
Kinder eines Hauses, wie die Schafe einer Heerde leben,
-- wahrlich die ganze Welt würde uns nicht zu wider-
stehen vermögen, und Hellas von allen Nationen anerkannt
werden als Königin der Erde 61)!"

Die Augen der Greisin glühten bei diesen Worten;
der Spartaner aber preßte ihre Hand mit ungestümer
Heftigkeit, stampfte die Erde mit seinem Stelzfuße und
rief: "Beim Zeus, Lakedaemonios, ich will den Hellenen
kein Härlein krümmen lassen; Du aber, Rhodopis, wärest
würdig eine Spartanerin zu sein!"

"Und eine Athenerin!" rief Phanes.

"Eine Jonierin!" die Milesier.

"Eine Geomoren-Tochter von Samos!" der Bild-
hauer.

"Aber ich bin mehr als dieß Alles", rief das begei-
sterte Weib, "ich bin mehr, viel mehr; -- ich bin eine
Hellenin!"

Alles war hingerissen, selbst der Syrer und der
Jude; nur der Sybarit ließ sich nicht aus seiner Ruhe
stören und sagte mit vollem Munde, so daß man ihn
kaum verstehen konnte:

"Du wärest auch werth eine Sybaritin zu sein, denn
Dein Rinderbraten ist der beste, welchen ich seit meiner
Abreise von Jtalien genossen habe, und Dein Wein von
Anthylla 62) mundet mir fast ebenso gut, als der vom Ve-
suv und von Chios!"

Alles lachte; nur der Spartaner schleuderte auf den
Feinschmecker Blicke voller Zorn und Verachtung.

lande und ſeinen Pflanzſtätten dieſelbe Einigkeit ſchenken,
wollten doch alle Stämme der Heimat ihrer dori-
ſchen, ioniſchen oder äoliſiſchen Herkunft vergeſſend, ſich
mit dem einen Namen ‚Hellenen‘ begnügen, und, wie die
Kinder eines Hauſes, wie die Schafe einer Heerde leben,
— wahrlich die ganze Welt würde uns nicht zu wider-
ſtehen vermögen, und Hellas von allen Nationen anerkannt
werden als Königin der Erde 61)!“

Die Augen der Greiſin glühten bei dieſen Worten;
der Spartaner aber preßte ihre Hand mit ungeſtümer
Heftigkeit, ſtampfte die Erde mit ſeinem Stelzfuße und
rief: „Beim Zeus, Lakedaemonios, ich will den Hellenen
kein Härlein krümmen laſſen; Du aber, Rhodopis, wäreſt
würdig eine Spartanerin zu ſein!“

„Und eine Athenerin!“ rief Phanes.

„Eine Jonierin!“ die Mileſier.

„Eine Geomoren-Tochter von Samos!“ der Bild-
hauer.

„Aber ich bin mehr als dieß Alles“, rief das begei-
ſterte Weib, „ich bin mehr, viel mehr; — ich bin eine
Hellenin!“

Alles war hingeriſſen, ſelbſt der Syrer und der
Jude; nur der Sybarit ließ ſich nicht aus ſeiner Ruhe
ſtören und ſagte mit vollem Munde, ſo daß man ihn
kaum verſtehen konnte:

„Du wäreſt auch werth eine Sybaritin zu ſein, denn
Dein Rinderbraten iſt der beſte, welchen ich ſeit meiner
Abreiſe von Jtalien genoſſen habe, und Dein Wein von
Anthylla 62) mundet mir faſt ebenſo gut, als der vom Ve-
ſuv und von Chios!“

Alles lachte; nur der Spartaner ſchleuderte auf den
Feinſchmecker Blicke voller Zorn und Verachtung.

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[31/0049] lande und ſeinen Pflanzſtätten dieſelbe Einigkeit ſchenken, wollten doch alle Stämme der Heimat ihrer dori- ſchen, ioniſchen oder äoliſiſchen Herkunft vergeſſend, ſich mit dem einen Namen ‚Hellenen‘ begnügen, und, wie die Kinder eines Hauſes, wie die Schafe einer Heerde leben, — wahrlich die ganze Welt würde uns nicht zu wider- ſtehen vermögen, und Hellas von allen Nationen anerkannt werden als Königin der Erde 61)!“ Die Augen der Greiſin glühten bei dieſen Worten; der Spartaner aber preßte ihre Hand mit ungeſtümer Heftigkeit, ſtampfte die Erde mit ſeinem Stelzfuße und rief: „Beim Zeus, Lakedaemonios, ich will den Hellenen kein Härlein krümmen laſſen; Du aber, Rhodopis, wäreſt würdig eine Spartanerin zu ſein!“ „Und eine Athenerin!“ rief Phanes. „Eine Jonierin!“ die Mileſier. „Eine Geomoren-Tochter von Samos!“ der Bild- hauer. „Aber ich bin mehr als dieß Alles“, rief das begei- ſterte Weib, „ich bin mehr, viel mehr; — ich bin eine Hellenin!“ Alles war hingeriſſen, ſelbſt der Syrer und der Jude; nur der Sybarit ließ ſich nicht aus ſeiner Ruhe ſtören und ſagte mit vollem Munde, ſo daß man ihn kaum verſtehen konnte: „Du wäreſt auch werth eine Sybaritin zu ſein, denn Dein Rinderbraten iſt der beſte, welchen ich ſeit meiner Abreiſe von Jtalien genoſſen habe, und Dein Wein von Anthylla 62) mundet mir faſt ebenſo gut, als der vom Ve- ſuv und von Chios!“ Alles lachte; nur der Spartaner ſchleuderte auf den Feinſchmecker Blicke voller Zorn und Verachtung.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/49>, abgerufen am 28.03.2024.