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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Freund und Wohlthäter fortleben! Jm Angesicht seiner
Leiche ward auch mir das Todesurtheil vorgelesen, und ich
machte mich schon zur langen Reise in die Unterwelt fer-
tig, als der König befehlen ließ, die Vollstreckung meiner
Hinrichtung aufzuschieben.

"Jch ward in mein Gefängniß zurückgebracht.

"Ein arkadischer Taxiarch 59), welcher sich unter mei-
nen Wächtern befand, theilte mir mit, daß sämmtliche
griechischen Offiziere der Leibwache, und eine Menge von
Soldaten, im Ganzen mehr als viertausend Mann, ge-
droht hätten, ihren Abschied zu nehmen, wenn man mich,
ihren Führer, nicht begnadigen werde.

"Als es dunkelte, wurde ich zum Könige geführt, wel-
cher mich auf's Gnädigste empfing.

"Er selbst bestätigte mir die Mittheilung des Taxiar-
chen und sprach sein Bedauern aus, einen so beliebten
Obersten verlieren zu müssen. Was mich betrifft, so ge-
stehe ich gern, daß ich dem Amasis nicht zürne, und mehr
noch, daß ich ihn, den mächtigen König, bedaure. Jhr
hättet mit anhören sollen, wie er sich beklagte, nirgend
handeln zu können, wie er wolle, und selbst in seinen per-
sönlichsten Angelegenheiten überall von den Priestern und
ihrem Einflusse behindert und gefährdet zu sein. Käme
es nur auf ihn an, so würde er mir, dem Fremden, die
Uebertretung eines Gesetzes, welches ich nicht verstehen könne,
und darum, wenn auch fälschlich, für abgeschmackten Aber-
glauben halten müsse, gern vergeben. Der Priester wegen
dürfe er mich aber nicht ungestraft lassen. Verbannung
aus Aegypten sei die gelindeste Buße, welche er mir auf-
erlegen könne.

",Du weißt nicht', mit diesen Worten schloß er seine
Klagen, ,wie große Bewilligungen ich den Priestern ma-

Freund und Wohlthäter fortleben! Jm Angeſicht ſeiner
Leiche ward auch mir das Todesurtheil vorgeleſen, und ich
machte mich ſchon zur langen Reiſe in die Unterwelt fer-
tig, als der König befehlen ließ, die Vollſtreckung meiner
Hinrichtung aufzuſchieben.

„Jch ward in mein Gefängniß zurückgebracht.

„Ein arkadiſcher Taxiarch 59), welcher ſich unter mei-
nen Wächtern befand, theilte mir mit, daß ſämmtliche
griechiſchen Offiziere der Leibwache, und eine Menge von
Soldaten, im Ganzen mehr als viertauſend Mann, ge-
droht hätten, ihren Abſchied zu nehmen, wenn man mich,
ihren Führer, nicht begnadigen werde.

„Als es dunkelte, wurde ich zum Könige geführt, wel-
cher mich auf’s Gnädigſte empfing.

„Er ſelbſt beſtätigte mir die Mittheilung des Taxiar-
chen und ſprach ſein Bedauern aus, einen ſo beliebten
Oberſten verlieren zu müſſen. Was mich betrifft, ſo ge-
ſtehe ich gern, daß ich dem Amaſis nicht zürne, und mehr
noch, daß ich ihn, den mächtigen König, bedaure. Jhr
hättet mit anhören ſollen, wie er ſich beklagte, nirgend
handeln zu können, wie er wolle, und ſelbſt in ſeinen per-
ſönlichſten Angelegenheiten überall von den Prieſtern und
ihrem Einfluſſe behindert und gefährdet zu ſein. Käme
es nur auf ihn an, ſo würde er mir, dem Fremden, die
Uebertretung eines Geſetzes, welches ich nicht verſtehen könne,
und darum, wenn auch fälſchlich, für abgeſchmackten Aber-
glauben halten müſſe, gern vergeben. Der Prieſter wegen
dürfe er mich aber nicht ungeſtraft laſſen. Verbannung
aus Aegypten ſei die gelindeſte Buße, welche er mir auf-
erlegen könne.

„‚Du weißt nicht‘, mit dieſen Worten ſchloß er ſeine
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[28/0046] Freund und Wohlthäter fortleben! Jm Angeſicht ſeiner Leiche ward auch mir das Todesurtheil vorgeleſen, und ich machte mich ſchon zur langen Reiſe in die Unterwelt fer- tig, als der König befehlen ließ, die Vollſtreckung meiner Hinrichtung aufzuſchieben. „Jch ward in mein Gefängniß zurückgebracht. „Ein arkadiſcher Taxiarch 59), welcher ſich unter mei- nen Wächtern befand, theilte mir mit, daß ſämmtliche griechiſchen Offiziere der Leibwache, und eine Menge von Soldaten, im Ganzen mehr als viertauſend Mann, ge- droht hätten, ihren Abſchied zu nehmen, wenn man mich, ihren Führer, nicht begnadigen werde. „Als es dunkelte, wurde ich zum Könige geführt, wel- cher mich auf’s Gnädigſte empfing. „Er ſelbſt beſtätigte mir die Mittheilung des Taxiar- chen und ſprach ſein Bedauern aus, einen ſo beliebten Oberſten verlieren zu müſſen. Was mich betrifft, ſo ge- ſtehe ich gern, daß ich dem Amaſis nicht zürne, und mehr noch, daß ich ihn, den mächtigen König, bedaure. Jhr hättet mit anhören ſollen, wie er ſich beklagte, nirgend handeln zu können, wie er wolle, und ſelbſt in ſeinen per- ſönlichſten Angelegenheiten überall von den Prieſtern und ihrem Einfluſſe behindert und gefährdet zu ſein. Käme es nur auf ihn an, ſo würde er mir, dem Fremden, die Uebertretung eines Geſetzes, welches ich nicht verſtehen könne, und darum, wenn auch fälſchlich, für abgeſchmackten Aber- glauben halten müſſe, gern vergeben. Der Prieſter wegen dürfe er mich aber nicht ungeſtraft laſſen. Verbannung aus Aegypten ſei die gelindeſte Buße, welche er mir auf- erlegen könne. „‚Du weißt nicht‘, mit dieſen Worten ſchloß er ſeine Klagen, ‚wie große Bewilligungen ich den Prieſtern ma-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/46>, abgerufen am 29.03.2024.