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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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um jeden Becher schlang sich ein Rosen- oder Myrten-
kranz.

Rosenblätter waren in dem ganzen Zimmer umherge-
streut 41), an dessen glatten Wänden von weißem Stuck viele
Lampen hingen.

Kaum hatte man sich auf die Polster niedergelegt, so
erschienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter
und Schultern der Schmausenden mit Myrten und Epheu-
kränzen, und wuschen die Füße derselben in silbernen Becken 42).
Als der Vorschneider schon die ersten Braten, um sie zu
zerlegen, vom Tische genommen hatte, machte sich der Sy-
barit noch immer mit den Knaben zu schaffen, und ließ sich,
obgleich er schon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete,
von denselben förmlich in Rosen einwickeln; nachdem jedoch
das erste Gericht, Thunfische mit Senfbrühe 43), aufgetra-
gen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beschäf-
tigte sich ausschließlich mit dem Genusse der trefflichen
Speisen. Rhodopis saß auf einem Stuhle an der Spitze
der Tafel neben dem Mischkruge, und leitete sowohl die
Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sclaven 44).

Mit einem gewissen Stolze sah sie auf ihre fröhlichen
Gäste, und schien sich mit jedem ausschließlich zu beschäf-
tigen, indem sie sich bald bei dem Delphier nach dem Er-
folge seiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten
fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald
dem Jbykus lauschte, welcher erzählte, daß Phrynichos von
Athen die religiösen Schauspiele des Thespis von Jkaria
in's bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören,
Sprechern und Gegensprechern ganze Geschichten aus der
Vorzeit aufführen 45) lasse.

Dann wendete sie sich an den Spartaner und sagte
ihm, daß er der Einzige sei, bei dem sie sich nicht wegen

um jeden Becher ſchlang ſich ein Roſen- oder Myrten-
kranz.

Roſenblätter waren in dem ganzen Zimmer umherge-
ſtreut 41), an deſſen glatten Wänden von weißem Stuck viele
Lampen hingen.

Kaum hatte man ſich auf die Polſter niedergelegt, ſo
erſchienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter
und Schultern der Schmauſenden mit Myrten und Epheu-
kränzen, und wuſchen die Füße derſelben in ſilbernen Becken 42).
Als der Vorſchneider ſchon die erſten Braten, um ſie zu
zerlegen, vom Tiſche genommen hatte, machte ſich der Sy-
barit noch immer mit den Knaben zu ſchaffen, und ließ ſich,
obgleich er ſchon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete,
von denſelben förmlich in Roſen einwickeln; nachdem jedoch
das erſte Gericht, Thunfiſche mit Senfbrühe 43), aufgetra-
gen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beſchäf-
tigte ſich ausſchließlich mit dem Genuſſe der trefflichen
Speiſen. Rhodopis ſaß auf einem Stuhle an der Spitze
der Tafel neben dem Miſchkruge, und leitete ſowohl die
Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sclaven 44).

Mit einem gewiſſen Stolze ſah ſie auf ihre fröhlichen
Gäſte, und ſchien ſich mit jedem ausſchließlich zu beſchäf-
tigen, indem ſie ſich bald bei dem Delphier nach dem Er-
folge ſeiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten
fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald
dem Jbykus lauſchte, welcher erzählte, daß Phrynichos von
Athen die religiöſen Schauſpiele des Theſpis von Jkaria
in’s bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören,
Sprechern und Gegenſprechern ganze Geſchichten aus der
Vorzeit aufführen 45) laſſe.

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[20/0038] um jeden Becher ſchlang ſich ein Roſen- oder Myrten- kranz. Roſenblätter waren in dem ganzen Zimmer umherge- ſtreut 41), an deſſen glatten Wänden von weißem Stuck viele Lampen hingen. Kaum hatte man ſich auf die Polſter niedergelegt, ſo erſchienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter und Schultern der Schmauſenden mit Myrten und Epheu- kränzen, und wuſchen die Füße derſelben in ſilbernen Becken 42). Als der Vorſchneider ſchon die erſten Braten, um ſie zu zerlegen, vom Tiſche genommen hatte, machte ſich der Sy- barit noch immer mit den Knaben zu ſchaffen, und ließ ſich, obgleich er ſchon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete, von denſelben förmlich in Roſen einwickeln; nachdem jedoch das erſte Gericht, Thunfiſche mit Senfbrühe 43), aufgetra- gen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beſchäf- tigte ſich ausſchließlich mit dem Genuſſe der trefflichen Speiſen. Rhodopis ſaß auf einem Stuhle an der Spitze der Tafel neben dem Miſchkruge, und leitete ſowohl die Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sclaven 44). Mit einem gewiſſen Stolze ſah ſie auf ihre fröhlichen Gäſte, und ſchien ſich mit jedem ausſchließlich zu beſchäf- tigen, indem ſie ſich bald bei dem Delphier nach dem Er- folge ſeiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald dem Jbykus lauſchte, welcher erzählte, daß Phrynichos von Athen die religiöſen Schauſpiele des Theſpis von Jkaria in’s bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören, Sprechern und Gegenſprechern ganze Geſchichten aus der Vorzeit aufführen 45) laſſe. Dann wendete ſie ſich an den Spartaner und ſagte ihm, daß er der Einzige ſei, bei dem ſie ſich nicht wegen

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/38>, abgerufen am 18.12.2024.