Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864."O, glaube mir, sie vergeht schneller als Du meinst. "Und dennoch überkommt mich eine mir sonst unbe- "Jch fürchte mich nicht so sehr vor derselben. Frei- "Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!" "Aber ich bin doch nicht ganz ohne Bangigkeit gewe- „O, glaube mir, ſie vergeht ſchneller als Du meinſt. „Und dennoch überkommt mich eine mir ſonſt unbe- „Jch fürchte mich nicht ſo ſehr vor derſelben. Frei- „Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!“ „Aber ich bin doch nicht ganz ohne Bangigkeit gewe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0178" n="160"/> <p>„O, glaube mir, ſie vergeht ſchneller als Du meinſt.<lb/> Das Warten wird uns freilich lang, ſehr lang vorkom-<lb/> men; wenn wir aber wieder beiſammen ſind, ſo denk’ ich,<lb/> daß es uns ſein muß, als hätten wir uns erſt eben ver-<lb/> laſſen. Siehſt Du, ſo iſt’s mir alle Tage ergangen. Wie<lb/> hab ich mir den Morgen und Dich herbeigeſehnt; wenn<lb/> er aber da war, und Du an meiner Seite ſaßeſt, — ſo<lb/> glaubte ich, ich hätte Dich gar nicht von mir gelaſſen, und<lb/> Deine Hand ruhte noch von geſtern her auf meinem<lb/> Haupte.“</p><lb/> <p>„Und dennoch überkommt mich eine mir ſonſt unbe-<lb/> kannte Bangigkeit, wenn ich an die Scheideſtunde denke.“</p><lb/> <p>„Jch fürchte mich nicht ſo ſehr vor derſelben. Frei-<lb/> lich wird mein Herz bluten, wenn Du mir Lebewohl ſagſt;<lb/> aber ich weiß, daß Du wiederkommen und mich nicht ver-<lb/> geſſen wirſt. Melitta hat das Orakel befragen wollen,<lb/> ob Du mir treu bleibſt; — ſie wollte auch zu einem alten<lb/> Weibe gehen, das ſoeben aus Phrygien angekommen iſt,<lb/> und bei Nacht aus gezogenen Stricken weiſſagen kann.<lb/> Dazu braucht ſie, der Reinigungen wegen, Weihrauch,<lb/> Styrax, mondförmige Kuchen und Blätter von wilden<lb/> Dornſträuchern <hi rendition="#sup">200</hi>); aber ich habe mir das Alles verbe-<lb/> ten, denn mein Herz weiß ja beſſer als Pythia, Stricke<lb/> und Opferrauch, daß Du mir treu bleiben und mich lieb<lb/> behalten wirſt.“</p><lb/> <p>„Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!“</p><lb/> <p>„Aber ich bin doch nicht ganz ohne Bangigkeit gewe-<lb/> ſen, denn ich habe, wie die Mädchen zu thun pflegen,<lb/> wohl hundertmal in ein Mohnblatt geblaſen und darauf<lb/> geſchlagen. Wenn es knallte, dann jubelte ich: ‚Er wird<lb/> Dich nicht vergeſſen!‘ Wenn das Blättlein aber ohne jeden<lb/> Laut zerriß, ſo wurde ich betrübt. — Doch es ließ faſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [160/0178]
„O, glaube mir, ſie vergeht ſchneller als Du meinſt.
Das Warten wird uns freilich lang, ſehr lang vorkom-
men; wenn wir aber wieder beiſammen ſind, ſo denk’ ich,
daß es uns ſein muß, als hätten wir uns erſt eben ver-
laſſen. Siehſt Du, ſo iſt’s mir alle Tage ergangen. Wie
hab ich mir den Morgen und Dich herbeigeſehnt; wenn
er aber da war, und Du an meiner Seite ſaßeſt, — ſo
glaubte ich, ich hätte Dich gar nicht von mir gelaſſen, und
Deine Hand ruhte noch von geſtern her auf meinem
Haupte.“
„Und dennoch überkommt mich eine mir ſonſt unbe-
kannte Bangigkeit, wenn ich an die Scheideſtunde denke.“
„Jch fürchte mich nicht ſo ſehr vor derſelben. Frei-
lich wird mein Herz bluten, wenn Du mir Lebewohl ſagſt;
aber ich weiß, daß Du wiederkommen und mich nicht ver-
geſſen wirſt. Melitta hat das Orakel befragen wollen,
ob Du mir treu bleibſt; — ſie wollte auch zu einem alten
Weibe gehen, das ſoeben aus Phrygien angekommen iſt,
und bei Nacht aus gezogenen Stricken weiſſagen kann.
Dazu braucht ſie, der Reinigungen wegen, Weihrauch,
Styrax, mondförmige Kuchen und Blätter von wilden
Dornſträuchern 200); aber ich habe mir das Alles verbe-
ten, denn mein Herz weiß ja beſſer als Pythia, Stricke
und Opferrauch, daß Du mir treu bleiben und mich lieb
behalten wirſt.“
„Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!“
„Aber ich bin doch nicht ganz ohne Bangigkeit gewe-
ſen, denn ich habe, wie die Mädchen zu thun pflegen,
wohl hundertmal in ein Mohnblatt geblaſen und darauf
geſchlagen. Wenn es knallte, dann jubelte ich: ‚Er wird
Dich nicht vergeſſen!‘ Wenn das Blättlein aber ohne jeden
Laut zerriß, ſo wurde ich betrübt. — Doch es ließ faſt
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