Lieblingsbeschäftigung vornehmer Perser, das edle Waid- werk, geübt zu haben.
Niemand bemerkte die Veränderung, welche in dem innersten Wesen des Königssohnes durch die Macht der ersten Liebe vor sich ging, außer Tachot, der Tochter des Amasis. Diese hegte seit dem ersten Tage, an welchem Bartja zu ihr geredet hatte, eine stille Leidenschaft für den schönen Jüngling. Mit den zarten Fühlfäden der Liebe erkannte sie schnell, daß sich etwas Fremdes zwischen sie und ihn gestellt haben müsse. Wenn Bartja ihr früher gleich einem Bruder begegnet war, und ihre Nähe gesucht hatte, so vermied er jetzt sorgfältig ihr vertraulich zu nahen. Er ahnte ihr Geheimniß und meinte, wenn er sie nur freundlich ansähe, ein Verbrechen an seiner Liebe für Sappho zu begehen.
Die arme Königstochter grämte sich über die Kälte des Jünglings und machte Nitetis zu ihrer Vertrauten. Diese ermuthigte sie und baute Luftschlösser mit ihr. -- Die beiden Jungfrauen malten sich aus, wie herrlich es sein würde, wenn sie, an zwei fürstliche Brüder vermählt, ohne sich von einander trennen zu brauchen, an einem Hofe leben dürften. -- Aber Tag auf Tag verstrich, und der schöne Königssohn zeigte sich dem Mädchen immer sel- tener, und wenn er kam, so verkehrte er mit Tachot wie mit einer Fremden.
Trotzdem mußte sich die Arme sagen, daß Bartja während seines Aufenthalts in Aegypten schöner und männ- licher geworden sei. Ein stolzes und dennoch mildes Selbstbewußtsein strahlte jetzt aus seinen großen Augen, und statt des früheren jugendlichen Uebermuthes breitete sich nicht selten eine eigenthümlich träumerische Ruhe über sein ganzes Wesen. Die rosigen Wangen hatten an Farbe
Lieblingsbeſchäftigung vornehmer Perſer, das edle Waid- werk, geübt zu haben.
Niemand bemerkte die Veränderung, welche in dem innerſten Weſen des Königsſohnes durch die Macht der erſten Liebe vor ſich ging, außer Tachot, der Tochter des Amaſis. Dieſe hegte ſeit dem erſten Tage, an welchem Bartja zu ihr geredet hatte, eine ſtille Leidenſchaft für den ſchönen Jüngling. Mit den zarten Fühlfäden der Liebe erkannte ſie ſchnell, daß ſich etwas Fremdes zwiſchen ſie und ihn geſtellt haben müſſe. Wenn Bartja ihr früher gleich einem Bruder begegnet war, und ihre Nähe geſucht hatte, ſo vermied er jetzt ſorgfältig ihr vertraulich zu nahen. Er ahnte ihr Geheimniß und meinte, wenn er ſie nur freundlich anſähe, ein Verbrechen an ſeiner Liebe für Sappho zu begehen.
Die arme Königstochter grämte ſich über die Kälte des Jünglings und machte Nitetis zu ihrer Vertrauten. Dieſe ermuthigte ſie und baute Luftſchlöſſer mit ihr. — Die beiden Jungfrauen malten ſich aus, wie herrlich es ſein würde, wenn ſie, an zwei fürſtliche Brüder vermählt, ohne ſich von einander trennen zu brauchen, an einem Hofe leben dürften. — Aber Tag auf Tag verſtrich, und der ſchöne Königsſohn zeigte ſich dem Mädchen immer ſel- tener, und wenn er kam, ſo verkehrte er mit Tachot wie mit einer Fremden.
Trotzdem mußte ſich die Arme ſagen, daß Bartja während ſeines Aufenthalts in Aegypten ſchöner und männ- licher geworden ſei. Ein ſtolzes und dennoch mildes Selbſtbewußtſein ſtrahlte jetzt aus ſeinen großen Augen, und ſtatt des früheren jugendlichen Uebermuthes breitete ſich nicht ſelten eine eigenthümlich träumeriſche Ruhe über ſein ganzes Weſen. Die roſigen Wangen hatten an Farbe
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Lieblingsbeſchäftigung vornehmer Perſer, das edle Waid-
werk, geübt zu haben.
Niemand bemerkte die Veränderung, welche in dem
innerſten Weſen des Königsſohnes durch die Macht der
erſten Liebe vor ſich ging, außer Tachot, der Tochter des
Amaſis. Dieſe hegte ſeit dem erſten Tage, an welchem
Bartja zu ihr geredet hatte, eine ſtille Leidenſchaft für
den ſchönen Jüngling. Mit den zarten Fühlfäden der
Liebe erkannte ſie ſchnell, daß ſich etwas Fremdes zwiſchen
ſie und ihn geſtellt haben müſſe. Wenn Bartja ihr früher
gleich einem Bruder begegnet war, und ihre Nähe geſucht
hatte, ſo vermied er jetzt ſorgfältig ihr vertraulich zu
nahen. Er ahnte ihr Geheimniß und meinte, wenn er
ſie nur freundlich anſähe, ein Verbrechen an ſeiner Liebe
für Sappho zu begehen.
Die arme Königstochter grämte ſich über die Kälte
des Jünglings und machte Nitetis zu ihrer Vertrauten.
Dieſe ermuthigte ſie und baute Luftſchlöſſer mit ihr. —
Die beiden Jungfrauen malten ſich aus, wie herrlich es
ſein würde, wenn ſie, an zwei fürſtliche Brüder vermählt,
ohne ſich von einander trennen zu brauchen, an einem
Hofe leben dürften. — Aber Tag auf Tag verſtrich, und
der ſchöne Königsſohn zeigte ſich dem Mädchen immer ſel-
tener, und wenn er kam, ſo verkehrte er mit Tachot
wie mit einer Fremden.
Trotzdem mußte ſich die Arme ſagen, daß Bartja
während ſeines Aufenthalts in Aegypten ſchöner und männ-
licher geworden ſei. Ein ſtolzes und dennoch mildes
Selbſtbewußtſein ſtrahlte jetzt aus ſeinen großen Augen,
und ſtatt des früheren jugendlichen Uebermuthes breitete
ſich nicht ſelten eine eigenthümlich träumeriſche Ruhe über
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/175>, abgerufen am 22.07.2024.
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