die Nachkommen seiner Vorgänger nicht verfolgte. Ein gewisser Psamtik, welcher der gestürzten Dy- nastie angehörte, lebte wenigstens, wie ich auf einer Stele im leydener Museum gefunden habe, bis in's siebzehnte Jahr der Regierung des Amasis und starb fünfundsiebenzig Jahr alt.
Endlich sei es mir gestattet, einige Worte über Rhodopis zu sagen. Daß dieselbe ein ganz außer- gewöhnliches Weib gewesen sein muß, beweisen die in Anmerkung zehn und fünfzehn des ersten Theiles angeführten Stellen des Herodot, und die Mitthei- lungen vieler anderer Schriftsteller. Daß sie schön gewesen sei, geht schon aus ihrem Namen hervor, der zu deutsch "Rosenwange" bedeutet. Auch ihre Liebenswürdigkeit wird ausdrücklich von dem Halikar- nassier hervorgehoben. Jn welchem Grade sie mit allen Vorzügen ausgestattet gewesen sein muß, läßt sich am besten daraus entnehmen, daß die Sage und das Märchen bemüht gewesen sind, ihren Namen unsterblich zu machen. Rhodopis soll, "wie Viele behaupten", die schönste der Pyramiden (die des My- kerinos oder Menkera) erbaut haben; eine Erzäh- lung von ihr, welche Strabo und Aelian bringen, bildet vielleicht die Grundlage zu einem unserer älte- sten und schönsten Volksmärchen, dem Aschenbrödel, und es erscheint nicht unmöglich, daß unsere Loreley mit einer Sage von der Rhodopis zusammenhängt.
Nach Aelian raubte ein Adler, nach Strabo
die Nachkommen ſeiner Vorgänger nicht verfolgte. Ein gewiſſer Pſamtik, welcher der geſtürzten Dy- naſtie angehörte, lebte wenigſtens, wie ich auf einer Stele im leydener Muſeum gefunden habe, bis in’s ſiebzehnte Jahr der Regierung des Amaſis und ſtarb fünfundſiebenzig Jahr alt.
Endlich ſei es mir geſtattet, einige Worte über Rhodopis zu ſagen. Daß dieſelbe ein ganz außer- gewöhnliches Weib geweſen ſein muß, beweiſen die in Anmerkung zehn und fünfzehn des erſten Theiles angeführten Stellen des Herodot, und die Mitthei- lungen vieler anderer Schriftſteller. Daß ſie ſchön geweſen ſei, geht ſchon aus ihrem Namen hervor, der zu deutſch „Roſenwange“ bedeutet. Auch ihre Liebenswürdigkeit wird ausdrücklich von dem Halikar- naſſier hervorgehoben. Jn welchem Grade ſie mit allen Vorzügen ausgeſtattet geweſen ſein muß, läßt ſich am beſten daraus entnehmen, daß die Sage und das Märchen bemüht geweſen ſind, ihren Namen unſterblich zu machen. Rhodopis ſoll, „wie Viele behaupten“, die ſchönſte der Pyramiden (die des My- kerinos oder Menkera) erbaut haben; eine Erzäh- lung von ihr, welche Strabo und Aelian bringen, bildet vielleicht die Grundlage zu einem unſerer älte- ſten und ſchönſten Volksmärchen, dem Aſchenbrödel, und es erſcheint nicht unmöglich, daß unſere Loreley mit einer Sage von der Rhodopis zuſammenhängt.
Nach Aelian raubte ein Adler, nach Strabo
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[XIV/0016]
die Nachkommen ſeiner Vorgänger nicht verfolgte.
Ein gewiſſer Pſamtik, welcher der geſtürzten Dy-
naſtie angehörte, lebte wenigſtens, wie ich auf einer
Stele im leydener Muſeum gefunden habe, bis in’s
ſiebzehnte Jahr der Regierung des Amaſis und ſtarb
fünfundſiebenzig Jahr alt.
Endlich ſei es mir geſtattet, einige Worte über
Rhodopis zu ſagen. Daß dieſelbe ein ganz außer-
gewöhnliches Weib geweſen ſein muß, beweiſen die
in Anmerkung zehn und fünfzehn des erſten Theiles
angeführten Stellen des Herodot, und die Mitthei-
lungen vieler anderer Schriftſteller. Daß ſie ſchön
geweſen ſei, geht ſchon aus ihrem Namen hervor,
der zu deutſch „Roſenwange“ bedeutet. Auch ihre
Liebenswürdigkeit wird ausdrücklich von dem Halikar-
naſſier hervorgehoben. Jn welchem Grade ſie mit
allen Vorzügen ausgeſtattet geweſen ſein muß, läßt
ſich am beſten daraus entnehmen, daß die Sage und
das Märchen bemüht geweſen ſind, ihren Namen
unſterblich zu machen. Rhodopis ſoll, „wie Viele
behaupten“, die ſchönſte der Pyramiden (die des My-
kerinos oder Menkera) erbaut haben; eine Erzäh-
lung von ihr, welche Strabo und Aelian bringen,
bildet vielleicht die Grundlage zu einem unſerer älte-
ſten und ſchönſten Volksmärchen, dem Aſchenbrödel,
und es erſcheint nicht unmöglich, daß unſere Loreley
mit einer Sage von der Rhodopis zuſammenhängt.
Nach Aelian raubte ein Adler, nach Strabo
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/16>, abgerufen am 22.07.2024.
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