Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.über ihren losen Streich, heftete die Rose an ihren Busen "Als Eros einstmals Rosen brach, Da ist es ihm geschehen, Daß seine Hand ein Bienlein stach; Er hatt' es nicht gesehen. "Nun schüttelt' er die Händchen klein, Nun hob er an zu klagen Und flog zu seinem Mütterlein Mit schnellem Flügelschlagen. "O Mutter, rief er, Mutter ach! Mir ist so weh und bange; Jch werde sterben, denn mich stach Gar eine böse Schlange. "Geflügelt ist das gift'ge Thier, Du wirst es sicher kennen; -- Es ist dasselbe, das allhier Die Bauern "Biene" nennen *) 184)." "Jst mein Lied nicht schön?" -- Lachte das Mädchen. *) Die letzten Verse dieses Liedes lauten:
"Doch Kypris sprach: Wenn Du mein Sohn Empfindest solches Wehe Vom Stachel einer Biene schon, -- Dann, liebes Kind, gestehe, "Wie muß es erst dem Menschen sein Mit Deinem Pfeil im Herzen; Ach, Eros, das ist eine Pein Die schwerer zu verschmerzen!" über ihren loſen Streich, heftete die Roſe an ihren Buſen „Als Eros einſtmals Roſen brach, Da iſt es ihm geſchehen, Daß ſeine Hand ein Bienlein ſtach; Er hatt’ es nicht geſehen. „Nun ſchüttelt’ er die Händchen klein, Nun hob er an zu klagen Und flog zu ſeinem Mütterlein Mit ſchnellem Flügelſchlagen. „O Mutter, rief er, Mutter ach! Mir iſt ſo weh und bange; Jch werde ſterben, denn mich ſtach Gar eine böſe Schlange. „Geflügelt iſt das gift’ge Thier, Du wirſt es ſicher kennen; — Es iſt daſſelbe, das allhier Die Bauern „Biene“ nennen *) 184).“ „Jſt mein Lied nicht ſchön?“ — Lachte das Mädchen. *) Die letzten Verſe dieſes Liedes lauten:
„Doch Kypris ſprach: Wenn Du mein Sohn Empfindeſt ſolches Wehe Vom Stachel einer Biene ſchon, — Dann, liebes Kind, geſtehe, „Wie muß es erſt dem Menſchen ſein Mit Deinem Pfeil im Herzen; Ach, Eros, das iſt eine Pein Die ſchwerer zu verſchmerzen!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156" n="138"/> über ihren loſen Streich, heftete die Roſe an ihren Buſen<lb/> und begann mit wunderbar voller und anmuthiger Stimme<lb/> zu ſingen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Als Eros einſtmals Roſen brach,</l><lb/> <l>Da iſt es ihm geſchehen,</l><lb/> <l>Daß ſeine Hand ein Bienlein ſtach;</l><lb/> <l>Er hatt’ es nicht geſehen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Nun ſchüttelt’ er die Händchen klein,</l><lb/> <l>Nun hob er an zu klagen</l><lb/> <l>Und flog zu ſeinem Mütterlein</l><lb/> <l>Mit ſchnellem Flügelſchlagen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>„O Mutter, rief er, Mutter ach!</l><lb/> <l>Mir iſt ſo weh und bange;</l><lb/> <l>Jch werde ſterben, denn mich ſtach</l><lb/> <l>Gar eine böſe Schlange.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>„Geflügelt iſt das gift’ge Thier,</l><lb/> <l>Du wirſt es ſicher kennen; —</l><lb/> <l>Es iſt daſſelbe, das allhier</l><lb/> <l>Die Bauern „Biene“ nennen <note place="foot" n="*)"><p>Die letzten Verſe dieſes Liedes lauten:</p><lb/><lg n="5"><l>„Doch Kypris ſprach: Wenn Du mein Sohn<lb/> Empfindeſt ſolches Wehe</l><lb/><l>Vom Stachel einer Biene ſchon, —</l><lb/><l>Dann, liebes Kind, geſtehe,</l></lg><lb/><lg n="6"><l>„Wie muß es erſt dem Menſchen ſein</l><lb/><l>Mit Deinem Pfeil im Herzen;</l><lb/><l>Ach, Eros, das iſt eine Pein</l><lb/><l>Die ſchwerer zu verſchmerzen!“</l></lg></note> <hi rendition="#sup">184</hi>).“</l> </lg> </lg><lb/> <p>„Jſt mein Lied nicht ſchön?“ — Lachte das Mädchen.<lb/> „O, wie dumm doch der kleine Eros iſt, eine Biene für<lb/> eine geflügelte Schlange zu halten! Die Großmutter ſagt,<lb/> ſie wiſſe noch eine Strophe dieſes Geſanges, den der große<lb/> Dichter Anakreon erdacht hat; ſie wolle mich dieſelbe aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0156]
über ihren loſen Streich, heftete die Roſe an ihren Buſen
und begann mit wunderbar voller und anmuthiger Stimme
zu ſingen:
„Als Eros einſtmals Roſen brach,
Da iſt es ihm geſchehen,
Daß ſeine Hand ein Bienlein ſtach;
Er hatt’ es nicht geſehen.
„Nun ſchüttelt’ er die Händchen klein,
Nun hob er an zu klagen
Und flog zu ſeinem Mütterlein
Mit ſchnellem Flügelſchlagen.
„O Mutter, rief er, Mutter ach!
Mir iſt ſo weh und bange;
Jch werde ſterben, denn mich ſtach
Gar eine böſe Schlange.
„Geflügelt iſt das gift’ge Thier,
Du wirſt es ſicher kennen; —
Es iſt daſſelbe, das allhier
Die Bauern „Biene“ nennen *) 184).“
„Jſt mein Lied nicht ſchön?“ — Lachte das Mädchen.
„O, wie dumm doch der kleine Eros iſt, eine Biene für
eine geflügelte Schlange zu halten! Die Großmutter ſagt,
ſie wiſſe noch eine Strophe dieſes Geſanges, den der große
Dichter Anakreon erdacht hat; ſie wolle mich dieſelbe aber
*) Die letzten Verſe dieſes Liedes lauten:
„Doch Kypris ſprach: Wenn Du mein Sohn
Empfindeſt ſolches Wehe
Vom Stachel einer Biene ſchon, —
Dann, liebes Kind, geſtehe,
„Wie muß es erſt dem Menſchen ſein
Mit Deinem Pfeil im Herzen;
Ach, Eros, das iſt eine Pein
Die ſchwerer zu verſchmerzen!“
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