Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Phanes, glückliche Reise, Phanes!' Eine Wolke hatte sich
über den Mond gebreitet; es war sehr finster geworden.
Plötzlich hörte ich Geschrei und Hülferufe; das dauerte
aber nur kurze Zeit, dann erklang ein gellender Pfiff, und
endlich vernahm ich nur noch gleichmäßige Ruderschläge.
Eben wollt' ich, um Euch von dem Vorgefallenen zu be-
nachrichtigen, in's Haus zurückkehren, als Sabak, der
Schiffsknecht, von Neuem angeschwommen kam. Er berich-
tete Folgendes: Die Aegypter hatten die Barke des Pha-
nes, wahrscheinlich durch Taucher, anbohren lassen. Als
dieselbe ein Stück vom Lande entfernt war, sank sie unter.
Die Matrosen schrieen nach Rettung. Da kam das könig-
liche Schiff, welches ihnen folgte, herbei, nahm den ver-
meinten Phanes, als wenn es ihn retten wollte, an Bord,
und verhinderte die Matrosen des Atheners von ihren
Bänken zu weichen. Sie alle sind mit dem angebohrten
Fahrzeuge untergegangen, nur der kühne Schwimmer
Sabak erreichte das Ufer. -- Gyges befindet sich auf dem
königlichen Schiffe; Phanes ist entkommen, denn jener
Pfiff muß den Soldaten an der Hinterpforte gegolten ha-
ben. -- Als ich, bevor ich hierherkam, die Büsche an der
Straße untersuchte, fand ich keinen Menschen mehr hinter
denselben; doch hörte ich das Waffenrasseln und Reden der
Krieger, welche sich wiederum auf dem Wege nach Sais
befanden."

Mit fieberhafter Spannung hatten die Gäste der
Rhodopis dem Sclaven zugehört.

Als er seine Erzählung beendet hatte, war die Stim-
mung eine sehr getheilte. Das Glück, den geliebten Freund
aus einer drohenden Lebensgefahr gerettet zu wissen, war
das erste Gefühl der meisten; dann aber machte sich die
Furcht um den kühnen Lyder geltend. Man pries den

Phanes, glückliche Reiſe, Phanes!‘ Eine Wolke hatte ſich
über den Mond gebreitet; es war ſehr finſter geworden.
Plötzlich hörte ich Geſchrei und Hülferufe; das dauerte
aber nur kurze Zeit, dann erklang ein gellender Pfiff, und
endlich vernahm ich nur noch gleichmäßige Ruderſchläge.
Eben wollt’ ich, um Euch von dem Vorgefallenen zu be-
nachrichtigen, in’s Haus zurückkehren, als Sabak, der
Schiffsknecht, von Neuem angeſchwommen kam. Er berich-
tete Folgendes: Die Aegypter hatten die Barke des Pha-
nes, wahrſcheinlich durch Taucher, anbohren laſſen. Als
dieſelbe ein Stück vom Lande entfernt war, ſank ſie unter.
Die Matroſen ſchrieen nach Rettung. Da kam das könig-
liche Schiff, welches ihnen folgte, herbei, nahm den ver-
meinten Phanes, als wenn es ihn retten wollte, an Bord,
und verhinderte die Matroſen des Atheners von ihren
Bänken zu weichen. Sie alle ſind mit dem angebohrten
Fahrzeuge untergegangen, nur der kühne Schwimmer
Sabak erreichte das Ufer. — Gyges befindet ſich auf dem
königlichen Schiffe; Phanes iſt entkommen, denn jener
Pfiff muß den Soldaten an der Hinterpforte gegolten ha-
ben. — Als ich, bevor ich hierherkam, die Büſche an der
Straße unterſuchte, fand ich keinen Menſchen mehr hinter
denſelben; doch hörte ich das Waffenraſſeln und Reden der
Krieger, welche ſich wiederum auf dem Wege nach Sais
befanden.“

Mit fieberhafter Spannung hatten die Gäſte der
Rhodopis dem Sclaven zugehört.

Als er ſeine Erzählung beendet hatte, war die Stim-
mung eine ſehr getheilte. Das Glück, den geliebten Freund
aus einer drohenden Lebensgefahr gerettet zu wiſſen, war
das erſte Gefühl der meiſten; dann aber machte ſich die
Furcht um den kühnen Lyder geltend. Man pries den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0153" n="135"/>
Phanes, glückliche Rei&#x017F;e, Phanes!&#x2018; Eine Wolke hatte &#x017F;ich<lb/>
über den Mond gebreitet; es war &#x017F;ehr fin&#x017F;ter geworden.<lb/>
Plötzlich hörte ich Ge&#x017F;chrei und Hülferufe; das dauerte<lb/>
aber nur kurze Zeit, dann erklang ein gellender Pfiff, und<lb/>
endlich vernahm ich nur noch gleichmäßige Ruder&#x017F;chläge.<lb/>
Eben wollt&#x2019; ich, um Euch von dem Vorgefallenen zu be-<lb/>
nachrichtigen, in&#x2019;s Haus zurückkehren, als Sabak, der<lb/>
Schiffsknecht, von Neuem ange&#x017F;chwommen kam. Er berich-<lb/>
tete Folgendes: Die Aegypter hatten die Barke des Pha-<lb/>
nes, wahr&#x017F;cheinlich durch Taucher, anbohren la&#x017F;&#x017F;en. Als<lb/>
die&#x017F;elbe ein Stück vom Lande entfernt war, &#x017F;ank &#x017F;ie unter.<lb/>
Die Matro&#x017F;en &#x017F;chrieen nach Rettung. Da kam das könig-<lb/>
liche Schiff, welches ihnen folgte, herbei, nahm den ver-<lb/>
meinten Phanes, als wenn es ihn retten wollte, an Bord,<lb/>
und verhinderte die Matro&#x017F;en des Atheners von ihren<lb/>
Bänken zu weichen. Sie alle &#x017F;ind mit dem angebohrten<lb/>
Fahrzeuge untergegangen, nur der kühne Schwimmer<lb/>
Sabak erreichte das Ufer. &#x2014; Gyges befindet &#x017F;ich auf dem<lb/>
königlichen Schiffe; Phanes i&#x017F;t entkommen, denn jener<lb/>
Pfiff muß den Soldaten an der Hinterpforte gegolten ha-<lb/>
ben. &#x2014; Als ich, bevor ich hierherkam, die Bü&#x017F;che an der<lb/>
Straße unter&#x017F;uchte, fand ich keinen Men&#x017F;chen mehr hinter<lb/>
den&#x017F;elben; doch hörte ich das Waffenra&#x017F;&#x017F;eln und Reden der<lb/>
Krieger, welche &#x017F;ich wiederum auf dem Wege nach Sais<lb/>
befanden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mit fieberhafter Spannung hatten die Gä&#x017F;te der<lb/>
Rhodopis dem Sclaven zugehört.</p><lb/>
        <p>Als er &#x017F;eine Erzählung beendet hatte, war die Stim-<lb/>
mung eine &#x017F;ehr getheilte. Das Glück, den geliebten Freund<lb/>
aus einer drohenden Lebensgefahr gerettet zu wi&#x017F;&#x017F;en, war<lb/>
das er&#x017F;te Gefühl der mei&#x017F;ten; dann aber machte &#x017F;ich die<lb/>
Furcht um den kühnen Lyder geltend. Man pries den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0153] Phanes, glückliche Reiſe, Phanes!‘ Eine Wolke hatte ſich über den Mond gebreitet; es war ſehr finſter geworden. Plötzlich hörte ich Geſchrei und Hülferufe; das dauerte aber nur kurze Zeit, dann erklang ein gellender Pfiff, und endlich vernahm ich nur noch gleichmäßige Ruderſchläge. Eben wollt’ ich, um Euch von dem Vorgefallenen zu be- nachrichtigen, in’s Haus zurückkehren, als Sabak, der Schiffsknecht, von Neuem angeſchwommen kam. Er berich- tete Folgendes: Die Aegypter hatten die Barke des Pha- nes, wahrſcheinlich durch Taucher, anbohren laſſen. Als dieſelbe ein Stück vom Lande entfernt war, ſank ſie unter. Die Matroſen ſchrieen nach Rettung. Da kam das könig- liche Schiff, welches ihnen folgte, herbei, nahm den ver- meinten Phanes, als wenn es ihn retten wollte, an Bord, und verhinderte die Matroſen des Atheners von ihren Bänken zu weichen. Sie alle ſind mit dem angebohrten Fahrzeuge untergegangen, nur der kühne Schwimmer Sabak erreichte das Ufer. — Gyges befindet ſich auf dem königlichen Schiffe; Phanes iſt entkommen, denn jener Pfiff muß den Soldaten an der Hinterpforte gegolten ha- ben. — Als ich, bevor ich hierherkam, die Büſche an der Straße unterſuchte, fand ich keinen Menſchen mehr hinter denſelben; doch hörte ich das Waffenraſſeln und Reden der Krieger, welche ſich wiederum auf dem Wege nach Sais befanden.“ Mit fieberhafter Spannung hatten die Gäſte der Rhodopis dem Sclaven zugehört. Als er ſeine Erzählung beendet hatte, war die Stim- mung eine ſehr getheilte. Das Glück, den geliebten Freund aus einer drohenden Lebensgefahr gerettet zu wiſſen, war das erſte Gefühl der meiſten; dann aber machte ſich die Furcht um den kühnen Lyder geltend. Man pries den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/153
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/153>, abgerufen am 30.04.2024.