"Zu dem Reichthum dieser Familie hast Du, Krösus, wie man erzählt, neben der Agariste 174), welche dem Me- gakles große Schätze mitbrachte, das Meiste beigetragen," sagte Jbykus.
"Freilich, freilich," lachte Krösus.
"Erzähle den Hergang der Sache!" bat Rhodopis.
"Alkmäon von Athen kam einst an meinen Hof 175). Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir so gut, daß ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte sich einen gemeinen Bettler und malte sich ein glückliches Leben aus, wenn er nur einen einzigen Griff in all' diese Herrlichkei- ten thun dürfte. Da gestattete ich ihm, so viel Gold mit- zunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun Alkmäon? Er ließ sich hohe lydische Reiterstiefel anziehen, eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken befestigen. Diesen füllte er mit Schätzen, in die Schürze häufte er so viel Gold, als er zu tragen vermochte, die Stiefel überlastete er mit goldnen Münzen, in Haar und Bart ließ er Goldstaub streuen; ja selbst den Mund füllte er mit Gold, so daß seine Backen aussahen, als sei er im Begriff an einem großen Rettig zu ersticken. Jn jeder Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüssel, und schleppte sich so, unter seiner Last erliegend, zur Schatzkammer hinaus. Vor der Thür derselben brach er zusammen; ich aber habe niemals wieder so herzlich gelacht, als an jenem Tage."
"Und Du ließest ihm diese Schätze?" fragte Rhodopis.
"Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Er- fahrung, daß Gold selbst einen klugen Mann zum Narren mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben."
„Zu dem Reichthum dieſer Familie haſt Du, Kröſus, wie man erzählt, neben der Agariſte 174), welche dem Me- gakles große Schätze mitbrachte, das Meiſte beigetragen,“ ſagte Jbykus.
„Freilich, freilich,“ lachte Kröſus.
„Erzähle den Hergang der Sache!“ bat Rhodopis.
„Alkmäon von Athen kam einſt an meinen Hof 175). Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir ſo gut, daß ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte ſich einen gemeinen Bettler und malte ſich ein glückliches Leben aus, wenn er nur einen einzigen Griff in all’ dieſe Herrlichkei- ten thun dürfte. Da geſtattete ich ihm, ſo viel Gold mit- zunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun Alkmäon? Er ließ ſich hohe lydiſche Reiterſtiefel anziehen, eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken befeſtigen. Dieſen füllte er mit Schätzen, in die Schürze häufte er ſo viel Gold, als er zu tragen vermochte, die Stiefel überlaſtete er mit goldnen Münzen, in Haar und Bart ließ er Goldſtaub ſtreuen; ja ſelbſt den Mund füllte er mit Gold, ſo daß ſeine Backen ausſahen, als ſei er im Begriff an einem großen Rettig zu erſticken. Jn jeder Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüſſel, und ſchleppte ſich ſo, unter ſeiner Laſt erliegend, zur Schatzkammer hinaus. Vor der Thür derſelben brach er zuſammen; ich aber habe niemals wieder ſo herzlich gelacht, als an jenem Tage.“
„Und Du ließeſt ihm dieſe Schätze?“ fragte Rhodopis.
„Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Er- fahrung, daß Gold ſelbſt einen klugen Mann zum Narren mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0144"n="126"/><p>„Zu dem Reichthum dieſer Familie haſt Du, Kröſus,<lb/>
wie man erzählt, neben der Agariſte <hirendition="#sup">174</hi>), welche dem Me-<lb/>
gakles große Schätze mitbrachte, das Meiſte beigetragen,“<lb/>ſagte Jbykus.</p><lb/><p>„Freilich, freilich,“ lachte Kröſus.</p><lb/><p>„Erzähle den Hergang der Sache!“ bat Rhodopis.</p><lb/><p>„Alkmäon von Athen kam einſt an meinen Hof <hirendition="#sup">175</hi>).<lb/>
Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir ſo gut, daß<lb/>
ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte<lb/>
ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in<lb/>
eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte ſich einen<lb/>
gemeinen Bettler und malte ſich ein glückliches Leben aus,<lb/>
wenn er nur einen einzigen Griff in all’ dieſe Herrlichkei-<lb/>
ten thun dürfte. Da geſtattete ich ihm, ſo viel Gold mit-<lb/>
zunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun<lb/>
Alkmäon? Er ließ ſich hohe lydiſche Reiterſtiefel anziehen,<lb/>
eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken<lb/>
befeſtigen. Dieſen füllte er mit Schätzen, in die Schürze<lb/>
häufte er ſo viel Gold, als er zu tragen vermochte, die<lb/>
Stiefel überlaſtete er mit goldnen Münzen, in Haar und<lb/>
Bart ließ er Goldſtaub ſtreuen; ja ſelbſt den Mund füllte<lb/>
er mit Gold, ſo daß ſeine Backen ausſahen, als ſei er im<lb/>
Begriff an einem großen Rettig zu erſticken. Jn jeder<lb/>
Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüſſel, und ſchleppte<lb/>ſich ſo, unter ſeiner Laſt erliegend, zur Schatzkammer<lb/>
hinaus. Vor der Thür derſelben brach er zuſammen; ich<lb/>
aber habe niemals wieder ſo herzlich gelacht, als an<lb/>
jenem Tage.“</p><lb/><p>„Und Du ließeſt ihm dieſe Schätze?“ fragte Rhodopis.</p><lb/><p>„Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Er-<lb/>
fahrung, daß Gold ſelbſt einen klugen Mann zum Narren<lb/>
mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[126/0144]
„Zu dem Reichthum dieſer Familie haſt Du, Kröſus,
wie man erzählt, neben der Agariſte 174), welche dem Me-
gakles große Schätze mitbrachte, das Meiſte beigetragen,“
ſagte Jbykus.
„Freilich, freilich,“ lachte Kröſus.
„Erzähle den Hergang der Sache!“ bat Rhodopis.
„Alkmäon von Athen kam einſt an meinen Hof 175).
Der heitere, fein gebildete Mann gefiel mir ſo gut, daß
ich ihn längere Zeit bei mir behielt. Eines Tages zeigte
ich ihm meine Schatzkammern, über deren Reichthum er in
eine wahre Verzweiflung gerieth. Er nannte ſich einen
gemeinen Bettler und malte ſich ein glückliches Leben aus,
wenn er nur einen einzigen Griff in all’ dieſe Herrlichkei-
ten thun dürfte. Da geſtattete ich ihm, ſo viel Gold mit-
zunehmen, als er zu tragen vermöge. Was that nun
Alkmäon? Er ließ ſich hohe lydiſche Reiterſtiefel anziehen,
eine Schürze umbinden und einen Korb an den Rücken
befeſtigen. Dieſen füllte er mit Schätzen, in die Schürze
häufte er ſo viel Gold, als er zu tragen vermochte, die
Stiefel überlaſtete er mit goldnen Münzen, in Haar und
Bart ließ er Goldſtaub ſtreuen; ja ſelbſt den Mund füllte
er mit Gold, ſo daß ſeine Backen ausſahen, als ſei er im
Begriff an einem großen Rettig zu erſticken. Jn jeder
Hand nahm er zuletzt eine goldene Schüſſel, und ſchleppte
ſich ſo, unter ſeiner Laſt erliegend, zur Schatzkammer
hinaus. Vor der Thür derſelben brach er zuſammen; ich
aber habe niemals wieder ſo herzlich gelacht, als an
jenem Tage.“
„Und Du ließeſt ihm dieſe Schätze?“ fragte Rhodopis.
„Freilich, meine Freundin; glaubte ich doch die Er-
fahrung, daß Gold ſelbſt einen klugen Mann zum Narren
mache, nicht zu theuer bezahlt zu haben.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/144>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.