liegt aber die Todtenstadt der Saiten, und diese ist, meine ich, für Fremde sehenswerth genug."
"Geh nur voran," rief Bartja; "haben wir doch Prexaspes nur begleitet, um die Merkwürdigkeiten des Auslandes zu sehen!"
Als sie endlich unweit der Todtenstadt zu einem freien, von den Buden der Handwerker 160) umgebenen Platze ge- langt waren, hörte man wüstes Geschrei unter der nachfolgen- den Menge ausbrechen. Kinder jauchzten, Weiber riefen, und eine Stimme, welche alle andern überkreischte, schrie: "Kommt hieher, in den Vorhof des Tempels, um die Werke des großen Zauberers 161) zu sehen, der aus dem hei- ligen Theben stammt und vom großen Ammon Ra, dem Herrn der Welt, mit allen Wunderkräften ausgestat- tet ist!"
"Folgt mir zu dem kleinen Tempel dort drüben!" sagte der Dolmetscher. "Jhr werdet sogleich ein seltsames Schauspiel erleben!"
Nun drängte er sich mit den Persern durch die Masse der Aegypter, hier ein nacktes Kind, dort ein gelbliches Weib zurückstoßend, und kam bald mit einem Priester wie- der, der die Fremden in den Vorhof des Tempels führte. Hier stand ein priesterlich gekleideter Mann zwischen meh- reren Kisten und Kasten. Zwei Mohren knieten neben ihm auf der Erde.
Der Aegypter, ein riesengroßer Mensch mit geschmei- digen Gliedern und stechenden schwarzen Augen, hielt ein Blasinstrument, in der Art unserer Clarinetten, in der Hand. Um seine Brust und seine Arme wanden sich meh- rere in Aegypten für giftig bekannte Schlangen.
Als er den Persern gegenüber stand, verneigte er sich, lud mit einer artigen Geberde zum Zuschauen ein,
liegt aber die Todtenſtadt der Saiten, und dieſe iſt, meine ich, für Fremde ſehenswerth genug.“
„Geh nur voran,“ rief Bartja; „haben wir doch Prexaspes nur begleitet, um die Merkwürdigkeiten des Auslandes zu ſehen!“
Als ſie endlich unweit der Todtenſtadt zu einem freien, von den Buden der Handwerker 160) umgebenen Platze ge- langt waren, hörte man wüſtes Geſchrei unter der nachfolgen- den Menge ausbrechen. Kinder jauchzten, Weiber riefen, und eine Stimme, welche alle andern überkreiſchte, ſchrie: „Kommt hieher, in den Vorhof des Tempels, um die Werke des großen Zauberers 161) zu ſehen, der aus dem hei- ligen Theben ſtammt und vom großen Ammon Ra, dem Herrn der Welt, mit allen Wunderkräften ausgeſtat- tet iſt!“
„Folgt mir zu dem kleinen Tempel dort drüben!“ ſagte der Dolmetſcher. „Jhr werdet ſogleich ein ſeltſames Schauſpiel erleben!“
Nun drängte er ſich mit den Perſern durch die Maſſe der Aegypter, hier ein nacktes Kind, dort ein gelbliches Weib zurückſtoßend, und kam bald mit einem Prieſter wie- der, der die Fremden in den Vorhof des Tempels führte. Hier ſtand ein prieſterlich gekleideter Mann zwiſchen meh- reren Kiſten und Kaſten. Zwei Mohren knieten neben ihm auf der Erde.
Der Aegypter, ein rieſengroßer Menſch mit geſchmei- digen Gliedern und ſtechenden ſchwarzen Augen, hielt ein Blasinſtrument, in der Art unſerer Clarinetten, in der Hand. Um ſeine Bruſt und ſeine Arme wanden ſich meh- rere in Aegypten für giftig bekannte Schlangen.
Als er den Perſern gegenüber ſtand, verneigte er ſich, lud mit einer artigen Geberde zum Zuſchauen ein,
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liegt aber die Todtenſtadt der Saiten, und dieſe iſt, meine
ich, für Fremde ſehenswerth genug.“
„Geh nur voran,“ rief Bartja; „haben wir doch
Prexaspes nur begleitet, um die Merkwürdigkeiten des
Auslandes zu ſehen!“
Als ſie endlich unweit der Todtenſtadt zu einem freien,
von den Buden der Handwerker 160) umgebenen Platze ge-
langt waren, hörte man wüſtes Geſchrei unter der nachfolgen-
den Menge ausbrechen. Kinder jauchzten, Weiber riefen,
und eine Stimme, welche alle andern überkreiſchte, ſchrie:
„Kommt hieher, in den Vorhof des Tempels, um die
Werke des großen Zauberers 161) zu ſehen, der aus dem hei-
ligen Theben ſtammt und vom großen Ammon Ra, dem
Herrn der Welt, mit allen Wunderkräften ausgeſtat-
tet iſt!“
„Folgt mir zu dem kleinen Tempel dort drüben!“
ſagte der Dolmetſcher. „Jhr werdet ſogleich ein ſeltſames
Schauſpiel erleben!“
Nun drängte er ſich mit den Perſern durch die Maſſe
der Aegypter, hier ein nacktes Kind, dort ein gelbliches
Weib zurückſtoßend, und kam bald mit einem Prieſter wie-
der, der die Fremden in den Vorhof des Tempels führte.
Hier ſtand ein prieſterlich gekleideter Mann zwiſchen meh-
reren Kiſten und Kaſten. Zwei Mohren knieten neben ihm
auf der Erde.
Der Aegypter, ein rieſengroßer Menſch mit geſchmei-
digen Gliedern und ſtechenden ſchwarzen Augen, hielt ein
Blasinſtrument, in der Art unſerer Clarinetten, in der
Hand. Um ſeine Bruſt und ſeine Arme wanden ſich meh-
rere in Aegypten für giftig bekannte Schlangen.
Als er den Perſern gegenüber ſtand, verneigte er
ſich, lud mit einer artigen Geberde zum Zuſchauen ein,
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/130>, abgerufen am 16.02.2025.
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