Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

serer Bürger den Todesstoß. Für Gold ist Alles zu haben.
Hier und dort hört man von Hellenen verführte Aegypter
der Götter spotten; Zwist und Hader trennt die Kasten
der Priester und Krieger. Täglich werden blutige Schlä-
gereien zwischen hellenischen Söldnern, ägyptischen Krie-
gern, Fremden und Einheimischen gemeldet, Hirt und
Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staats-
mühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in
Staub und Schutt versinken wird. -- Ja, Vater, wenn
nicht heute, so werde ich niemals reden, und ich muß
endlich aussprechen, was mein Herz bedrückt. Während
Deiner Kämpfe mit den Priestern hast Du ruhig mitan-
gesehen, wie sich die junge Macht der Perser gleich einem
Völker verschlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen
Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von Ost nach We-
sten wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe
zu kommen, wie Du ursprünglich wolltest, halfest Du den
Griechen Tempel für ihre Lügengötter zu bauen. Als aber
endlich jeder Widerstand unmöglich erschien, als Persien
die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und un-
bezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es
wollte, da schienen die Unsterblichen Dir noch einmal die
Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kam-
byses begehrte Deine Tochter; Du aber, zu schwach, um
Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern,
sendest dem Großkönige ein untergeschobenes Mädchen und
schonest, weichmüthig wie Du bist, eines Fremdlings, der
das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und
es verderben wird, -- wenn es nicht schon früher, von
innerer Zwietracht zernagt, zusammensinkt!"

Bis hierher hatte Amasis bleich und bebend vor Zorn
sein Theuerstes schmähen lassen. Jetzt konnte er nicht

ſerer Bürger den Todesſtoß. Für Gold iſt Alles zu haben.
Hier und dort hört man von Hellenen verführte Aegypter
der Götter ſpotten; Zwiſt und Hader trennt die Kaſten
der Prieſter und Krieger. Täglich werden blutige Schlä-
gereien zwiſchen helleniſchen Söldnern, ägyptiſchen Krie-
gern, Fremden und Einheimiſchen gemeldet, Hirt und
Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staats-
mühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in
Staub und Schutt verſinken wird. — Ja, Vater, wenn
nicht heute, ſo werde ich niemals reden, und ich muß
endlich ausſprechen, was mein Herz bedrückt. Während
Deiner Kämpfe mit den Prieſtern haſt Du ruhig mitan-
geſehen, wie ſich die junge Macht der Perſer gleich einem
Völker verſchlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen
Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von Oſt nach We-
ſten wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe
zu kommen, wie Du urſprünglich wollteſt, halfeſt Du den
Griechen Tempel für ihre Lügengötter zu bauen. Als aber
endlich jeder Widerſtand unmöglich erſchien, als Perſien
die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und un-
bezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es
wollte, da ſchienen die Unſterblichen Dir noch einmal die
Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kam-
byſes begehrte Deine Tochter; Du aber, zu ſchwach, um
Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern,
ſendeſt dem Großkönige ein untergeſchobenes Mädchen und
ſchoneſt, weichmüthig wie Du biſt, eines Fremdlings, der
das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und
es verderben wird, — wenn es nicht ſchon früher, von
innerer Zwietracht zernagt, zuſammenſinkt!“

Bis hierher hatte Amaſis bleich und bebend vor Zorn
ſein Theuerſtes ſchmähen laſſen. Jetzt konnte er nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="91"/>
&#x017F;erer Bürger den Todes&#x017F;toß. Für Gold i&#x017F;t Alles zu haben.<lb/>
Hier und dort hört man von Hellenen verführte Aegypter<lb/>
der Götter &#x017F;potten; Zwi&#x017F;t und Hader trennt die Ka&#x017F;ten<lb/>
der Prie&#x017F;ter und Krieger. Täglich werden blutige Schlä-<lb/>
gereien zwi&#x017F;chen helleni&#x017F;chen Söldnern, ägypti&#x017F;chen Krie-<lb/>
gern, Fremden und Einheimi&#x017F;chen gemeldet, Hirt und<lb/>
Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staats-<lb/>
mühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in<lb/>
Staub und Schutt ver&#x017F;inken wird. &#x2014; Ja, Vater, wenn<lb/>
nicht heute, &#x017F;o werde ich niemals reden, und ich muß<lb/>
endlich aus&#x017F;prechen, was mein Herz bedrückt. Während<lb/>
Deiner Kämpfe mit den Prie&#x017F;tern ha&#x017F;t Du ruhig mitan-<lb/>
ge&#x017F;ehen, wie &#x017F;ich die junge Macht der Per&#x017F;er gleich einem<lb/>
Völker ver&#x017F;chlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen<lb/>
Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von O&#x017F;t nach We-<lb/>
&#x017F;ten wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe<lb/>
zu kommen, wie Du ur&#x017F;prünglich wollte&#x017F;t, halfe&#x017F;t Du den<lb/>
Griechen Tempel für ihre Lügengötter zu bauen. Als aber<lb/>
endlich jeder Wider&#x017F;tand unmöglich er&#x017F;chien, als Per&#x017F;ien<lb/>
die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und un-<lb/>
bezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es<lb/>
wollte, da &#x017F;chienen die Un&#x017F;terblichen Dir noch einmal die<lb/>
Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kam-<lb/>
by&#x017F;es begehrte Deine Tochter; Du aber, zu &#x017F;chwach, um<lb/>
Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern,<lb/>
&#x017F;ende&#x017F;t dem Großkönige ein unterge&#x017F;chobenes Mädchen und<lb/>
&#x017F;chone&#x017F;t, weichmüthig wie Du bi&#x017F;t, eines Fremdlings, der<lb/>
das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und<lb/>
es verderben wird, &#x2014; wenn es nicht &#x017F;chon früher, von<lb/>
innerer Zwietracht zernagt, zu&#x017F;ammen&#x017F;inkt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bis hierher hatte Ama&#x017F;is bleich und bebend vor Zorn<lb/>
&#x017F;ein Theuer&#x017F;tes &#x017F;chmähen la&#x017F;&#x017F;en. Jetzt konnte er nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0109] ſerer Bürger den Todesſtoß. Für Gold iſt Alles zu haben. Hier und dort hört man von Hellenen verführte Aegypter der Götter ſpotten; Zwiſt und Hader trennt die Kaſten der Prieſter und Krieger. Täglich werden blutige Schlä- gereien zwiſchen helleniſchen Söldnern, ägyptiſchen Krie- gern, Fremden und Einheimiſchen gemeldet, Hirt und Heerde bekriegen einander; der eine Stein der Staats- mühle zerreibt den andern, bis das ganze Werk in Staub und Schutt verſinken wird. — Ja, Vater, wenn nicht heute, ſo werde ich niemals reden, und ich muß endlich ausſprechen, was mein Herz bedrückt. Während Deiner Kämpfe mit den Prieſtern haſt Du ruhig mitan- geſehen, wie ſich die junge Macht der Perſer gleich einem Völker verſchlingenden Ungethüm, welches bei jedem neuen Fraße furchtbarer und gewaltiger wird, von Oſt nach We- ſten wälzte. Statt den Lydern und Babyloniern zu Hülfe zu kommen, wie Du urſprünglich wollteſt, halfeſt Du den Griechen Tempel für ihre Lügengötter zu bauen. Als aber endlich jeder Widerſtand unmöglich erſchien, als Perſien die halbe Welt unterjocht hatte und übermächtig und un- bezwinglich von allen Königen fordern durfte, was es wollte, da ſchienen die Unſterblichen Dir noch einmal die Hand zur Rettung Aegyptens reichen zu wollen. Kam- byſes begehrte Deine Tochter; Du aber, zu ſchwach, um Dein rechtes Kind der allgemeinen Wohlfahrt zu opfern, ſendeſt dem Großkönige ein untergeſchobenes Mädchen und ſchoneſt, weichmüthig wie Du biſt, eines Fremdlings, der das Wohl und Wehe Deines Reiches in Händen hält und es verderben wird, — wenn es nicht ſchon früher, von innerer Zwietracht zernagt, zuſammenſinkt!“ Bis hierher hatte Amaſis bleich und bebend vor Zorn ſein Theuerſtes ſchmähen laſſen. Jetzt konnte er nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/109
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/109>, abgerufen am 06.05.2024.