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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Mein Vater!"

"Du möchtest diesen Mann verderben, weil er Dich
verhinderte die Enkelin der Rhodopis mit Gewalt an Dich
zu bringen, weil ich ihn, als Du Dich für unfähig er-
wiesen, an Deiner Stelle zum Feldherrn ernannt habe.
Du erbleichst? Wahrlich, ich bin Phanes dankbar dafür
daß er mir Deine ruchlosen Pläne mittheilte und mir da-
durch Gelegenheit gab, die Stützen meines Thrones,
denen Rhodopis theuer ist, immer fester an mich zu
knüpfen."

"O, Vater! daß Du die Fremden also benennst, daß
Du des alten Ruhmes der Aegypter also vergessen kannst!
Schmähe mich, wie Du willst; ich weiß, daß Du mich
nicht liebst; sage aber nicht, daß wir der Ausländer be-
dürfen, um groß zu sein! Sieh zurück in unsre Geschichte!
Wann waren wir am größten? Damals, als wir allen
Fremden ohne Ausnahme die Pforten unseres Landes
verschlossen, und auf eignen Füßen stehend, der eignen
Kraft vertrauend, nach den uralten Gesetzen unserer Väter
und unserer Götter lebten. -- Jene Zeiten haben gesehen,
wie Ramses der Große 140) mit unseren siegreichen Waffen
die entlegensten Völker unterjochte, jene Zeiten haben ge-
hört, wie die ganze Welt Aegypten das erste, größte Land
der Erde nannte! -- Was sind wir jetzt? -- Aus Dei-
nem, des Königs eignen Munde höre ich fremde Bettler
und Abenteuer ,Stützen des Reiches' nennen; -- Dich, den
König, sehe ich eine elende List bereiten, um die Freund-
schaft eines Stammes zu gewinnen, über welchen wir, ehe
die Fremden zum Nile kamen, große Siege erfechten konn-
ten 141). Aegypten war eine reichgeschmückte mächtige Kö-
nigin, jetzt ist es eine geschminkte mit goldenen Flittern
behängte Dirne!"

„Mein Vater!“

„Du möchteſt dieſen Mann verderben, weil er Dich
verhinderte die Enkelin der Rhodopis mit Gewalt an Dich
zu bringen, weil ich ihn, als Du Dich für unfähig er-
wieſen, an Deiner Stelle zum Feldherrn ernannt habe.
Du erbleichſt? Wahrlich, ich bin Phanes dankbar dafür
daß er mir Deine ruchloſen Pläne mittheilte und mir da-
durch Gelegenheit gab, die Stützen meines Thrones,
denen Rhodopis theuer iſt, immer feſter an mich zu
knüpfen.“

„O, Vater! daß Du die Fremden alſo benennſt, daß
Du des alten Ruhmes der Aegypter alſo vergeſſen kannſt!
Schmähe mich, wie Du willſt; ich weiß, daß Du mich
nicht liebſt; ſage aber nicht, daß wir der Ausländer be-
dürfen, um groß zu ſein! Sieh zurück in unſre Geſchichte!
Wann waren wir am größten? Damals, als wir allen
Fremden ohne Ausnahme die Pforten unſeres Landes
verſchloſſen, und auf eignen Füßen ſtehend, der eignen
Kraft vertrauend, nach den uralten Geſetzen unſerer Väter
und unſerer Götter lebten. — Jene Zeiten haben geſehen,
wie Ramſes der Große 140) mit unſeren ſiegreichen Waffen
die entlegenſten Völker unterjochte, jene Zeiten haben ge-
hört, wie die ganze Welt Aegypten das erſte, größte Land
der Erde nannte! — Was ſind wir jetzt? — Aus Dei-
nem, des Königs eignen Munde höre ich fremde Bettler
und Abenteuer ‚Stützen des Reiches‘ nennen; — Dich, den
König, ſehe ich eine elende Liſt bereiten, um die Freund-
ſchaft eines Stammes zu gewinnen, über welchen wir, ehe
die Fremden zum Nile kamen, große Siege erfechten konn-
ten 141). Aegypten war eine reichgeſchmückte mächtige Kö-
nigin, jetzt iſt es eine geſchminkte mit goldenen Flittern
behängte Dirne!“

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[89/0107] „Mein Vater!“ „Du möchteſt dieſen Mann verderben, weil er Dich verhinderte die Enkelin der Rhodopis mit Gewalt an Dich zu bringen, weil ich ihn, als Du Dich für unfähig er- wieſen, an Deiner Stelle zum Feldherrn ernannt habe. Du erbleichſt? Wahrlich, ich bin Phanes dankbar dafür daß er mir Deine ruchloſen Pläne mittheilte und mir da- durch Gelegenheit gab, die Stützen meines Thrones, denen Rhodopis theuer iſt, immer feſter an mich zu knüpfen.“ „O, Vater! daß Du die Fremden alſo benennſt, daß Du des alten Ruhmes der Aegypter alſo vergeſſen kannſt! Schmähe mich, wie Du willſt; ich weiß, daß Du mich nicht liebſt; ſage aber nicht, daß wir der Ausländer be- dürfen, um groß zu ſein! Sieh zurück in unſre Geſchichte! Wann waren wir am größten? Damals, als wir allen Fremden ohne Ausnahme die Pforten unſeres Landes verſchloſſen, und auf eignen Füßen ſtehend, der eignen Kraft vertrauend, nach den uralten Geſetzen unſerer Väter und unſerer Götter lebten. — Jene Zeiten haben geſehen, wie Ramſes der Große 140) mit unſeren ſiegreichen Waffen die entlegenſten Völker unterjochte, jene Zeiten haben ge- hört, wie die ganze Welt Aegypten das erſte, größte Land der Erde nannte! — Was ſind wir jetzt? — Aus Dei- nem, des Königs eignen Munde höre ich fremde Bettler und Abenteuer ‚Stützen des Reiches‘ nennen; — Dich, den König, ſehe ich eine elende Liſt bereiten, um die Freund- ſchaft eines Stammes zu gewinnen, über welchen wir, ehe die Fremden zum Nile kamen, große Siege erfechten konn- ten 141). Aegypten war eine reichgeſchmückte mächtige Kö- nigin, jetzt iſt es eine geſchminkte mit goldenen Flittern behängte Dirne!“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/107>, abgerufen am 06.05.2024.