Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Die Seele.
Wie schnell entsteht das rege Denken,
Das aus den innren Trieb entspringt,
Wie wunderbar pflegt sich zu lenken,
Der Körper den sein Wollen zwingt;
Kaum hat der Körper was gespüret,
So wird der Geist dadurch gerühret;
Es wird durch das geheime Band
Das Seel und Leib zusammen strikket,
Der Körper von dem Geist gezükket
Dabei das wie? bleibt unbekandt.
Kein Tropfe treibet so den andern,
Jn einer ungedämmten Flut,
Die bei dem immer regen Wandern,
Niemahls in ihren Wirbeln ruht,
Als ein Gedanke der entstehet,
Auf einen andern folgt und gehet,
Und wiederum den dritten bringt:
Kaum ist derselbige entstanden,
So ist ein anderer vorhanden
Woraus ein neuer schon entspringt.
Wer kan den regen Trieb bemerken,
Der in der Seele sich dewegt,
Ohn diese Warheit zu bestärken,
Daß GOttes Bild darin geprägt.
Bedenken wir, wie die Jdeen,
Aus der Empfindung gleich entstehen:
So stuzt der ganz verschlungne Sinn,
Es öffnen sich der Lippen Schranken,
Man hört den Ausspruch der Gedanken:
Jch spür daß ich ein Wunder bin.
Be-
D 2
Die Seele.
Wie ſchnell entſteht das rege Denken,
Das aus den innren Trieb entſpringt,
Wie wunderbar pflegt ſich zu lenken,
Der Koͤrper den ſein Wollen zwingt;
Kaum hat der Koͤrper was geſpuͤret,
So wird der Geiſt dadurch geruͤhret;
Es wird durch das geheime Band
Das Seel und Leib zuſammen ſtrikket,
Der Koͤrper von dem Geiſt gezuͤkket
Dabei das wie? bleibt unbekandt.
Kein Tropfe treibet ſo den andern,
Jn einer ungedaͤmmten Flut,
Die bei dem immer regen Wandern,
Niemahls in ihren Wirbeln ruht,
Als ein Gedanke der entſtehet,
Auf einen andern folgt und gehet,
Und wiederum den dritten bringt:
Kaum iſt derſelbige entſtanden,
So iſt ein anderer vorhanden
Woraus ein neuer ſchon entſpringt.
Wer kan den regen Trieb bemerken,
Der in der Seele ſich dewegt,
Ohn dieſe Warheit zu beſtaͤrken,
Daß GOttes Bild darin gepraͤgt.
Bedenken wir, wie die Jdeen,
Aus der Empfindung gleich entſtehen:
So ſtuzt der ganz verſchlungne Sinn,
Es oͤffnen ſich der Lippen Schranken,
Man hoͤrt den Ausſpruch der Gedanken:
Jch ſpuͤr daß ich ein Wunder bin.
Be-
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0067" n="51"/>
          <fw place="top" type="header">Die Seele.</fw><lb/>
          <lg n="9">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie &#x017F;chnell ent&#x017F;teht das rege Denken,</l><lb/>
            <l>Das aus den innren Trieb ent&#x017F;pringt,</l><lb/>
            <l>Wie wunderbar pflegt &#x017F;ich zu lenken,</l><lb/>
            <l>Der Ko&#x0364;rper den &#x017F;ein Wollen zwingt;</l><lb/>
            <l>Kaum hat der Ko&#x0364;rper was ge&#x017F;pu&#x0364;ret,</l><lb/>
            <l>So wird der Gei&#x017F;t dadurch geru&#x0364;hret;</l><lb/>
            <l>Es wird durch das geheime Band</l><lb/>
            <l>Das Seel und Leib zu&#x017F;ammen &#x017F;trikket,</l><lb/>
            <l>Der Ko&#x0364;rper von dem Gei&#x017F;t gezu&#x0364;kket</l><lb/>
            <l>Dabei das wie? bleibt unbekandt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l><hi rendition="#in">K</hi>ein Tropfe treibet &#x017F;o den andern,</l><lb/>
            <l>Jn einer ungeda&#x0364;mmten Flut,</l><lb/>
            <l>Die bei dem immer regen Wandern,</l><lb/>
            <l>Niemahls in ihren Wirbeln ruht,</l><lb/>
            <l>Als ein Gedanke der ent&#x017F;tehet,</l><lb/>
            <l>Auf einen andern folgt und gehet,</l><lb/>
            <l>Und wiederum den dritten bringt:</l><lb/>
            <l>Kaum i&#x017F;t der&#x017F;elbige ent&#x017F;tanden,</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t ein anderer vorhanden</l><lb/>
            <l>Woraus ein neuer &#x017F;chon ent&#x017F;pringt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>er kan den regen Trieb bemerken,</l><lb/>
            <l>Der in der Seele &#x017F;ich dewegt,</l><lb/>
            <l>Ohn die&#x017F;e Warheit zu be&#x017F;ta&#x0364;rken,</l><lb/>
            <l>Daß <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Bild darin gepra&#x0364;gt.</l><lb/>
            <l>Bedenken wir, wie die Jdeen,</l><lb/>
            <l>Aus der Empfindung gleich ent&#x017F;tehen:</l><lb/>
            <l>So &#x017F;tuzt der ganz ver&#x017F;chlungne Sinn,</l><lb/>
            <l>Es o&#x0364;ffnen &#x017F;ich der Lippen Schranken,</l><lb/>
            <l>Man ho&#x0364;rt den Aus&#x017F;pruch der Gedanken:</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;pu&#x0364;r daß ich ein Wunder bin.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0067] Die Seele. Wie ſchnell entſteht das rege Denken, Das aus den innren Trieb entſpringt, Wie wunderbar pflegt ſich zu lenken, Der Koͤrper den ſein Wollen zwingt; Kaum hat der Koͤrper was geſpuͤret, So wird der Geiſt dadurch geruͤhret; Es wird durch das geheime Band Das Seel und Leib zuſammen ſtrikket, Der Koͤrper von dem Geiſt gezuͤkket Dabei das wie? bleibt unbekandt. Kein Tropfe treibet ſo den andern, Jn einer ungedaͤmmten Flut, Die bei dem immer regen Wandern, Niemahls in ihren Wirbeln ruht, Als ein Gedanke der entſtehet, Auf einen andern folgt und gehet, Und wiederum den dritten bringt: Kaum iſt derſelbige entſtanden, So iſt ein anderer vorhanden Woraus ein neuer ſchon entſpringt. Wer kan den regen Trieb bemerken, Der in der Seele ſich dewegt, Ohn dieſe Warheit zu beſtaͤrken, Daß GOttes Bild darin gepraͤgt. Bedenken wir, wie die Jdeen, Aus der Empfindung gleich entſtehen: So ſtuzt der ganz verſchlungne Sinn, Es oͤffnen ſich der Lippen Schranken, Man hoͤrt den Ausſpruch der Gedanken: Jch ſpuͤr daß ich ein Wunder bin. Be- D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/67
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/67>, abgerufen am 28.11.2024.