Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Beschaffenheit und Arbeit. Worin er sich wunderbahr als Lebendig doch ver-gräbet. Wer die Wandelung bedenket, die an diesem Wurm geschieht, Und mit Achtsamkeit erforschet, wie er seine Faden zieht; Der erstaunt ob aller Kunst, die darinnen zu be- merken, Und erkennt des Schöpfers Größ auch an diesen Wunderwerken. Doch eh wir dies recht betrachten, wie die Faden draus entstehn, Laßt uns erst den Bau der Glieder an dem Seiden- wurm besehn! Er besteht nach Raupen Art, aus beweglichen Ge- lenken, Die sich wie die Ringelein ineinander künstlich schränken; Seine Füsse sind mit Klauen allenthalben woll ver- sehn, Die er kan ganz schnell bewegen, daß sie gleich zu- sammen gehn, Wenn er sich wo halten wil. Er hat eine Hirnen- Schale, Die sein feucht Gehirn bedekt, welche einem Sprüz Canale Gleich, und mit den Rükgelenken fest vereint den Leib durchdringt, Und die zähen Feuchtigkeiten durch den ganzen Kör- per bringt: Jn dem Munde sind zwei Reihn von den Zähnen die so stehen, Daß sie, wenn er sie bewegt, zu der linken Seite ge- hen. Diese P 3
Beſchaffenheit und Arbeit. Worin er ſich wunderbahr als Lebendig doch ver-graͤbet. Wer die Wandelung bedenket, die an dieſem Wurm geſchieht, Und mit Achtſamkeit erforſchet, wie er ſeine Faden zieht; Der erſtaunt ob aller Kunſt, die darinnen zu be- merken, Und erkennt des Schoͤpfers Groͤß auch an dieſen Wunderwerken. Doch eh wir dies recht betrachten, wie die Faden draus entſtehn, Laßt uns erſt den Bau der Glieder an dem Seiden- wurm beſehn! Er beſteht nach Raupen Art, aus beweglichen Ge- lenken, Die ſich wie die Ringelein ineinander kuͤnſtlich ſchraͤnken; Seine Fuͤſſe ſind mit Klauen allenthalben woll ver- ſehn, Die er kan ganz ſchnell bewegen, daß ſie gleich zu- ſammen gehn, Wenn er ſich wo halten wil. Er hat eine Hirnen- Schale, Die ſein feucht Gehirn bedekt, welche einem Spruͤz Canale Gleich, und mit den Ruͤkgelenken feſt vereint den Leib durchdringt, Und die zaͤhen Feuchtigkeiten durch den ganzen Koͤr- per bringt: Jn dem Munde ſind zwei Reihn von den Zaͤhnen die ſo ſtehen, Daß ſie, wenn er ſie bewegt, zu der linken Seite ge- hen. Dieſe P 3
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Beſchaffenheit und Arbeit.
Worin er ſich wunderbahr als Lebendig doch ver-
graͤbet.
Wer die Wandelung bedenket, die an dieſem Wurm
geſchieht,
Und mit Achtſamkeit erforſchet, wie er ſeine Faden
zieht;
Der erſtaunt ob aller Kunſt, die darinnen zu be-
merken,
Und erkennt des Schoͤpfers Groͤß auch an dieſen
Wunderwerken.
Doch eh wir dies recht betrachten, wie die Faden
draus entſtehn,
Laßt uns erſt den Bau der Glieder an dem Seiden-
wurm beſehn!
Er beſteht nach Raupen Art, aus beweglichen Ge-
lenken,
Die ſich wie die Ringelein ineinander kuͤnſtlich
ſchraͤnken;
Seine Fuͤſſe ſind mit Klauen allenthalben woll ver-
ſehn,
Die er kan ganz ſchnell bewegen, daß ſie gleich zu-
ſammen gehn,
Wenn er ſich wo halten wil. Er hat eine Hirnen-
Schale,
Die ſein feucht Gehirn bedekt, welche einem Spruͤz
Canale
Gleich, und mit den Ruͤkgelenken feſt vereint den
Leib durchdringt,
Und die zaͤhen Feuchtigkeiten durch den ganzen Koͤr-
per bringt:
Jn dem Munde ſind zwei Reihn von den Zaͤhnen die
ſo ſtehen,
Daß ſie, wenn er ſie bewegt, zu der linken Seite ge-
hen.
Dieſe
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