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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.

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Der Seidenwürmer künstliche
Groß und weisser anzusehn, und mit grün ganz aus-
gefüllet,

Welche Farbe durch das Weiß in recht sanffter
Mischung quillet.

Nach der Zeit von wenig Tagen lässet er von Fres-
sen ab

Und liegt wie im tieffen Schlaffe, als in einem Tod-
ten-Grab;

Drauf erwacht er, fänget an sich zu krümmen und
zu winden,

Da wir wiederum an ihm eine Haut voll Runzeln
finden.

Er streifft sich zum zweiten mahle ab, die ganz
verschrumpfte Haut,

Wirfft sie mit den Fuß zur Seite, und wird gleich-
sam neu geschaut;

Als wär es ein andres Thier. Es fängt wieder an
zu zehren,

Und sich durch das Maulbeerlaub wiederum recht zu
ernähren:

Aber ehe man es meinet, ist es wiederum vor-
bei,

Jhn befällt der vorge Schlummer, und die Schlaf-
sucht kommt aufs neu,

Und wenn die zum Ende geht, wird er wiederum
verwandelt,

Jndem er die Haut abstreifft und zum dritten mahl
so handelt,

Wie vorhero ist geschehen. Er frißt wieder gierig
fort,

Bis er endlich alles müde und sich einen stillen
Ort

Wie Einsiedler auferbaut, und sich einen Faden we-
bet,

Worin
Der Seidenwuͤrmer kuͤnſtliche
Groß und weiſſer anzuſehn, und mit gruͤn ganz aus-
gefuͤllet,

Welche Farbe durch das Weiß in recht ſanffter
Miſchung quillet.

Nach der Zeit von wenig Tagen laͤſſet er von Freſ-
ſen ab

Und liegt wie im tieffen Schlaffe, als in einem Tod-
ten-Grab;

Drauf erwacht er, faͤnget an ſich zu kruͤmmen und
zu winden,

Da wir wiederum an ihm eine Haut voll Runzeln
finden.

Er ſtreifft ſich zum zweiten mahle ab, die ganz
verſchrumpfte Haut,

Wirfft ſie mit den Fuß zur Seite, und wird gleich-
ſam neu geſchaut;

Als waͤr es ein andres Thier. Es faͤngt wieder an
zu zehren,

Und ſich durch das Maulbeerlaub wiederum recht zu
ernaͤhren:

Aber ehe man es meinet, iſt es wiederum vor-
bei,

Jhn befaͤllt der vorge Schlummer, und die Schlaf-
ſucht kommt aufs neu,

Und wenn die zum Ende geht, wird er wiederum
verwandelt,

Jndem er die Haut abſtreifft und zum dritten mahl
ſo handelt,

Wie vorhero iſt geſchehen. Er frißt wieder gierig
fort,

Bis er endlich alles muͤde und ſich einen ſtillen
Ort

Wie Einſiedler auferbaut, und ſich einen Faden we-
bet,

Worin
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[228/0244] Der Seidenwuͤrmer kuͤnſtliche Groß und weiſſer anzuſehn, und mit gruͤn ganz aus- gefuͤllet, Welche Farbe durch das Weiß in recht ſanffter Miſchung quillet. Nach der Zeit von wenig Tagen laͤſſet er von Freſ- ſen ab Und liegt wie im tieffen Schlaffe, als in einem Tod- ten-Grab; Drauf erwacht er, faͤnget an ſich zu kruͤmmen und zu winden, Da wir wiederum an ihm eine Haut voll Runzeln finden. Er ſtreifft ſich zum zweiten mahle ab, die ganz verſchrumpfte Haut, Wirfft ſie mit den Fuß zur Seite, und wird gleich- ſam neu geſchaut; Als waͤr es ein andres Thier. Es faͤngt wieder an zu zehren, Und ſich durch das Maulbeerlaub wiederum recht zu ernaͤhren: Aber ehe man es meinet, iſt es wiederum vor- bei, Jhn befaͤllt der vorge Schlummer, und die Schlaf- ſucht kommt aufs neu, Und wenn die zum Ende geht, wird er wiederum verwandelt, Jndem er die Haut abſtreifft und zum dritten mahl ſo handelt, Wie vorhero iſt geſchehen. Er frißt wieder gierig fort, Bis er endlich alles muͤde und ſich einen ſtillen Ort Wie Einſiedler auferbaut, und ſich einen Faden we- bet, Worin

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen04_1747/244>, abgerufen am 06.05.2024.