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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Die Geilheit.

Und berauschst mit deinen Gift,
Alle die auf falsches Winken,
Deinen Taumelkelch austrinken,
Wie uns die Vernunft und Schrift;
Wie uns die Erfahrung zeigen,
Der die ächte Wahrheit eigen.

GOtt hat die Geschlechtes-Liebe,
Als der Keuschheit reine Triebe
Menschen weislich eingeprägt;
Diese reinen Leidenschaften,
Die in Blut und Körper haften,
Sind wenn man sie jezt erwegt
Leider! wie die andren alle,
Ganz verdorben bei dem Falle.
Sie sind gleich dem wilden Feuer,
Gleich auch einem Ungeheuer,
Das ganz wütend um sich brennt;
Das mit kollernden Geblüte
Mit verblendeten Gemüte
Ungesäumet dahin rennt,
Wo die Pfüzen voller Wehen,
Jhrer Neigung offen stehen.
Wer es nicht beizeiten stillet,
Wenn es nach der Kühlung brüllet,
Wird von Wollust leicht bestrikt;
Wer des Fleisches Lüste heget,
Nicht in Zaum und Zügel leget
Wird gar leichtlich fortgerükt,
Durch die unsichtbahren Schlingen,
Die zulezt zum Abgrund bringen.
Ach!
P 5

Die Geilheit.

Und berauſchſt mit deinen Gift,
Alle die auf falſches Winken,
Deinen Taumelkelch austrinken,
Wie uns die Vernunft und Schrift;
Wie uns die Erfahrung zeigen,
Der die aͤchte Wahrheit eigen.

GOtt hat die Geſchlechtes-Liebe,
Als der Keuſchheit reine Triebe
Menſchen weislich eingepraͤgt;
Dieſe reinen Leidenſchaften,
Die in Blut und Koͤrper haften,
Sind wenn man ſie jezt erwegt
Leider! wie die andren alle,
Ganz verdorben bei dem Falle.
Sie ſind gleich dem wilden Feuer,
Gleich auch einem Ungeheuer,
Das ganz wuͤtend um ſich brennt;
Das mit kollernden Gebluͤte
Mit verblendeten Gemuͤte
Ungeſaͤumet dahin rennt,
Wo die Pfuͤzen voller Wehen,
Jhrer Neigung offen ſtehen.
Wer es nicht beizeiten ſtillet,
Wenn es nach der Kuͤhlung bruͤllet,
Wird von Wolluſt leicht beſtrikt;
Wer des Fleiſches Luͤſte heget,
Nicht in Zaum und Zuͤgel leget
Wird gar leichtlich fortgeruͤkt,
Durch die unſichtbahren Schlingen,
Die zulezt zum Abgrund bringen.
Ach!
P 5
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[233/0245] Die Geilheit. Und berauſchſt mit deinen Gift, Alle die auf falſches Winken, Deinen Taumelkelch austrinken, Wie uns die Vernunft und Schrift; Wie uns die Erfahrung zeigen, Der die aͤchte Wahrheit eigen. GOtt hat die Geſchlechtes-Liebe, Als der Keuſchheit reine Triebe Menſchen weislich eingepraͤgt; Dieſe reinen Leidenſchaften, Die in Blut und Koͤrper haften, Sind wenn man ſie jezt erwegt Leider! wie die andren alle, Ganz verdorben bei dem Falle. Sie ſind gleich dem wilden Feuer, Gleich auch einem Ungeheuer, Das ganz wuͤtend um ſich brennt; Das mit kollernden Gebluͤte Mit verblendeten Gemuͤte Ungeſaͤumet dahin rennt, Wo die Pfuͤzen voller Wehen, Jhrer Neigung offen ſtehen. Wer es nicht beizeiten ſtillet, Wenn es nach der Kuͤhlung bruͤllet, Wird von Wolluſt leicht beſtrikt; Wer des Fleiſches Luͤſte heget, Nicht in Zaum und Zuͤgel leget Wird gar leichtlich fortgeruͤkt, Durch die unſichtbahren Schlingen, Die zulezt zum Abgrund bringen. Ach! P 5

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/245>, abgerufen am 16.04.2024.