Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Gedanken über einem Weinstok. Die Güte sucht uns zu erquikken, Dazu muß auch der kräfftge Wein, Den wir aus zarten Beeren drükken, Ein heilsam stärkend Mittel seyn. Ach möchten wir dieselbe schmekken, Wenn wir der Trauben Nectar lekken: So würde dieses Tranks Genus, Bei vielen nicht, wie oft geschiehet, Wenn er durch helle Gläser glühet, Gebraucht zum schnöden Ueberflus! Man singt und jauchzet bei Pocalen, Worin des Herzens Freude schwimmt: Allein wird woll bei vollen Schalen Ein klingend Danklied angestimmt, Dem Geber, der den Wein bescheret, Und uns mit süssen Tropfen nähret? Ach! leider hört man bei dem Klang Der Gläser die mit Wein gefüllet, Wie dieser schreit, der andre brüllet, Der Geilheit üppigen Gesang. Du weiser GOtt! hast uns gegeben, Dis Weinstocks schönen Nectertrank: Damit wir bei vergnügten Leben, Dir opferten Lob, Preis und Dank: Jch sehe jezt bei welken Laube, Die durch die Sonn gereiffte Traube, Jch schmekke ihre Süssigkeit, Und drin mit nüchternen Gemüthe, Auch deine grosse Wundergüte, Die uns den Lebenssafft anbeut. Der M 2
Gedanken uͤber einem Weinſtok. Die Guͤte ſucht uns zu erquikken, Dazu muß auch der kraͤfftge Wein, Den wir aus zarten Beeren druͤkken, Ein heilſam ſtaͤrkend Mittel ſeyn. Ach moͤchten wir dieſelbe ſchmekken, Wenn wir der Trauben Nectar lekken: So wuͤrde dieſes Tranks Genus, Bei vielen nicht, wie oft geſchiehet, Wenn er durch helle Glaͤſer gluͤhet, Gebraucht zum ſchnoͤden Ueberflus! Man ſingt und jauchzet bei Pocalen, Worin des Herzens Freude ſchwimmt: Allein wird woll bei vollen Schalen Ein klingend Danklied angeſtimmt, Dem Geber, der den Wein beſcheret, Und uns mit ſuͤſſen Tropfen naͤhret? Ach! leider hoͤrt man bei dem Klang Der Glaͤſer die mit Wein gefuͤllet, Wie dieſer ſchreit, der andre bruͤllet, Der Geilheit uͤppigen Geſang. Du weiſer GOtt! haſt uns gegeben, Dis Weinſtocks ſchoͤnen Nectertrank: Damit wir bei vergnuͤgten Leben, Dir opferten Lob, Preis und Dank: Jch ſehe jezt bei welken Laube, Die durch die Sonn gereiffte Traube, Jch ſchmekke ihre Suͤſſigkeit, Und drin mit nuͤchternen Gemuͤthe, Auch deine groſſe Wunderguͤte, Die uns den Lebensſafft anbeut. Der M 2
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Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Die Guͤte ſucht uns zu erquikken,
Dazu muß auch der kraͤfftge Wein,
Den wir aus zarten Beeren druͤkken,
Ein heilſam ſtaͤrkend Mittel ſeyn.
Ach moͤchten wir dieſelbe ſchmekken,
Wenn wir der Trauben Nectar lekken:
So wuͤrde dieſes Tranks Genus,
Bei vielen nicht, wie oft geſchiehet,
Wenn er durch helle Glaͤſer gluͤhet,
Gebraucht zum ſchnoͤden Ueberflus!
Man ſingt und jauchzet bei Pocalen,
Worin des Herzens Freude ſchwimmt:
Allein wird woll bei vollen Schalen
Ein klingend Danklied angeſtimmt,
Dem Geber, der den Wein beſcheret,
Und uns mit ſuͤſſen Tropfen naͤhret?
Ach! leider hoͤrt man bei dem Klang
Der Glaͤſer die mit Wein gefuͤllet,
Wie dieſer ſchreit, der andre bruͤllet,
Der Geilheit uͤppigen Geſang.
Du weiſer GOtt! haſt uns gegeben,
Dis Weinſtocks ſchoͤnen Nectertrank:
Damit wir bei vergnuͤgten Leben,
Dir opferten Lob, Preis und Dank:
Jch ſehe jezt bei welken Laube,
Die durch die Sonn gereiffte Traube,
Jch ſchmekke ihre Suͤſſigkeit,
Und drin mit nuͤchternen Gemuͤthe,
Auch deine groſſe Wunderguͤte,
Die uns den Lebensſafft anbeut.
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