Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.Der Herbst. An einem dunkelbraunen Streif in ausgespannterEbne lieget. Es sah dies mein gereitztes Auge, das Herz gedach- te gleich, dabei, Wie auch zu allen Jahres-Zeiten, das Feld der Anmuth Schauplatz sey: Man wird davon noch mehr gerührt, wenn man im Strahl der warmen Sonnen, Das flöckigte Gewebe sieht, womit der Herbst das Land besponnen. Das Auge wird durch zarte Faden vergnügt, die durch den hellen Schein Der Sonnen bald ein Goldgespinste, bald wie ein Draht von Silber seyn, Bald blaulicht und bald wieder grün, gleich den ge- färbten Regenbogen, Die in den wandelbahren Strahl, geflammt und gleichsam durchgezogen. Kommt etwan in ein solch Gespinste, ein Pflüger der dasselbe trennt: So sieht man wie dasselbe flieget, und bei dem Pferde Trab fortrennt, Sich schwenkend in die Höhe hebt und wie ein heller Dunst sich drehet, Mit Anmuth das Gesicht vergnügt, bis es der Luftbraus weiter wehet. Jst dies Ergötzen uns verflogen; so ist ein neu Ver- gnügen da, Der Akker ist kaum umgebrochen; so ist der Sae- man ihm schon nah, Der um sich einen Sack gespannt, und in gewissen Schritten gehet, Und draus die Saamenkörner faßt, die er ins fri- sche Aekker säet. Er A 2
Der Herbſt. An einem dunkelbraunen Streif in ausgeſpannterEbne lieget. Es ſah dies mein gereitztes Auge, das Herz gedach- te gleich, dabei, Wie auch zu allen Jahres-Zeiten, das Feld der Anmuth Schauplatz ſey: Man wird davon noch mehr geruͤhrt, wenn man im Strahl der warmen Sonnen, Das floͤckigte Gewebe ſieht, womit der Herbſt das Land beſponnen. Das Auge wird durch zarte Faden vergnuͤgt, die durch den hellen Schein Der Sonnen bald ein Goldgeſpinſte, bald wie ein Draht von Silber ſeyn, Bald blaulicht und bald wieder gruͤn, gleich den ge- faͤrbten Regenbogen, Die in den wandelbahren Strahl, geflammt und gleichſam durchgezogen. Kommt etwan in ein ſolch Geſpinſte, ein Pfluͤger der daſſelbe trennt: So ſieht man wie daſſelbe flieget, und bei dem Pferde Trab fortrennt, Sich ſchwenkend in die Hoͤhe hebt und wie ein heller Dunſt ſich drehet, Mit Anmuth das Geſicht vergnuͤgt, bis es der Luftbraus weiter wehet. Jſt dies Ergoͤtzen uns verflogen; ſo iſt ein neu Ver- gnuͤgen da, Der Akker iſt kaum umgebrochen; ſo iſt der Sae- man ihm ſchon nah, Der um ſich einen Sack geſpannt, und in gewiſſen Schritten gehet, Und draus die Saamenkoͤrner faßt, die er ins fri- ſche Aekker ſaͤet. Er A 2
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Der Herbſt.
An einem dunkelbraunen Streif in ausgeſpannter
Ebne lieget.
Es ſah dies mein gereitztes Auge, das Herz gedach-
te gleich, dabei,
Wie auch zu allen Jahres-Zeiten, das Feld der
Anmuth Schauplatz ſey:
Man wird davon noch mehr geruͤhrt, wenn man
im Strahl der warmen Sonnen,
Das floͤckigte Gewebe ſieht, womit der Herbſt das
Land beſponnen.
Das Auge wird durch zarte Faden vergnuͤgt, die
durch den hellen Schein
Der Sonnen bald ein Goldgeſpinſte, bald wie ein
Draht von Silber ſeyn,
Bald blaulicht und bald wieder gruͤn, gleich den ge-
faͤrbten Regenbogen,
Die in den wandelbahren Strahl, geflammt und
gleichſam durchgezogen.
Kommt etwan in ein ſolch Geſpinſte, ein Pfluͤger
der daſſelbe trennt:
So ſieht man wie daſſelbe flieget, und bei dem
Pferde Trab fortrennt,
Sich ſchwenkend in die Hoͤhe hebt und wie ein heller
Dunſt ſich drehet,
Mit Anmuth das Geſicht vergnuͤgt, bis es der
Luftbraus weiter wehet.
Jſt dies Ergoͤtzen uns verflogen; ſo iſt ein neu Ver-
gnuͤgen da,
Der Akker iſt kaum umgebrochen; ſo iſt der Sae-
man ihm ſchon nah,
Der um ſich einen Sack geſpannt, und in gewiſſen
Schritten gehet,
Und draus die Saamenkoͤrner faßt, die er ins fri-
ſche Aekker ſaͤet.
Er
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