Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schaubühne der Welt.

Nur vor des Höchsten Antliz treten,
Der Eva Töchter zu beschaun.

Wie viele sind von falschen Frommen,
Die nur zu heilgen Tempeln kommen,
Damit die lange Zeit verfliegt,
Wie viele daß sie nur anhören,
Ein Klangspiel wollgestimmter Chören,
Daran sich ihr Gehör vergnügt.
Wie viele kommen nur zusamen,
Den Kleider Puz da auszukramen,
Wo ihn ein grosser Hauffe sieht;
Wie viele sind, die uns verborgen,
Den einstens jenes Tages Morgen
Der Larven falschen Schein abzieht?
Es braucht nicht an Gerichtes-Pläzzen,
Comödien Häuser aufzusezzen;
Es wird da oft ohn dem agirt,
Der Richterstab umsonst gebrochen,
Und die Gerechtigkeit bestochen,
Wie im Triumphe aufgeführt.
Man spielet oft mit den Gewichte,
Weil der Gerechtigkeit Gesichte,
Vom schwarzen Stahr verdunkelt ist,
Weil da nur alles nicht zu sehen,
Wie sich die Staats-Maschinen drehen,
Ein jeder durch die Brille liest.
An Fürsten-Höfen dieser Erden,
Da Opern sehr geliebet werden,
Wird

Die Schaubuͤhne der Welt.

Nur vor des Hoͤchſten Antliz treten,
Der Eva Toͤchter zu beſchaun.

Wie viele ſind von falſchen Frommen,
Die nur zu heilgen Tempeln kommen,
Damit die lange Zeit verfliegt,
Wie viele daß ſie nur anhoͤren,
Ein Klangſpiel wollgeſtimmter Choͤren,
Daran ſich ihr Gehoͤr vergnuͤgt.
Wie viele kommen nur zuſamen,
Den Kleider Puz da auszukramen,
Wo ihn ein groſſer Hauffe ſieht;
Wie viele ſind, die uns verborgen,
Den einſtens jenes Tages Morgen
Der Larven falſchen Schein abzieht?
Es braucht nicht an Gerichtes-Plaͤzzen,
Comoͤdien Haͤuſer aufzuſezzen;
Es wird da oft ohn dem agirt,
Der Richterſtab umſonſt gebrochen,
Und die Gerechtigkeit beſtochen,
Wie im Triumphe aufgefuͤhrt.
Man ſpielet oft mit den Gewichte,
Weil der Gerechtigkeit Geſichte,
Vom ſchwarzen Stahr verdunkelt iſt,
Weil da nur alles nicht zu ſehen,
Wie ſich die Staats-Maſchinen drehen,
Ein jeder durch die Brille lieſt.
An Fuͤrſten-Hoͤfen dieſer Erden,
Da Opern ſehr geliebet werden,
Wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="23">
            <l>
              <pb facs="#f0091" n="79"/>
              <fw place="top" type="header">Die Schaubu&#x0364;hne der Welt.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Nur vor des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Antliz treten,</l><lb/>
            <l>Der Eva To&#x0364;chter zu be&#x017F;chaun.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="24">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie viele &#x017F;ind von fal&#x017F;chen Frommen,</l><lb/>
            <l>Die nur zu heilgen Tempeln kommen,</l><lb/>
            <l>Damit die lange Zeit verfliegt,</l><lb/>
            <l>Wie viele daß &#x017F;ie nur anho&#x0364;ren,</l><lb/>
            <l>Ein Klang&#x017F;piel wollge&#x017F;timmter Cho&#x0364;ren,</l><lb/>
            <l>Daran &#x017F;ich ihr Geho&#x0364;r vergnu&#x0364;gt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="25">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie viele kommen nur zu&#x017F;amen,</l><lb/>
            <l>Den Kleider Puz da auszukramen,</l><lb/>
            <l>Wo ihn ein gro&#x017F;&#x017F;er Hauffe &#x017F;ieht;</l><lb/>
            <l>Wie viele &#x017F;ind, die uns verborgen,</l><lb/>
            <l>Den ein&#x017F;tens jenes Tages Morgen</l><lb/>
            <l>Der Larven fal&#x017F;chen Schein abzieht?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s braucht nicht an Gerichtes-Pla&#x0364;zzen,</l><lb/>
            <l>Como&#x0364;dien Ha&#x0364;u&#x017F;er aufzu&#x017F;ezzen;</l><lb/>
            <l>Es wird da oft ohn dem agirt,</l><lb/>
            <l>Der Richter&#x017F;tab um&#x017F;on&#x017F;t gebrochen,</l><lb/>
            <l>Und die Gerechtigkeit be&#x017F;tochen,</l><lb/>
            <l>Wie im Triumphe aufgefu&#x0364;hrt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="27">
            <l><hi rendition="#in">M</hi>an &#x017F;pielet oft mit den Gewichte,</l><lb/>
            <l>Weil der Gerechtigkeit Ge&#x017F;ichte,</l><lb/>
            <l>Vom &#x017F;chwarzen Stahr verdunkelt i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Weil da nur alles nicht zu &#x017F;ehen,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ich die Staats-Ma&#x017F;chinen drehen,</l><lb/>
            <l>Ein jeder durch die Brille lie&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="28">
            <l><hi rendition="#in">A</hi>n Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Ho&#x0364;fen die&#x017F;er Erden,</l><lb/>
            <l>Da Opern &#x017F;ehr geliebet werden,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wird</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0091] Die Schaubuͤhne der Welt. Nur vor des Hoͤchſten Antliz treten, Der Eva Toͤchter zu beſchaun. Wie viele ſind von falſchen Frommen, Die nur zu heilgen Tempeln kommen, Damit die lange Zeit verfliegt, Wie viele daß ſie nur anhoͤren, Ein Klangſpiel wollgeſtimmter Choͤren, Daran ſich ihr Gehoͤr vergnuͤgt. Wie viele kommen nur zuſamen, Den Kleider Puz da auszukramen, Wo ihn ein groſſer Hauffe ſieht; Wie viele ſind, die uns verborgen, Den einſtens jenes Tages Morgen Der Larven falſchen Schein abzieht? Es braucht nicht an Gerichtes-Plaͤzzen, Comoͤdien Haͤuſer aufzuſezzen; Es wird da oft ohn dem agirt, Der Richterſtab umſonſt gebrochen, Und die Gerechtigkeit beſtochen, Wie im Triumphe aufgefuͤhrt. Man ſpielet oft mit den Gewichte, Weil der Gerechtigkeit Geſichte, Vom ſchwarzen Stahr verdunkelt iſt, Weil da nur alles nicht zu ſehen, Wie ſich die Staats-Maſchinen drehen, Ein jeder durch die Brille lieſt. An Fuͤrſten-Hoͤfen dieſer Erden, Da Opern ſehr geliebet werden, Wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/91
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/91>, abgerufen am 28.04.2024.