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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die betrachtenswürdige Korn-Aehre

Wie weise ist das ausgefunden,
So bleibt es frei vor Sonn und Brand,
Vor starker Luft, und Feuchtigkeiten,
Die wieder seinen Wachsthum streiten.

Und könnten die gestrahlten Blizze
Der Sonn, ein Korn zu stark berührn;
So würd es bei der dürren Hizze,
Gar allen frischen Saft verliern,
So würd es ganz und gar versengen,
Jn dieser innerlichen Glut.
Und könnte in die Hölen drengen,
Der Regentropfen feuchte Flut,
So würd es nicht die Näß ertragen,
Vielmehr verfaulen, und ausschlagen.
Die schön gebauten Aehren Cellen,
Die Vorrathskammern ewger Güt,
Die sind gleichsam verschanzt mit Wällen,
Davor der Räuber Heer entflieht.
Es sind theils lang, theils kurze Spizzen,
Die vor der Raupen giergen Wuth,
Die Körner in den Aehren schüzzen,
Und will der Würmer rege Brut,
Den Kopf nach einem Korn ausstrekken,
So muß sie gegen Stachel lekken.
Dies zeigt des Schöpfers weises Fügen,
Der so viel Wunder aufgestellt,
Die uns theils nüzzen, theils vergnügen,
Die er recht wunderbar erhält.
Ach! möchten uns die vielen Aehren,
Stat vieler tausend Zungen seyn,
Die

Die betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre

Wie weiſe iſt das ausgefunden,
So bleibt es frei vor Sonn und Brand,
Vor ſtarker Luft, und Feuchtigkeiten,
Die wieder ſeinen Wachsthum ſtreiten.

Und koͤnnten die geſtrahlten Blizze
Der Sonn, ein Korn zu ſtark beruͤhrn;
So wuͤrd es bei der duͤrren Hizze,
Gar allen friſchen Saft verliern,
So wuͤrd es ganz und gar verſengen,
Jn dieſer innerlichen Glut.
Und koͤnnte in die Hoͤlen drengen,
Der Regentropfen feuchte Flut,
So wuͤrd es nicht die Naͤß ertragen,
Vielmehr verfaulen, und ausſchlagen.
Die ſchoͤn gebauten Aehren Cellen,
Die Vorrathskammern ewger Guͤt,
Die ſind gleichſam verſchanzt mit Waͤllen,
Davor der Raͤuber Heer entflieht.
Es ſind theils lang, theils kurze Spizzen,
Die vor der Raupen giergen Wuth,
Die Koͤrner in den Aehren ſchuͤzzen,
Und will der Wuͤrmer rege Brut,
Den Kopf nach einem Korn ausſtrekken,
So muß ſie gegen Stachel lekken.
Dies zeigt des Schoͤpfers weiſes Fuͤgen,
Der ſo viel Wunder aufgeſtellt,
Die uns theils nuͤzzen, theils vergnuͤgen,
Die er recht wunderbar erhaͤlt.
Ach! moͤchten uns die vielen Aehren,
Stat vieler tauſend Zungen ſeyn,
Die
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[134/0146] Die betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre Wie weiſe iſt das ausgefunden, So bleibt es frei vor Sonn und Brand, Vor ſtarker Luft, und Feuchtigkeiten, Die wieder ſeinen Wachsthum ſtreiten. Und koͤnnten die geſtrahlten Blizze Der Sonn, ein Korn zu ſtark beruͤhrn; So wuͤrd es bei der duͤrren Hizze, Gar allen friſchen Saft verliern, So wuͤrd es ganz und gar verſengen, Jn dieſer innerlichen Glut. Und koͤnnte in die Hoͤlen drengen, Der Regentropfen feuchte Flut, So wuͤrd es nicht die Naͤß ertragen, Vielmehr verfaulen, und ausſchlagen. Die ſchoͤn gebauten Aehren Cellen, Die Vorrathskammern ewger Guͤt, Die ſind gleichſam verſchanzt mit Waͤllen, Davor der Raͤuber Heer entflieht. Es ſind theils lang, theils kurze Spizzen, Die vor der Raupen giergen Wuth, Die Koͤrner in den Aehren ſchuͤzzen, Und will der Wuͤrmer rege Brut, Den Kopf nach einem Korn ausſtrekken, So muß ſie gegen Stachel lekken. Dies zeigt des Schoͤpfers weiſes Fuͤgen, Der ſo viel Wunder aufgeſtellt, Die uns theils nuͤzzen, theils vergnuͤgen, Die er recht wunderbar erhaͤlt. Ach! moͤchten uns die vielen Aehren, Stat vieler tauſend Zungen ſeyn, Die

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/146>, abgerufen am 27.04.2024.