Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die wunderbahre, doch weise
Seine Weisheit lenket alles zu dem wollgeornd-
ten Ziel,
Scheinet uns denn auf der Erde, dies und das ein
Trauerspiel;
Das macht unser Unverstand, von der Einbildung
betäubet
Der von der Begebenheit, anders als sie ist, oft
gläubet.
Sagt man daß des Himmels Schlüsse, die wir
warlich nicht verstehn,
Jn der Reihe wie sie folgen, in verwirrten Lauffe
gehn;
So ist unser Urtheil falsch, weil der Ausgang klär-
lich zeiget,
Daß sich alles zu dem Zweck, nach des Höchsten
Willen neiget;
Sieht ein Mensch von blöden Sinnen, ein recht
künstlich Uhrwerk ein,
Da die aufgespannten Räder, welzend in dem Lauf-
fe sein
Und sich selbst entgegen gehn: so deucht ihm daß
die Maschine,
Die sich so verwirret dreht, ihm nur zum Beweis-
thum diene,
Daß der Meister toll zn nennen, der das Räder-
werck gemacht,
Und ein so verwirrt Gebäude, ohngefehr herfür ge-
bracht.
Da doch der verkehrte Gang, da ein Rad das an-
dre rühret
Auf dem äusern Ziefer-Blat, richtig seinen Zeiger
führet:
So gehts euch ihr Menschen Kinder! wenn ihr mit
Verwundrung seht,
Wie
Die wunderbahre, doch weiſe
Seine Weisheit lenket alles zu dem wollgeornd-
ten Ziel,
Scheinet uns denn auf der Erde, dies und das ein
Trauerſpiel;
Das macht unſer Unverſtand, von der Einbildung
betaͤubet
Der von der Begebenheit, anders als ſie iſt, oft
glaͤubet.
Sagt man daß des Himmels Schluͤſſe, die wir
warlich nicht verſtehn,
Jn der Reihe wie ſie folgen, in verwirrten Lauffe
gehn;
So iſt unſer Urtheil falſch, weil der Ausgang klaͤr-
lich zeiget,
Daß ſich alles zu dem Zweck, nach des Hoͤchſten
Willen neiget;
Sieht ein Menſch von bloͤden Sinnen, ein recht
kuͤnſtlich Uhrwerk ein,
Da die aufgeſpannten Raͤder, welzend in dem Lauf-
fe ſein
Und ſich ſelbſt entgegen gehn: ſo deucht ihm daß
die Maſchine,
Die ſich ſo verwirret dreht, ihm nur zum Beweis-
thum diene,
Daß der Meiſter toll zn nennen, der das Raͤder-
werck gemacht,
Und ein ſo verwirrt Gebaͤude, ohngefehr herfuͤr ge-
bracht.
Da doch der verkehrte Gang, da ein Rad das an-
dre ruͤhret
Auf dem aͤuſern Ziefer-Blat, richtig ſeinen Zeiger
fuͤhret:
So gehts euch ihr Menſchen Kinder! wenn ihr mit
Verwundrung ſeht,
Wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0282" n="266"/>
          <fw place="top" type="header">Die wunderbahre, doch wei&#x017F;e</fw><lb/>
          <l>Seine Weisheit lenket alles zu dem wollgeornd-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ten Ziel,</hi> </l><lb/>
          <l>Scheinet uns denn auf der Erde, dies und das ein</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Trauer&#x017F;piel;</hi> </l><lb/>
          <l>Das macht un&#x017F;er Unver&#x017F;tand, von der Einbildung</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">beta&#x0364;ubet</hi> </l><lb/>
          <l>Der von der Begebenheit, anders als &#x017F;ie i&#x017F;t, oft</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gla&#x0364;ubet.</hi> </l><lb/>
          <l>Sagt man daß des Himmels Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, die wir</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">warlich nicht ver&#x017F;tehn,</hi> </l><lb/>
          <l>Jn der Reihe wie &#x017F;ie folgen, in verwirrten Lauffe</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gehn;</hi> </l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t un&#x017F;er Urtheil fal&#x017F;ch, weil der Ausgang kla&#x0364;r-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">lich zeiget,</hi> </l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ich alles zu dem Zweck, nach des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Willen neiget;</hi> </l><lb/>
          <l>Sieht ein Men&#x017F;ch von blo&#x0364;den Sinnen, ein recht</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ku&#x0364;n&#x017F;tlich Uhrwerk ein,</hi> </l><lb/>
          <l>Da die aufge&#x017F;pannten Ra&#x0364;der, welzend in dem Lauf-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">fe &#x017F;ein</hi> </l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t entgegen gehn: &#x017F;o deucht ihm daß</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">die Ma&#x017F;chine,</hi> </l><lb/>
          <l>Die &#x017F;ich &#x017F;o verwirret dreht, ihm nur zum Beweis-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">thum diene,</hi> </l><lb/>
          <l>Daß der Mei&#x017F;ter toll zn nennen, der das Ra&#x0364;der-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">werck gemacht,</hi> </l><lb/>
          <l>Und ein &#x017F;o verwirrt Geba&#x0364;ude, ohngefehr herfu&#x0364;r ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">bracht.</hi> </l><lb/>
          <l>Da doch der verkehrte Gang, da ein Rad das an-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dre ru&#x0364;hret</hi> </l><lb/>
          <l>Auf dem a&#x0364;u&#x017F;ern Ziefer-Blat, richtig &#x017F;einen Zeiger</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">fu&#x0364;hret:</hi> </l><lb/>
          <l>So gehts euch ihr Men&#x017F;chen Kinder! wenn ihr mit</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Verwundrung &#x017F;eht,</hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0282] Die wunderbahre, doch weiſe Seine Weisheit lenket alles zu dem wollgeornd- ten Ziel, Scheinet uns denn auf der Erde, dies und das ein Trauerſpiel; Das macht unſer Unverſtand, von der Einbildung betaͤubet Der von der Begebenheit, anders als ſie iſt, oft glaͤubet. Sagt man daß des Himmels Schluͤſſe, die wir warlich nicht verſtehn, Jn der Reihe wie ſie folgen, in verwirrten Lauffe gehn; So iſt unſer Urtheil falſch, weil der Ausgang klaͤr- lich zeiget, Daß ſich alles zu dem Zweck, nach des Hoͤchſten Willen neiget; Sieht ein Menſch von bloͤden Sinnen, ein recht kuͤnſtlich Uhrwerk ein, Da die aufgeſpannten Raͤder, welzend in dem Lauf- fe ſein Und ſich ſelbſt entgegen gehn: ſo deucht ihm daß die Maſchine, Die ſich ſo verwirret dreht, ihm nur zum Beweis- thum diene, Daß der Meiſter toll zn nennen, der das Raͤder- werck gemacht, Und ein ſo verwirrt Gebaͤude, ohngefehr herfuͤr ge- bracht. Da doch der verkehrte Gang, da ein Rad das an- dre ruͤhret Auf dem aͤuſern Ziefer-Blat, richtig ſeinen Zeiger fuͤhret: So gehts euch ihr Menſchen Kinder! wenn ihr mit Verwundrung ſeht, Wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/282
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/282>, abgerufen am 15.05.2024.