Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Die wunderbahre Verwandlung Mein Vorsaz war bei diesen Sehn, mit Andachtund Bewunderung Jn einer jeden Jahres Zeit zu schaun, des Baums Veränderung. Der holde Frühling kam heran, und durch den Schein der warmen Sonnen, Ward Frost und kalte Lufft verjagt, der Schnee wie Wasser weggeronnen, Die frischen Säfte der Natur, der Bäume neu verjüngtes Blut, Die vorher wie erstarrt im Frost, erwärmet durch der Sonnen Gluth; Die drangen mit belebten Lauf, die dorren Knos- pen zu bewässern; Und die darin gefaltne Frucht, mit Milch zu nährn und zu vergrössern. Sie quoll in ihren engen Raum, bis sie im Wachs- thum allgemach Sich schikte zur Entwikkelung, und ihre Knospen Haut durchbrach. Das zarte Keimchen ging heraus, aus seiner schnell zerborstnen Rinde, Kam glüklich zur Geburth hervor, war ähnlich ei- nen Wiegen Kinde Das noch in seinen Windeln liegt; es blühete der Knospen Schaar, Und nach den kurzen Lauf der Zeit, bracht jeder Knosp die Blüte dar. Da ward der Baum sehr schön geziert; mit röthlich weissen Schmuk bekränzet Dabei in jeden Mittelpunkt, ein Heer von gelben Knöpfgen glänzet Wie Zitter Nadeln anzusehn, die von bestrahlten Sonnenschein, Jn
Die wunderbahre Verwandlung Mein Vorſaz war bei dieſen Sehn, mit Andachtund Bewunderung Jn einer jeden Jahres Zeit zu ſchaun, des Baums Veraͤnderung. Der holde Fruͤhling kam heran, und durch den Schein der warmen Sonnen, Ward Froſt und kalte Lufft verjagt, der Schnee wie Waſſer weggeronnen, Die friſchen Saͤfte der Natur, der Baͤume neu verjuͤngtes Blut, Die vorher wie erſtarrt im Froſt, erwaͤrmet durch der Sonnen Gluth; Die drangen mit belebten Lauf, die dorren Knos- pen zu bewaͤſſern; Und die darin gefaltne Frucht, mit Milch zu naͤhrn und zu vergroͤſſern. Sie quoll in ihren engen Raum, bis ſie im Wachs- thum allgemach Sich ſchikte zur Entwikkelung, und ihre Knospen Haut durchbrach. Das zarte Keimchen ging heraus, aus ſeiner ſchnell zerborſtnen Rinde, Kam gluͤklich zur Geburth hervor, war aͤhnlich ei- nen Wiegen Kinde Das noch in ſeinen Windeln liegt; es bluͤhete der Knospen Schaar, Und nach den kurzen Lauf der Zeit, bracht jeder Knosp die Bluͤte dar. Da ward der Baum ſehr ſchoͤn geziert; mit roͤthlich weiſſen Schmuk bekraͤnzet Dabei in jeden Mittelpunkt, ein Heer von gelben Knoͤpfgen glaͤnzet Wie Zitter Nadeln anzuſehn, die von beſtrahlten Sonnenſchein, Jn
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Die wunderbahre Verwandlung
Mein Vorſaz war bei dieſen Sehn, mit Andacht
und Bewunderung
Jn einer jeden Jahres Zeit zu ſchaun, des Baums
Veraͤnderung.
Der holde Fruͤhling kam heran, und durch den Schein
der warmen Sonnen,
Ward Froſt und kalte Lufft verjagt, der Schnee wie
Waſſer weggeronnen,
Die friſchen Saͤfte der Natur, der Baͤume neu
verjuͤngtes Blut,
Die vorher wie erſtarrt im Froſt, erwaͤrmet durch
der Sonnen Gluth;
Die drangen mit belebten Lauf, die dorren Knos-
pen zu bewaͤſſern;
Und die darin gefaltne Frucht, mit Milch zu naͤhrn
und zu vergroͤſſern.
Sie quoll in ihren engen Raum, bis ſie im Wachs-
thum allgemach
Sich ſchikte zur Entwikkelung, und ihre Knospen
Haut durchbrach.
Das zarte Keimchen ging heraus, aus ſeiner ſchnell
zerborſtnen Rinde,
Kam gluͤklich zur Geburth hervor, war aͤhnlich ei-
nen Wiegen Kinde
Das noch in ſeinen Windeln liegt; es bluͤhete der
Knospen Schaar,
Und nach den kurzen Lauf der Zeit, bracht jeder
Knosp die Bluͤte dar.
Da ward der Baum ſehr ſchoͤn geziert; mit roͤthlich
weiſſen Schmuk bekraͤnzet
Dabei in jeden Mittelpunkt, ein Heer von gelben
Knoͤpfgen glaͤnzet
Wie Zitter Nadeln anzuſehn, die von beſtrahlten
Sonnenſchein,
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