Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Das Gewässer der Sündfluth Das ergrif mit seinen Wirbeln, auf des Allerhöch-sten Wink, Alles was sich nur aus Furcht, auf der Berge Spiz verkrochen, Als der Tieffen voller Schlund und der Wolken Schlauch gebrochen. Alles was noch Othem hatte, sah auf dieser Fluthen Bahn, Unsers GOttes Straf Gerichte, wie in einen Spie- gel an. Welch ein Anblik! da das Vieh mit entsezlich grau- sen Brüllen Schwimmend aus dem Waldern kam, und den Durst der Angst zu stillen Seinen Todt in sich verschlukte; da das leichte Vogel Heer, Jn der freien Luft ersäuffet, und ins überschwemm- te Meer Plözlich Hauffen weis hinfiel; da sie bei dem schnel- len Regen, Nicht vermocht der Flügel Kraft, ausgedehnet zu bewegen. Welch ein schrekliches Verderben! welch erbärm- lich Trauerspiel! Da der zahmen Heerd ein Regen starker Güsse über- fiel, Der sie welzend weiter trieb, da sie auf den brei- ten Tieffen, Bis das Wasser sie erstikt, blökend zu den Schöp- fer rieffen. Da ward eine See voll Todten, ja! ein rechtes Todten Meer, Hie flos eine Meng von Thieren, da von todten Menschen her, Die
Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth Das ergrif mit ſeinen Wirbeln, auf des Allerhoͤch-ſten Wink, Alles was ſich nur aus Furcht, auf der Berge Spiz verkrochen, Als der Tieffen voller Schlund und der Wolken Schlauch gebrochen. Alles was noch Othem hatte, ſah auf dieſer Fluthen Bahn, Unſers GOttes Straf Gerichte, wie in einen Spie- gel an. Welch ein Anblik! da das Vieh mit entſezlich grau- ſen Bruͤllen Schwimmend aus dem Waldern kam, und den Durſt der Angſt zu ſtillen Seinen Todt in ſich verſchlukte; da das leichte Vogel Heer, Jn der freien Luft erſaͤuffet, und ins uͤberſchwemm- te Meer Ploͤzlich Hauffen weis hinfiel; da ſie bei dem ſchnel- len Regen, Nicht vermocht der Fluͤgel Kraft, ausgedehnet zu bewegen. Welch ein ſchrekliches Verderben! welch erbaͤrm- lich Trauerſpiel! Da der zahmen Heerd ein Regen ſtarker Guͤſſe uͤber- fiel, Der ſie welzend weiter trieb, da ſie auf den brei- ten Tieffen, Bis das Waſſer ſie erſtikt, bloͤkend zu den Schoͤp- fer rieffen. Da ward eine See voll Todten, ja! ein rechtes Todten Meer, Hie flos eine Meng von Thieren, da von todten Menſchen her, Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0258" n="242"/> <fw place="top" type="header">Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth</fw><lb/> <l>Das ergrif mit ſeinen Wirbeln, auf des Allerhoͤch-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſten Wink,</hi> </l><lb/> <l>Alles was ſich nur aus Furcht, auf der Berge Spiz</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">verkrochen,</hi> </l><lb/> <l>Als der Tieffen voller Schlund und der Wolken</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schlauch gebrochen.</hi> </l><lb/> <l>Alles was noch Othem hatte, ſah auf dieſer Fluthen</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Bahn,</hi> </l><lb/> <l>Unſers <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Straf Gerichte, wie in einen Spie-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gel an.</hi> </l><lb/> <l>Welch ein Anblik! da das Vieh mit entſezlich grau-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſen Bruͤllen</hi> </l><lb/> <l>Schwimmend aus dem Waldern kam, und den</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Durſt der Angſt zu ſtillen</hi> </l><lb/> <l>Seinen Todt in ſich verſchlukte; da das leichte</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Vogel Heer,</hi> </l><lb/> <l>Jn der freien Luft erſaͤuffet, und ins uͤberſchwemm-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">te Meer</hi> </l><lb/> <l>Ploͤzlich Hauffen weis hinfiel; da ſie bei dem ſchnel-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">len Regen,</hi> </l><lb/> <l>Nicht vermocht der Fluͤgel Kraft, ausgedehnet zu</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">bewegen.</hi> </l><lb/> <l>Welch ein ſchrekliches Verderben! welch erbaͤrm-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">lich Trauerſpiel!</hi> </l><lb/> <l>Da der zahmen Heerd ein Regen ſtarker Guͤſſe uͤber-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">fiel,</hi> </l><lb/> <l>Der ſie welzend weiter trieb, da ſie auf den brei-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ten Tieffen,</hi> </l><lb/> <l>Bis das Waſſer ſie erſtikt, bloͤkend zu den Schoͤp-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">fer rieffen.</hi> </l><lb/> <l>Da ward eine See voll Todten, ja! ein rechtes</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Todten Meer,</hi> </l><lb/> <l>Hie flos eine Meng von Thieren, da von todten</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Menſchen her,</hi> </l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [242/0258]
Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Das ergrif mit ſeinen Wirbeln, auf des Allerhoͤch-
ſten Wink,
Alles was ſich nur aus Furcht, auf der Berge Spiz
verkrochen,
Als der Tieffen voller Schlund und der Wolken
Schlauch gebrochen.
Alles was noch Othem hatte, ſah auf dieſer Fluthen
Bahn,
Unſers GOttes Straf Gerichte, wie in einen Spie-
gel an.
Welch ein Anblik! da das Vieh mit entſezlich grau-
ſen Bruͤllen
Schwimmend aus dem Waldern kam, und den
Durſt der Angſt zu ſtillen
Seinen Todt in ſich verſchlukte; da das leichte
Vogel Heer,
Jn der freien Luft erſaͤuffet, und ins uͤberſchwemm-
te Meer
Ploͤzlich Hauffen weis hinfiel; da ſie bei dem ſchnel-
len Regen,
Nicht vermocht der Fluͤgel Kraft, ausgedehnet zu
bewegen.
Welch ein ſchrekliches Verderben! welch erbaͤrm-
lich Trauerſpiel!
Da der zahmen Heerd ein Regen ſtarker Guͤſſe uͤber-
fiel,
Der ſie welzend weiter trieb, da ſie auf den brei-
ten Tieffen,
Bis das Waſſer ſie erſtikt, bloͤkend zu den Schoͤp-
fer rieffen.
Da ward eine See voll Todten, ja! ein rechtes
Todten Meer,
Hie flos eine Meng von Thieren, da von todten
Menſchen her,
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/258 |
Zitationshilfe: | Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/258>, abgerufen am 16.02.2025. |