Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die schöne Nelkenflor.
Man bewundert wol dabei wie in einen engen Kreise
So viel Blätter eingeschränkt; und wie dieses Lustge-
häuse
Auf so schlanken Stengeln steht, die der Knoten Fe-
stigkeit,
Gleich wie Stüzzen unterhält, und von Fall und
Bruch befreit:
Aber daß der weise GOtt, dem dafür ein Dank
gebühret,
Einen schönen Nelkenbusch so gemacht und ausgezie-
ret,
Das bedenkt ein jeder nicht, der die Kreaturen sieht,
Und sich um des Schöpfers Preis im geringsten nicht
bemüht.
Diese sehn die Nelken an, die sie in dem Gärten
haben
Blos die Augen, das Gehirn, ihren äusern Sinn
zu laben;
Jene gläuben daß sie recht an der Nelken Preis ge-
dacht
Wen sie daraus einen Busch an dem Freudenfest
gemacht;
Und damit ihr Feierkleid, oder ihren Tisch geschmük-
ket
Ja! auch woll zum Zeitvertreib an ein Nasen Loch
gedrükket.
Wenn nun dieser süsse Duft aus dem Nelken einge-
haucht:
So denkt man sie sei genug nach des Gebers Zwek
gebraucht.
Man verwirft den bunten Straus ohne daß das Herz
bedenket
Was wir dem noch schuldig sein, der uns diese Lust
geschenket.
Als
Die ſchoͤne Nelkenflor.
Man bewundert wol dabei wie in einen engen Kreiſe
So viel Blaͤtter eingeſchraͤnkt; und wie dieſes Luſtge-
haͤuſe
Auf ſo ſchlanken Stengeln ſteht, die der Knoten Fe-
ſtigkeit,
Gleich wie Stuͤzzen unterhaͤlt, und von Fall und
Bruch befreit:
Aber daß der weiſe GOtt, dem dafuͤr ein Dank
gebuͤhret,
Einen ſchoͤnen Nelkenbuſch ſo gemacht und ausgezie-
ret,
Das bedenkt ein jeder nicht, der die Kreaturen ſieht,
Und ſich um des Schoͤpfers Preis im geringſten nicht
bemuͤht.
Dieſe ſehn die Nelken an, die ſie in dem Gaͤrten
haben
Blos die Augen, das Gehirn, ihren aͤuſern Sinn
zu laben;
Jene glaͤuben daß ſie recht an der Nelken Preis ge-
dacht
Wen ſie daraus einen Buſch an dem Freudenfeſt
gemacht;
Und damit ihr Feierkleid, oder ihren Tiſch geſchmuͤk-
ket
Ja! auch woll zum Zeitvertreib an ein Naſen Loch
gedruͤkket.
Wenn nun dieſer ſuͤſſe Duft aus dem Nelken einge-
haucht:
So denkt man ſie ſei genug nach des Gebers Zwek
gebraucht.
Man verwirft den bunten Straus ohne daß das Herz
bedenket
Was wir dem noch ſchuldig ſein, der uns dieſe Luſt
geſchenket.
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0111" n="96[95]"/>
          <fw place="top" type="header">Die &#x017F;cho&#x0364;ne Nelkenflor.</fw><lb/>
          <l>Man bewundert wol dabei wie in einen engen Krei&#x017F;e</l><lb/>
          <l>So viel Bla&#x0364;tter einge&#x017F;chra&#x0364;nkt; und wie die&#x017F;es Lu&#x017F;tge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ha&#x0364;u&#x017F;e</hi> </l><lb/>
          <l>Auf &#x017F;o &#x017F;chlanken Stengeln &#x017F;teht, die der Knoten Fe-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">&#x017F;tigkeit,</hi> </l><lb/>
          <l>Gleich wie Stu&#x0364;zzen unterha&#x0364;lt, und von Fall und</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">Bruch befreit:</hi> </l><lb/>
          <l>Aber daß der wei&#x017F;e <hi rendition="#fr">GOtt</hi>, dem dafu&#x0364;r ein Dank</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gebu&#x0364;hret,</hi> </l><lb/>
          <l>Einen &#x017F;cho&#x0364;nen Nelkenbu&#x017F;ch &#x017F;o gemacht und ausgezie-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ret,</hi> </l><lb/>
          <l>Das bedenkt ein jeder nicht, der die Kreaturen &#x017F;ieht,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ich um des Scho&#x0364;pfers Preis im gering&#x017F;ten nicht</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">bemu&#x0364;ht.</hi> </l><lb/>
          <l>Die&#x017F;e &#x017F;ehn die Nelken an, die &#x017F;ie in dem Ga&#x0364;rten</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">haben</hi> </l><lb/>
          <l>Blos die Augen, das Gehirn, ihren a&#x0364;u&#x017F;ern Sinn</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">zu laben;</hi> </l><lb/>
          <l>Jene gla&#x0364;uben daß &#x017F;ie recht an der Nelken Preis ge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">dacht</hi> </l><lb/>
          <l>Wen &#x017F;ie daraus einen Bu&#x017F;ch an dem Freudenfe&#x017F;t</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gemacht;</hi> </l><lb/>
          <l>Und damit ihr Feierkleid, oder ihren Ti&#x017F;ch ge&#x017F;chmu&#x0364;k-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ket</hi> </l><lb/>
          <l>Ja! auch woll zum Zeitvertreib an ein Na&#x017F;en Loch</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gedru&#x0364;kket.</hi> </l><lb/>
          <l>Wenn nun die&#x017F;er &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Duft aus dem Nelken einge-</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">haucht:</hi> </l><lb/>
          <l>So denkt man &#x017F;ie &#x017F;ei genug nach des Gebers Zwek</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">gebraucht.</hi> </l><lb/>
          <l>Man verwirft den bunten Straus ohne daß das Herz</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">bedenket</hi> </l><lb/>
          <l>Was wir dem noch &#x017F;chuldig &#x017F;ein, der uns die&#x017F;e Lu&#x017F;t</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;chenket.</hi> </l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96[95]/0111] Die ſchoͤne Nelkenflor. Man bewundert wol dabei wie in einen engen Kreiſe So viel Blaͤtter eingeſchraͤnkt; und wie dieſes Luſtge- haͤuſe Auf ſo ſchlanken Stengeln ſteht, die der Knoten Fe- ſtigkeit, Gleich wie Stuͤzzen unterhaͤlt, und von Fall und Bruch befreit: Aber daß der weiſe GOtt, dem dafuͤr ein Dank gebuͤhret, Einen ſchoͤnen Nelkenbuſch ſo gemacht und ausgezie- ret, Das bedenkt ein jeder nicht, der die Kreaturen ſieht, Und ſich um des Schoͤpfers Preis im geringſten nicht bemuͤht. Dieſe ſehn die Nelken an, die ſie in dem Gaͤrten haben Blos die Augen, das Gehirn, ihren aͤuſern Sinn zu laben; Jene glaͤuben daß ſie recht an der Nelken Preis ge- dacht Wen ſie daraus einen Buſch an dem Freudenfeſt gemacht; Und damit ihr Feierkleid, oder ihren Tiſch geſchmuͤk- ket Ja! auch woll zum Zeitvertreib an ein Naſen Loch gedruͤkket. Wenn nun dieſer ſuͤſſe Duft aus dem Nelken einge- haucht: So denkt man ſie ſei genug nach des Gebers Zwek gebraucht. Man verwirft den bunten Straus ohne daß das Herz bedenket Was wir dem noch ſchuldig ſein, der uns dieſe Luſt geſchenket. Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/111
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 96[95]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/111>, abgerufen am 24.11.2024.