Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Die schöne Nelkenflor. Die ein solches Mannigfalt wollgerathner ZeichnungsKünste, Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge- spinste Und wie unbegreiflich ist diese grosse Wundermacht, Die aus kleinen Saamen Korn diese Florn herfür gebracht, Welche sich im andern Jahr aus den abgelegten Zweigen, Jn veränderter Gestalt neu gesprengter Blätter zei- gen: Und so geht es immer fort auch in einem dritten Jahr, Stellet diese Nelkenflor ein verneutes Schauspiel dar, Da sich ihrer Farben Pracht, durch des Schöpfers weises Walten Bald verschönert, bald verkehrt in noch andere Ge- stalten. Wenn ich dieses alles seh, wie im Reiche der Natur Es so wundernswürdig geht; wie so schön die Kreatur, So betrübet sich mein Geist, daß man GOtt so we- nig rühmet; Ja! fast gar nicht sieht noch merkt, der der Gar- ten Grund beblümet. Ach! wie unempfindlich ist vieler Menschen eitler Sinn Der nach den Geschöpfen gaft und sieht übern Schöp- fer hin, Und wie muß nicht manche Flor von dem allerschön- sten Nelken, Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig soll, verwelken! Jedermann gestehet zwar, daß dieselben wunderschön Wenn sie auf den schlanken Stamm in gezierter Rün- de stehn; Man
Die ſchoͤne Nelkenflor. Die ein ſolches Mannigfalt wollgerathner ZeichnungsKuͤnſte, Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge- ſpinſte Und wie unbegreiflich iſt dieſe groſſe Wundermacht, Die aus kleinen Saamen Korn dieſe Florn herfuͤr gebracht, Welche ſich im andern Jahr aus den abgelegten Zweigen, Jn veraͤnderter Geſtalt neu geſprengter Blaͤtter zei- gen: Und ſo geht es immer fort auch in einem dritten Jahr, Stellet dieſe Nelkenflor ein verneutes Schauſpiel dar, Da ſich ihrer Farben Pracht, durch des Schoͤpfers weiſes Walten Bald verſchoͤnert, bald verkehrt in noch andere Ge- ſtalten. Wenn ich dieſes alles ſeh, wie im Reiche der Natur Es ſo wundernswuͤrdig geht; wie ſo ſchoͤn die Kreatur, So betruͤbet ſich mein Geiſt, daß man GOtt ſo we- nig ruͤhmet; Ja! faſt gar nicht ſieht noch merkt, der der Gar- ten Grund bebluͤmet. Ach! wie unempfindlich iſt vieler Menſchen eitler Sinn Der nach den Geſchoͤpfen gaft und ſieht uͤbern Schoͤp- fer hin, Und wie muß nicht manche Flor von dem allerſchoͤn- ſten Nelken, Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig ſoll, verwelken! Jedermann geſtehet zwar, daß dieſelben wunderſchoͤn Wenn ſie auf den ſchlanken Stamm in gezierter Ruͤn- de ſtehn; Man
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Die ſchoͤne Nelkenflor.
Die ein ſolches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs
Kuͤnſte,
Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge-
ſpinſte
Und wie unbegreiflich iſt dieſe groſſe Wundermacht,
Die aus kleinen Saamen Korn dieſe Florn herfuͤr
gebracht,
Welche ſich im andern Jahr aus den abgelegten
Zweigen,
Jn veraͤnderter Geſtalt neu geſprengter Blaͤtter zei-
gen:
Und ſo geht es immer fort auch in einem dritten Jahr,
Stellet dieſe Nelkenflor ein verneutes Schauſpiel dar,
Da ſich ihrer Farben Pracht, durch des Schoͤpfers
weiſes Walten
Bald verſchoͤnert, bald verkehrt in noch andere Ge-
ſtalten.
Wenn ich dieſes alles ſeh, wie im Reiche der Natur
Es ſo wundernswuͤrdig geht; wie ſo ſchoͤn die Kreatur,
So betruͤbet ſich mein Geiſt, daß man GOtt ſo we-
nig ruͤhmet;
Ja! faſt gar nicht ſieht noch merkt, der der Gar-
ten Grund bebluͤmet.
Ach! wie unempfindlich iſt vieler Menſchen eitler
Sinn
Der nach den Geſchoͤpfen gaft und ſieht uͤbern Schoͤp-
fer hin,
Und wie muß nicht manche Flor von dem allerſchoͤn-
ſten Nelken,
Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig
ſoll, verwelken!
Jedermann geſtehet zwar, daß dieſelben wunderſchoͤn
Wenn ſie auf den ſchlanken Stamm in gezierter Ruͤn-
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