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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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die oberhalb liegenden dafür etwas an Grösse der Abweichung:
von den acht grössten Abweichungen liegen nur zwei von dem
Mittelwert nach unten. Der soeben angedeutete Einfluss der
Aufmerksamkeit, deren Schwankungen bei den Einzelreihen
grössere Abweichungen nach oben als nach unten bewirken,
ist also hier durch die Zusammenfassung mehrerer Reihen
noch nicht ganz kompensiert worden.

Erheblich verbessert zeigt sich die Sicherheit der Beob-
achtungen und die Übereinstimmung ihrer Verteilung mit der
theoretisch geforderten bei der zweiten grösseren Versuchs-
reihe. Dieselbe umfasst die Resultate von 84 Versuchen aus
den Jahren 1883/84. Jeder Versuch bestand in dem Lernen
von je sechs Reihen zu 16 Silben, jedesmal bis zum ersten
fehlerfreien Hersagen. Die hierzu erforderliche Gesamtzeit
betrug im Mittel 1261 Sekunden mit dem wahrscheinlichen
Beobachtungsfehler +/- 48,4; d. h. die Hälfte aller 84 Zahlen
fällt in das Intervall 1213 bis 1309. Die Genauigkeit der
Beobachtungen war also gegen früher erheblich gesteigert*:

* Die hier erreichte Genauigkeit vermag natürlich keinen Vergleich
mit physikalischen, wohl aber mit physiologischen Messungen auszuhalten,
an die man naturgemäss auch zunächst denken wird. Zu den genauesten
Messungen der Physiologie gehören die letzten Bestimmungen der Ge-
schwindigkeit der Nervenleitung durch v. Helmholtz und Baxt. Eine als
Beispiel für ihre Genauigkeit mitgeteilte Versuchsreihe dieser Unter-
suchungen (Mon. Ber. d. Berl. Akad. 1870, S. 191) giebt nach entsprechen-
der Berechnung einen Mittelwert 4,268 mit dem wahrscheinlichen Beob-
achtungsfehler
0,101. Das von diesem eingeschlossene Intervall beträgt
also 5 % des Mittelwertes. Alle früheren Bestimmungen sind bei wei-
tem
ungenauer. Bei der sichersten Versuchsreihe der ersten durch
v. Helmholtz angestellten Messungen berechnet sich jenes Intervall auf
ca. 50 % des Mittelwertes (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850, S. 340). Auch
die Physik muss sich übrigens, bei erstmaligen Untersuchungen, oft mit
einer geringen Sicherheit ihrer Zahlen begnügen. Bei den ersten Be-
stimmungen des mechanischen Äquivalents der Wärme fand Joule die
Zahl 838 m. d. wahrsch. Beobachtungsfehler 97. (Phil. Mag. 1843, S. 435 ff.)

die oberhalb liegenden dafür etwas an Gröſse der Abweichung:
von den acht gröſsten Abweichungen liegen nur zwei von dem
Mittelwert nach unten. Der soeben angedeutete Einfluſs der
Aufmerksamkeit, deren Schwankungen bei den Einzelreihen
gröſsere Abweichungen nach oben als nach unten bewirken,
ist also hier durch die Zusammenfassung mehrerer Reihen
noch nicht ganz kompensiert worden.

Erheblich verbessert zeigt sich die Sicherheit der Beob-
achtungen und die Übereinstimmung ihrer Verteilung mit der
theoretisch geforderten bei der zweiten gröſseren Versuchs-
reihe. Dieselbe umfaſst die Resultate von 84 Versuchen aus
den Jahren 1883/84. Jeder Versuch bestand in dem Lernen
von je sechs Reihen zu 16 Silben, jedesmal bis zum ersten
fehlerfreien Hersagen. Die hierzu erforderliche Gesamtzeit
betrug im Mittel 1261 Sekunden mit dem wahrscheinlichen
Beobachtungsfehler ± 48,4; d. h. die Hälfte aller 84 Zahlen
fällt in das Intervall 1213 bis 1309. Die Genauigkeit der
Beobachtungen war also gegen früher erheblich gesteigert*:

* Die hier erreichte Genauigkeit vermag natürlich keinen Vergleich
mit physikalischen, wohl aber mit physiologischen Messungen auszuhalten,
an die man naturgemäſs auch zunächst denken wird. Zu den genauesten
Messungen der Physiologie gehören die letzten Bestimmungen der Ge-
schwindigkeit der Nervenleitung durch v. Helmholtz und Baxt. Eine als
Beispiel für ihre Genauigkeit mitgeteilte Versuchsreihe dieser Unter-
suchungen (Mon. Ber. d. Berl. Akad. 1870, S. 191) giebt nach entsprechen-
der Berechnung einen Mittelwert 4,268 mit dem wahrscheinlichen Beob-
achtungsfehler
0,101. Das von diesem eingeschlossene Intervall beträgt
also 5 % des Mittelwertes. Alle früheren Bestimmungen sind bei wei-
tem
ungenauer. Bei der sichersten Versuchsreihe der ersten durch
v. Helmholtz angestellten Messungen berechnet sich jenes Intervall auf
ca. 50 % des Mittelwertes (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850, S. 340). Auch
die Physik muſs sich übrigens, bei erstmaligen Untersuchungen, oft mit
einer geringen Sicherheit ihrer Zahlen begnügen. Bei den ersten Be-
stimmungen des mechanischen Äquivalents der Wärme fand Joule die
Zahl 838 m. d. wahrsch. Beobachtungsfehler 97. (Phil. Mag. 1843, S. 435 ff.)
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[50/0066] die oberhalb liegenden dafür etwas an Gröſse der Abweichung: von den acht gröſsten Abweichungen liegen nur zwei von dem Mittelwert nach unten. Der soeben angedeutete Einfluſs der Aufmerksamkeit, deren Schwankungen bei den Einzelreihen gröſsere Abweichungen nach oben als nach unten bewirken, ist also hier durch die Zusammenfassung mehrerer Reihen noch nicht ganz kompensiert worden. Erheblich verbessert zeigt sich die Sicherheit der Beob- achtungen und die Übereinstimmung ihrer Verteilung mit der theoretisch geforderten bei der zweiten gröſseren Versuchs- reihe. Dieselbe umfaſst die Resultate von 84 Versuchen aus den Jahren 1883/84. Jeder Versuch bestand in dem Lernen von je sechs Reihen zu 16 Silben, jedesmal bis zum ersten fehlerfreien Hersagen. Die hierzu erforderliche Gesamtzeit betrug im Mittel 1261 Sekunden mit dem wahrscheinlichen Beobachtungsfehler ± 48,4; d. h. die Hälfte aller 84 Zahlen fällt in das Intervall 1213 bis 1309. Die Genauigkeit der Beobachtungen war also gegen früher erheblich gesteigert *: * Die hier erreichte Genauigkeit vermag natürlich keinen Vergleich mit physikalischen, wohl aber mit physiologischen Messungen auszuhalten, an die man naturgemäſs auch zunächst denken wird. Zu den genauesten Messungen der Physiologie gehören die letzten Bestimmungen der Ge- schwindigkeit der Nervenleitung durch v. Helmholtz und Baxt. Eine als Beispiel für ihre Genauigkeit mitgeteilte Versuchsreihe dieser Unter- suchungen (Mon. Ber. d. Berl. Akad. 1870, S. 191) giebt nach entsprechen- der Berechnung einen Mittelwert 4,268 mit dem wahrscheinlichen Beob- achtungsfehler 0,101. Das von diesem eingeschlossene Intervall beträgt also 5 % des Mittelwertes. Alle früheren Bestimmungen sind bei wei- tem ungenauer. Bei der sichersten Versuchsreihe der ersten durch v. Helmholtz angestellten Messungen berechnet sich jenes Intervall auf ca. 50 % des Mittelwertes (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850, S. 340). Auch die Physik muſs sich übrigens, bei erstmaligen Untersuchungen, oft mit einer geringen Sicherheit ihrer Zahlen begnügen. Bei den ersten Be- stimmungen des mechanischen Äquivalents der Wärme fand Joule die Zahl 838 m. d. wahrsch. Beobachtungsfehler 97. (Phil. Mag. 1843, S. 435 ff.)

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/66>, abgerufen am 22.11.2024.