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Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

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und nicht a die zufällig wiedererzeugte Vorstellung ist, hat
diese ausser dem Bestreben, d und e nach sich zu ziehen,
ein ebensolches Bestreben rückwärts für b und a? Oder in
anderer Ausdrucksweise: werden durch das vorangegangene
Lernen von a b c d . . hinterher nicht nur die Aufein-
anderfolgen a b c . ., a c e . . leichter gelernt als irgend-
welche gleichlange Gruppierung der vorher gar nicht berührten
p, q, r . ., sondern auch die Folgen . . . c b a, . . e c a?
Bilden sich durch mehrfache Wiederholung einer Reihe Asso-
ciationen der Glieder auch nach rückwärts?

Die Ansichten der Psychologen hierüber scheinen sich
entgegenzustehen. Die einen machen auf das unzweifelhafte
Faktum aufmerksam, dass man trotz völliger Beherrschung
z. B. des griechischen Alphabets schlechterdings nicht im stande
sei, dasselbe geläufig rückwärts herzusagen, wenn man es
nicht in dieser Form noch besonders gelernt und geübt habe.

Die anderen machen von rückläufigen Associationen, als
von etwas Selbstverständlichem, ausgiebigen Gebrauch bei der
Erklärung des Ursprungs willkürlicher und zweckmässiger
Bewegungen. Die Bewegungen des Kindes sind nach ihnen zu-
nächst unwillkürlich und zufällig. An gewisse Kombinationen
derselben schliessen sich lebhafte Lustgefühle. Von Bewegungen
wie Gefühlen hinterbleiben Gedächtnisvorstellungen, die sich
durch Wiederholung dieses Geschehens immer fester mit ein-
ander associieren. Hat diese Verbindung eine gewisse Stärke
erlangt, so schliesst sich dann rückwärts an die blosse Vor-
stellung des Lustgefühls die Vorstellung der es erzeugenden
Bewegung, an diese die wirkliche Bewegung und damit auch
das sinnlich reale Gefühl.

Die Auffassung Herbarts, die wir kennen lernten (S. 128),
hält zwischen diesen beiden Ansichten sozusagen die Mitte.
Die Vorstellung c, die im Verlauf einer Reihe auftritt, ver-

und nicht a die zufällig wiedererzeugte Vorstellung ist, hat
diese auſser dem Bestreben, d und e nach sich zu ziehen,
ein ebensolches Bestreben rückwärts für b und a? Oder in
anderer Ausdrucksweise: werden durch das vorangegangene
Lernen von a b c d . . hinterher nicht nur die Aufein-
anderfolgen a b c . ., a c e . . leichter gelernt als irgend-
welche gleichlange Gruppierung der vorher gar nicht berührten
p, q, r . ., sondern auch die Folgen . . . c b a, . . e c a?
Bilden sich durch mehrfache Wiederholung einer Reihe Asso-
ciationen der Glieder auch nach rückwärts?

Die Ansichten der Psychologen hierüber scheinen sich
entgegenzustehen. Die einen machen auf das unzweifelhafte
Faktum aufmerksam, daſs man trotz völliger Beherrschung
z. B. des griechischen Alphabets schlechterdings nicht im stande
sei, dasselbe geläufig rückwärts herzusagen, wenn man es
nicht in dieser Form noch besonders gelernt und geübt habe.

Die anderen machen von rückläufigen Associationen, als
von etwas Selbstverständlichem, ausgiebigen Gebrauch bei der
Erklärung des Ursprungs willkürlicher und zweckmäſsiger
Bewegungen. Die Bewegungen des Kindes sind nach ihnen zu-
nächst unwillkürlich und zufällig. An gewisse Kombinationen
derselben schlieſsen sich lebhafte Lustgefühle. Von Bewegungen
wie Gefühlen hinterbleiben Gedächtnisvorstellungen, die sich
durch Wiederholung dieses Geschehens immer fester mit ein-
ander associieren. Hat diese Verbindung eine gewisse Stärke
erlangt, so schlieſst sich dann rückwärts an die bloſse Vor-
stellung des Lustgefühls die Vorstellung der es erzeugenden
Bewegung, an diese die wirkliche Bewegung und damit auch
das sinnlich reale Gefühl.

Die Auffassung Herbarts, die wir kennen lernten (S. 128),
hält zwischen diesen beiden Ansichten sozusagen die Mitte.
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[152/0168] und nicht a die zufällig wiedererzeugte Vorstellung ist, hat diese auſser dem Bestreben, d und e nach sich zu ziehen, ein ebensolches Bestreben rückwärts für b und a? Oder in anderer Ausdrucksweise: werden durch das vorangegangene Lernen von a b c d . . hinterher nicht nur die Aufein- anderfolgen a b c . ., a c e . . leichter gelernt als irgend- welche gleichlange Gruppierung der vorher gar nicht berührten p, q, r . ., sondern auch die Folgen . . . c b a, . . e c a? Bilden sich durch mehrfache Wiederholung einer Reihe Asso- ciationen der Glieder auch nach rückwärts? Die Ansichten der Psychologen hierüber scheinen sich entgegenzustehen. Die einen machen auf das unzweifelhafte Faktum aufmerksam, daſs man trotz völliger Beherrschung z. B. des griechischen Alphabets schlechterdings nicht im stande sei, dasselbe geläufig rückwärts herzusagen, wenn man es nicht in dieser Form noch besonders gelernt und geübt habe. Die anderen machen von rückläufigen Associationen, als von etwas Selbstverständlichem, ausgiebigen Gebrauch bei der Erklärung des Ursprungs willkürlicher und zweckmäſsiger Bewegungen. Die Bewegungen des Kindes sind nach ihnen zu- nächst unwillkürlich und zufällig. An gewisse Kombinationen derselben schlieſsen sich lebhafte Lustgefühle. Von Bewegungen wie Gefühlen hinterbleiben Gedächtnisvorstellungen, die sich durch Wiederholung dieses Geschehens immer fester mit ein- ander associieren. Hat diese Verbindung eine gewisse Stärke erlangt, so schlieſst sich dann rückwärts an die bloſse Vor- stellung des Lustgefühls die Vorstellung der es erzeugenden Bewegung, an diese die wirkliche Bewegung und damit auch das sinnlich reale Gefühl. Die Auffassung Herbarts, die wir kennen lernten (S. 128), hält zwischen diesen beiden Ansichten sozusagen die Mitte. Die Vorstellung c, die im Verlauf einer Reihe auftritt, ver-

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Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/168>, abgerufen am 27.04.2024.