Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

bezüglichen Schrift das ökonomische Geheimmittelchen ausge-
plaudert, auf welches er den Geschäftsbetrieb der jungen Aerzte
gegründet wissen will. Nach seiner Ansicht wäre das Studium
der Medicin nur für tüchtig bemittelte Gesellschaftselemente da,
und übrigens gehört es nach ihm zu den empfehlenswerthen
Hauptmaximen der medicinischen Laufbahn, eine reiche Heirath
zu machen. Ein Ehegeschäftchen von finanzieller Ergiebigkeit
gehörte also zur medicinischen Ausstattung, und die Frage von
unserm Standpunkt bleibt nur die, was das Ersatzmittel jenes
herrlichen Receptes für die auf eine medicinische Praxis aus-
blickenden Frauen sein solle. Etwa reiche Männer zu heirathen?
Aber diese sind keine Waare, die wie das Weib mit einer be-
stimmten Mitgift angeboten und für die zweifelhafte Ehre und
Annehmlichkeit einer betitelten Geschäftsehe losgeschlagen wird.
Hier versagt daher der Humor, und man wird sich wohl nach
nicht corrupten, in der Natur der Sache gegründeten Ueber-
legungen umthun müssen.

Die natürlichen Herstellungskosten eines zur ärztlichen Thä-
tigkeit hinreichend ausgebildeten Menschen werden in einem ge-
sunden Verhältniss zu den späteren Einkünften stehen, sobald
man sich all das unnütze, ja schädliche Gerölle der altsprach-
lichen Verschulung und der mittelalterlichen Universitätsmanier
mit ihren unsäglich langen und doch verhältnissmässig so uner-
giebigen Lernzeiten und einseitigen Vorlesungsabhaspelungen hin-
weg und durch ein zweckmässigeres System ersetzt denkt. Unter
letzterer Voraussetzung wird auch die ärztliche Stellung in der
Gesellschaft eine gesundere werden; denn gegenwärtig krankt sie
an einer schlecht mit der Gewerbefreiheit stimmenden Monopol-
sucht. Eine vielfach unter den Aerzten verbreitete Ansicht ist
ungefähr die, welche der vorher genannte Professor in Rück-
sicht auf Reichthum und Heirathen mit recht ungenirtem Vorwitz
und unabsichtlicher Komik zum öffentlichen Besten verrathen
hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel ist keine überall mög-
liche Gründungsmanipulation. Die Etablirung des Arztes ist, wie
dies in Grossstädten besonders sichtbar wird, ein sehr gewagtes
Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge einmal liegen,
allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug diese letz-
teren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss zu
führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach
Zwangs- und Bannrechten über das Publicum haschen und sich

bezüglichen Schrift das ökonomische Geheimmittelchen ausge-
plaudert, auf welches er den Geschäftsbetrieb der jungen Aerzte
gegründet wissen will. Nach seiner Ansicht wäre das Studium
der Medicin nur für tüchtig bemittelte Gesellschaftselemente da,
und übrigens gehört es nach ihm zu den empfehlenswerthen
Hauptmaximen der medicinischen Laufbahn, eine reiche Heirath
zu machen. Ein Ehegeschäftchen von finanzieller Ergiebigkeit
gehörte also zur medicinischen Ausstattung, und die Frage von
unserm Standpunkt bleibt nur die, was das Ersatzmittel jenes
herrlichen Receptes für die auf eine medicinische Praxis aus-
blickenden Frauen sein solle. Etwa reiche Männer zu heirathen?
Aber diese sind keine Waare, die wie das Weib mit einer be-
stimmten Mitgift angeboten und für die zweifelhafte Ehre und
Annehmlichkeit einer betitelten Geschäftsehe losgeschlagen wird.
Hier versagt daher der Humor, und man wird sich wohl nach
nicht corrupten, in der Natur der Sache gegründeten Ueber-
legungen umthun müssen.

Die natürlichen Herstellungskosten eines zur ärztlichen Thä-
tigkeit hinreichend ausgebildeten Menschen werden in einem ge-
sunden Verhältniss zu den späteren Einkünften stehen, sobald
man sich all das unnütze, ja schädliche Gerölle der altsprach-
lichen Verschulung und der mittelalterlichen Universitätsmanier
mit ihren unsäglich langen und doch verhältnissmässig so uner-
giebigen Lernzeiten und einseitigen Vorlesungsabhaspelungen hin-
weg und durch ein zweckmässigeres System ersetzt denkt. Unter
letzterer Voraussetzung wird auch die ärztliche Stellung in der
Gesellschaft eine gesundere werden; denn gegenwärtig krankt sie
an einer schlecht mit der Gewerbefreiheit stimmenden Monopol-
sucht. Eine vielfach unter den Aerzten verbreitete Ansicht ist
ungefähr die, welche der vorher genannte Professor in Rück-
sicht auf Reichthum und Heirathen mit recht ungenirtem Vorwitz
und unabsichtlicher Komik zum öffentlichen Besten verrathen
hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel ist keine überall mög-
liche Gründungsmanipulation. Die Etablirung des Arztes ist, wie
dies in Grossstädten besonders sichtbar wird, ein sehr gewagtes
Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge einmal liegen,
allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug diese letz-
teren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss zu
führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach
Zwangs- und Bannrechten über das Publicum haschen und sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="15"/>
bezüglichen Schrift das ökonomische Geheimmittelchen ausge-<lb/>
plaudert, auf welches er den Geschäftsbetrieb der jungen Aerzte<lb/>
gegründet wissen will. Nach seiner Ansicht wäre das Studium<lb/>
der Medicin nur für tüchtig bemittelte Gesellschaftselemente da,<lb/>
und übrigens gehört es nach ihm zu den empfehlenswerthen<lb/>
Hauptmaximen der medicinischen Laufbahn, eine reiche Heirath<lb/>
zu machen. Ein Ehegeschäftchen von finanzieller Ergiebigkeit<lb/>
gehörte also zur medicinischen Ausstattung, und die Frage von<lb/>
unserm Standpunkt bleibt nur die, was das Ersatzmittel jenes<lb/>
herrlichen Receptes für die auf eine medicinische Praxis aus-<lb/>
blickenden Frauen sein solle. Etwa reiche Männer zu heirathen?<lb/>
Aber diese sind keine Waare, die wie das Weib mit einer be-<lb/>
stimmten Mitgift angeboten und für die zweifelhafte Ehre und<lb/>
Annehmlichkeit einer betitelten Geschäftsehe losgeschlagen wird.<lb/>
Hier versagt daher der Humor, und man wird sich wohl nach<lb/>
nicht corrupten, in der Natur der Sache gegründeten Ueber-<lb/>
legungen umthun müssen.</p><lb/>
        <p>Die natürlichen Herstellungskosten eines zur ärztlichen Thä-<lb/>
tigkeit hinreichend ausgebildeten Menschen werden in einem ge-<lb/>
sunden Verhältniss zu den späteren Einkünften stehen, sobald<lb/>
man sich all das unnütze, ja schädliche Gerölle der altsprach-<lb/>
lichen Verschulung und der mittelalterlichen Universitätsmanier<lb/>
mit ihren unsäglich langen und doch verhältnissmässig so uner-<lb/>
giebigen Lernzeiten und einseitigen Vorlesungsabhaspelungen hin-<lb/>
weg und durch ein zweckmässigeres System ersetzt denkt. Unter<lb/>
letzterer Voraussetzung wird auch die ärztliche Stellung in der<lb/>
Gesellschaft eine gesundere werden; denn gegenwärtig krankt sie<lb/>
an einer schlecht mit der Gewerbefreiheit stimmenden Monopol-<lb/>
sucht. Eine vielfach unter den Aerzten verbreitete Ansicht ist<lb/>
ungefähr die, welche der vorher genannte Professor in Rück-<lb/>
sicht auf Reichthum und Heirathen mit recht ungenirtem Vorwitz<lb/>
und unabsichtlicher Komik zum öffentlichen Besten verrathen<lb/>
hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel ist keine überall mög-<lb/>
liche Gründungsmanipulation. Die Etablirung des Arztes ist, wie<lb/>
dies in Grossstädten besonders sichtbar wird, ein sehr gewagtes<lb/>
Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge einmal liegen,<lb/>
allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug diese letz-<lb/>
teren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss zu<lb/>
führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach<lb/>
Zwangs- und Bannrechten über das Publicum haschen und sich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0024] bezüglichen Schrift das ökonomische Geheimmittelchen ausge- plaudert, auf welches er den Geschäftsbetrieb der jungen Aerzte gegründet wissen will. Nach seiner Ansicht wäre das Studium der Medicin nur für tüchtig bemittelte Gesellschaftselemente da, und übrigens gehört es nach ihm zu den empfehlenswerthen Hauptmaximen der medicinischen Laufbahn, eine reiche Heirath zu machen. Ein Ehegeschäftchen von finanzieller Ergiebigkeit gehörte also zur medicinischen Ausstattung, und die Frage von unserm Standpunkt bleibt nur die, was das Ersatzmittel jenes herrlichen Receptes für die auf eine medicinische Praxis aus- blickenden Frauen sein solle. Etwa reiche Männer zu heirathen? Aber diese sind keine Waare, die wie das Weib mit einer be- stimmten Mitgift angeboten und für die zweifelhafte Ehre und Annehmlichkeit einer betitelten Geschäftsehe losgeschlagen wird. Hier versagt daher der Humor, und man wird sich wohl nach nicht corrupten, in der Natur der Sache gegründeten Ueber- legungen umthun müssen. Die natürlichen Herstellungskosten eines zur ärztlichen Thä- tigkeit hinreichend ausgebildeten Menschen werden in einem ge- sunden Verhältniss zu den späteren Einkünften stehen, sobald man sich all das unnütze, ja schädliche Gerölle der altsprach- lichen Verschulung und der mittelalterlichen Universitätsmanier mit ihren unsäglich langen und doch verhältnissmässig so uner- giebigen Lernzeiten und einseitigen Vorlesungsabhaspelungen hin- weg und durch ein zweckmässigeres System ersetzt denkt. Unter letzterer Voraussetzung wird auch die ärztliche Stellung in der Gesellschaft eine gesundere werden; denn gegenwärtig krankt sie an einer schlecht mit der Gewerbefreiheit stimmenden Monopol- sucht. Eine vielfach unter den Aerzten verbreitete Ansicht ist ungefähr die, welche der vorher genannte Professor in Rück- sicht auf Reichthum und Heirathen mit recht ungenirtem Vorwitz und unabsichtlicher Komik zum öffentlichen Besten verrathen hat. Aber dieses eheliche Auskunftsmittel ist keine überall mög- liche Gründungsmanipulation. Die Etablirung des Arztes ist, wie dies in Grossstädten besonders sichtbar wird, ein sehr gewagtes Geschäft, dessen bedeutendes Risico, wie die Dinge einmal liegen, allerdings Capitalreserven verlangt und häufig genug diese letz- teren verzehrt, ohne zu einem nennenswerthen Ergebniss zu führen. Es erklärt sich daher sehr wohl, wenn die Aerzte nach Zwangs- und Bannrechten über das Publicum haschen und sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-13T16:46:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-06-13T16:46:57Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • i/j nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • I/J nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/24
Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/24>, abgerufen am 24.11.2024.