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Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.

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Und stumm und finster an sich, d. h. eigenschaftslos,
wie sie aus der subjectiven Zergliederung hervorgeht, ist
die Welt auch für die durch objective Betrachtung ge¬
wonnene mechanische Anschauung, welche statt Schalles
und Lichtes nur Schwingungen eines eigenschaftslosen,
dort zur wägbaren, hier zur unwägbaren Materie gewor¬
denen Urstoffes kennt.

Aber wie wohlbegründet diese Vorstellungen im All¬
gemeinen auch sind, zu ihrer Durchführung im Einzelnen
fehlt noch so gut wie Alles. Der Stein der Weisen, der
die heute noch unzerlegten Stoffe ineinander umwandelte
und aus einem höheren Grundstoffe, wenn nicht dem Ur¬
stoffe selber, erzeugte, müsste gefunden sein, ehe die
ersten Vermuthungen über Entstehung scheinbar verschie¬
denartiger aus in Wirklichkeit unterschiedsloser Materie
möglich würden.

Obschon der menschliche Geist von dem von La¬
place
gedachten Geiste stets weit entfernt bleiben wird,
ist er doch nur stufenweise davon verschieden, etwa wie
eine bestimmte Ordinate einer Curve von einer zwar
ausnehmend viel grösseren, jedoch noch endlichen Ordi¬
nate derselben Curve. Wir gleichen diesem Geist, denn
wir begreifen ihn. Ja es ist die Frage, ob nicht ein
Geist wie Newton's von dem von Laplace gedachten
Geiste sich weniger unterscheidet, als der Geist eines
Australnegers oder eines Pescheräh's vom Geiste Newton's.

Und stumm und finster an sich, d. h. eigenschaftslos,
wie sie aus der subjectiven Zergliederung hervorgeht, ist
die Welt auch für die durch objective Betrachtung ge¬
wonnene mechanische Anschauung, welche statt Schalles
und Lichtes nur Schwingungen eines eigenschaftslosen,
dort zur wägbaren, hier zur unwägbaren Materie gewor¬
denen Urstoffes kennt.

Aber wie wohlbegründet diese Vorstellungen im All¬
gemeinen auch sind, zu ihrer Durchführung im Einzelnen
fehlt noch so gut wie Alles. Der Stein der Weisen, der
die heute noch unzerlegten Stoffe ineinander umwandelte
und aus einem höheren Grundstoffe, wenn nicht dem Ur¬
stoffe selber, erzeugte, müsste gefunden sein, ehe die
ersten Vermuthungen über Entstehung scheinbar verschie¬
denartiger aus in Wirklichkeit unterschiedsloser Materie
möglich würden.

Obschon der menschliche Geist von dem von La¬
place
gedachten Geiste stets weit entfernt bleiben wird,
ist er doch nur stufenweise davon verschieden, etwa wie
eine bestimmte Ordinate einer Curve von einer zwar
ausnehmend viel grösseren, jedoch noch endlichen Ordi¬
nate derselben Curve. Wir gleichen diesem Geist, denn
wir begreifen ihn. Ja es ist die Frage, ob nicht ein
Geist wie Newton's von dem von Laplace gedachten
Geiste sich weniger unterscheidet, als der Geist eines
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[7/0015] Und stumm und finster an sich, d. h. eigenschaftslos, wie sie aus der subjectiven Zergliederung hervorgeht, ist die Welt auch für die durch objective Betrachtung ge¬ wonnene mechanische Anschauung, welche statt Schalles und Lichtes nur Schwingungen eines eigenschaftslosen, dort zur wägbaren, hier zur unwägbaren Materie gewor¬ denen Urstoffes kennt. Aber wie wohlbegründet diese Vorstellungen im All¬ gemeinen auch sind, zu ihrer Durchführung im Einzelnen fehlt noch so gut wie Alles. Der Stein der Weisen, der die heute noch unzerlegten Stoffe ineinander umwandelte und aus einem höheren Grundstoffe, wenn nicht dem Ur¬ stoffe selber, erzeugte, müsste gefunden sein, ehe die ersten Vermuthungen über Entstehung scheinbar verschie¬ denartiger aus in Wirklichkeit unterschiedsloser Materie möglich würden. Obschon der menschliche Geist von dem von La¬ place gedachten Geiste stets weit entfernt bleiben wird, ist er doch nur stufenweise davon verschieden, etwa wie eine bestimmte Ordinate einer Curve von einer zwar ausnehmend viel grösseren, jedoch noch endlichen Ordi¬ nate derselben Curve. Wir gleichen diesem Geist, denn wir begreifen ihn. Ja es ist die Frage, ob nicht ein Geist wie Newton's von dem von Laplace gedachten Geiste sich weniger unterscheidet, als der Geist eines Australnegers oder eines Pescheräh's vom Geiste Newton's.

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Zitationshilfe: Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dubois_naturerkennen_1872/15>, abgerufen am 19.04.2024.