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Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.

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werden muß. Und diese Gesetze sind beständig; sie scheinen
denen, welche sie betrachten, etwas von ihrer eigenen Festig-
keit zu geben; sie legen Zeugniß davon ab, daß in feinem
Jnnern sowohl als äußerlich der Mensch mit einer ewigen
Ordnung der Dinge verbunden ist."

Das Kapitel: "Giebt es etwas Absolutes in der Moral",
ist allen jenen zu empfehlen, welchen die Moral nur eine
Sache der Meinung und Mode ist.

Den Werth der Lehre Jesu scheint Salter in dem Ab-
schnitte: "Die Sittenlehre Jesu" im Allgemeinen zu über-
schätzen, während er in dem nächstfolgenden Kapitel: "Be-
friedigt die Sittenlehre Jesu die Bedürfnisse unserer Zeit?"
zu dem Ergebnisse gelangt, daß dieselbe doch nur eine "theil-
weise Verkündigung" der moralischen Grundsätze ist, welche
unserer Zeit noththun, und daß sie gewisse moderne Bedürf-
nisse nicht befriedigt. So das Bedürfniß der intellektuellen
Gewissenhaftigkeit
und Ehrlichkeit, ferner dasjenige
höherer politischer Begriffe und höherer poli-
tischer Moral,
drittens das Bedürfniß einer neuen Dar-
legung des Zweckes der menschlichen Existenz.

Andere Gebrechen der Sittenlehre Jesu berührt Salter
jedoch nicht.

Sehr schön ist das Kapitel über das Problem der Ar-
muth. Der Verfasser hat einen scharfen Blick für sociale
Schäden, sowie eine tiefe Sympathie für jene Unzähligen,
die grausam um ihre Menschenrechte betrogen werden, wäh-
rend viele gar nicht die Empfindung haben, daß Armuth ein
Problem sei. "Die hauptsächlichste und tiefste Ursache der
Armuth," sagt Salter beredt*), "die Hauptursache liegt darin,
daß der Reichthum, den die Armen schaffen helfen, nur in
geringem Maße zu ihnen zurückkehrt. Sie arbeiten und ihre

*) p. 287.

werden muß. Und dieſe Geſetze ſind beſtändig; ſie ſcheinen
denen, welche ſie betrachten, etwas von ihrer eigenen Feſtig-
keit zu geben; ſie legen Zeugniß davon ab, daß in feinem
Jnnern ſowohl als äußerlich der Menſch mit einer ewigen
Ordnung der Dinge verbunden iſt.“

Das Kapitel: „Giebt es etwas Abſolutes in der Moral“,
iſt allen jenen zu empfehlen, welchen die Moral nur eine
Sache der Meinung und Mode iſt.

Den Werth der Lehre Jeſu ſcheint Salter in dem Ab-
ſchnitte: „Die Sittenlehre Jeſu“ im Allgemeinen zu über-
ſchätzen, während er in dem nächſtfolgenden Kapitel: „Be-
friedigt die Sittenlehre Jeſu die Bedürfniſſe unſerer Zeit?“
zu dem Ergebniſſe gelangt, daß dieſelbe doch nur eine „theil-
weiſe Verkündigung“ der moraliſchen Grundſätze iſt, welche
unſerer Zeit noththun, und daß ſie gewiſſe moderne Bedürf-
niſſe nicht befriedigt. So das Bedürfniß der intellektuellen
Gewiſſenhaftigkeit
und Ehrlichkeit, ferner dasjenige
höherer politiſcher Begriffe und höherer poli-
tiſcher Moral,
drittens das Bedürfniß einer neuen Dar-
legung des Zweckes der menſchlichen Exiſtenz.

Andere Gebrechen der Sittenlehre Jeſu berührt Salter
jedoch nicht.

Sehr ſchön iſt das Kapitel über das Problem der Ar-
muth. Der Verfaſſer hat einen ſcharfen Blick für ſociale
Schäden, ſowie eine tiefe Sympathie für jene Unzähligen,
die grauſam um ihre Menſchenrechte betrogen werden, wäh-
rend viele gar nicht die Empfindung haben, daß Armuth ein
Problem ſei. „Die hauptſächlichſte und tiefſte Urſache der
Armuth,“ ſagt Salter beredt*), „die Haupturſache liegt darin,
daß der Reichthum, den die Armen ſchaffen helfen, nur in
geringem Maße zu ihnen zurückkehrt. Sie arbeiten und ihre

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[85/0094] werden muß. Und dieſe Geſetze ſind beſtändig; ſie ſcheinen denen, welche ſie betrachten, etwas von ihrer eigenen Feſtig- keit zu geben; ſie legen Zeugniß davon ab, daß in feinem Jnnern ſowohl als äußerlich der Menſch mit einer ewigen Ordnung der Dinge verbunden iſt.“ Das Kapitel: „Giebt es etwas Abſolutes in der Moral“, iſt allen jenen zu empfehlen, welchen die Moral nur eine Sache der Meinung und Mode iſt. Den Werth der Lehre Jeſu ſcheint Salter in dem Ab- ſchnitte: „Die Sittenlehre Jeſu“ im Allgemeinen zu über- ſchätzen, während er in dem nächſtfolgenden Kapitel: „Be- friedigt die Sittenlehre Jeſu die Bedürfniſſe unſerer Zeit?“ zu dem Ergebniſſe gelangt, daß dieſelbe doch nur eine „theil- weiſe Verkündigung“ der moraliſchen Grundſätze iſt, welche unſerer Zeit noththun, und daß ſie gewiſſe moderne Bedürf- niſſe nicht befriedigt. So das Bedürfniß der intellektuellen Gewiſſenhaftigkeit und Ehrlichkeit, ferner dasjenige höherer politiſcher Begriffe und höherer poli- tiſcher Moral, drittens das Bedürfniß einer neuen Dar- legung des Zweckes der menſchlichen Exiſtenz. Andere Gebrechen der Sittenlehre Jeſu berührt Salter jedoch nicht. Sehr ſchön iſt das Kapitel über das Problem der Ar- muth. Der Verfaſſer hat einen ſcharfen Blick für ſociale Schäden, ſowie eine tiefe Sympathie für jene Unzähligen, die grauſam um ihre Menſchenrechte betrogen werden, wäh- rend viele gar nicht die Empfindung haben, daß Armuth ein Problem ſei. „Die hauptſächlichſte und tiefſte Urſache der Armuth,“ ſagt Salter beredt *), „die Haupturſache liegt darin, daß der Reichthum, den die Armen ſchaffen helfen, nur in geringem Maße zu ihnen zurückkehrt. Sie arbeiten und ihre *) p. 287.

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Zitationshilfe: Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/druskowitz_religionsersatz_1886/94>, abgerufen am 06.05.2024.