Florenentwickelung am wenigsten sich zusammenreimt, hat sich bei den Seetangen während der Ueberwinterung der schwedischen Expedition 1872 auf Spitzbergen unter 80° N. durch Kjellman herausgestellt, nämlich ein stän- diges Weiterwachsen während der thatsächlich etwa drei Monate andauernden Finsternis der Polarnacht.
Trotz der zugleich niederen Meerestemperaturen, schwankend zwischen -- 0,5 und -- 1,8°C., fand sich den ganzen Winter hindurch die gleiche Algenflora vor, wie während des Sommers und Herbstes; Lithothamnium calcareum bedeckte breite Strecken des Golfes, mit ihr vergesellschaftet viele Florideen, ein Fucus, die Laminarien, Alarien etc., und drei grüne Arten. Bei den meisten liess der morphologische Zustand im Winter keine Aenderung dem sommerlichen gegenüber erkennen, andere zeigten eine deut- liche Periodizität im entgegengesetzten Sinne: Halosaccion ramen- taceum fruktifizierte nur vom August bis Oktober, die meisten Phäosporeen (besonders Chaetopteris plumosa) dagegen nur in der Polarnacht, da deren Reproduktionsorgane nicht vor Ende November und nicht länger als bis zum Ende des März aufge- funden werden konnten.
Es ist dies eine sehr seltsame Erscheinung im Vergleich mit der sonst die Periode der Lebenserscheinungen streng regulieren- den Lichtwirkung, um so befremdlicher, als sie im höchsten be- kannten Norden sich gezeigt hat; es lässt sich thatsächlich keine andere Erscheinung nennen, welche bei ausdauernden Gewächsen so aperiodisch sich verhielte, worauf schon oben (S. 18) hingewiesen wurde. Von 27 Arten zeigten 22 im Winter die Entwickelung von Fortpflanzungsorganen und verhielten sich augenscheinlich gleichgültig gegen Wärme- und Lichtabnahme (G. J., VII, 174; Bot. Zeitg. 1875, S. 771).
Während aber in Spitzbergen wenigstens kein den Jahreszeiten folgender Wechsel des Bestandes an Arten eintrat, ist dies das Gewöhnliche in wärmer tempe- rierten Meeren, z. B. schon in der Regel an den skan- dinavischen Küsten, ist noch besser und deutlicher im Mittelmeer beobachtet, unter den Tropen aber leider -- so weit mir bekannt -- noch nicht zum Gegenstand von Beobachtungen gemacht.
Im Mittelmeer folgen im Laufe des Jahres an derselben Oertlichkeit ganz verschiedene Formationen, lieber in diesem Falle gesagt: Vegetationen, welche wahrscheinlich sich zu einer ein- heitlichen Formation ergänzen, aufeinander, wie die bunten Blumen einer Wiese in verschiedenen Jahreszeiten wechseln. Während an der Oberfläche die Vegetationszeiten vorwiegend den Spätherbst,
Ozeanisches Florenreich.
Florenentwickelung am wenigsten sich zusammenreimt, hat sich bei den Seetangen während der Ueberwinterung der schwedischen Expedition 1872 auf Spitzbergen unter 80° N. durch Kjellman herausgestellt, nämlich ein stän- diges Weiterwachsen während der thatsächlich etwa drei Monate andauernden Finsternis der Polarnacht.
Trotz der zugleich niederen Meerestemperaturen, schwankend zwischen — 0,5 und — 1,8°C., fand sich den ganzen Winter hindurch die gleiche Algenflora vor, wie während des Sommers und Herbstes; Lithothamnium calcareum bedeckte breite Strecken des Golfes, mit ihr vergesellschaftet viele Florideen, ein Fucus, die Laminarien, Alarien etc., und drei grüne Arten. Bei den meisten liess der morphologische Zustand im Winter keine Aenderung dem sommerlichen gegenüber erkennen, andere zeigten eine deut- liche Periodizität im entgegengesetzten Sinne: Halosaccion ramen- taceum fruktifizierte nur vom August bis Oktober, die meisten Phäosporeen (besonders Chaetopteris plumosa) dagegen nur in der Polarnacht, da deren Reproduktionsorgane nicht vor Ende November und nicht länger als bis zum Ende des März aufge- funden werden konnten.
Es ist dies eine sehr seltsame Erscheinung im Vergleich mit der sonst die Periode der Lebenserscheinungen streng regulieren- den Lichtwirkung, um so befremdlicher, als sie im höchsten be- kannten Norden sich gezeigt hat; es lässt sich thatsächlich keine andere Erscheinung nennen, welche bei ausdauernden Gewächsen so aperiodisch sich verhielte, worauf schon oben (S. 18) hingewiesen wurde. Von 27 Arten zeigten 22 im Winter die Entwickelung von Fortpflanzungsorganen und verhielten sich augenscheinlich gleichgültig gegen Wärme- und Lichtabnahme (G. J., VII, 174; Bot. Zeitg. 1875, S. 771).
Während aber in Spitzbergen wenigstens kein den Jahreszeiten folgender Wechsel des Bestandes an Arten eintrat, ist dies das Gewöhnliche in wärmer tempe- rierten Meeren, z. B. schon in der Regel an den skan- dinavischen Küsten, ist noch besser und deutlicher im Mittelmeer beobachtet, unter den Tropen aber leider — so weit mir bekannt — noch nicht zum Gegenstand von Beobachtungen gemacht.
Im Mittelmeer folgen im Laufe des Jahres an derselben Oertlichkeit ganz verschiedene Formationen, lieber in diesem Falle gesagt: Vegetationen, welche wahrscheinlich sich zu einer ein- heitlichen Formation ergänzen, aufeinander, wie die bunten Blumen einer Wiese in verschiedenen Jahreszeiten wechseln. Während an der Oberfläche die Vegetationszeiten vorwiegend den Spätherbst,
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Ozeanisches Florenreich.
Florenentwickelung am wenigsten sich zusammenreimt, hat
sich bei den Seetangen während der Ueberwinterung der
schwedischen Expedition 1872 auf Spitzbergen unter
80° N. durch Kjellman herausgestellt, nämlich ein stän-
diges Weiterwachsen während der thatsächlich etwa drei
Monate andauernden Finsternis der Polarnacht.
Trotz der zugleich niederen Meerestemperaturen, schwankend
zwischen — 0,5 und — 1,8°C., fand sich den ganzen Winter
hindurch die gleiche Algenflora vor, wie während des Sommers
und Herbstes; Lithothamnium calcareum bedeckte breite Strecken
des Golfes, mit ihr vergesellschaftet viele Florideen, ein Fucus,
die Laminarien, Alarien etc., und drei grüne Arten. Bei den meisten
liess der morphologische Zustand im Winter keine Aenderung
dem sommerlichen gegenüber erkennen, andere zeigten eine deut-
liche Periodizität im entgegengesetzten Sinne: Halosaccion ramen-
taceum fruktifizierte nur vom August bis Oktober, die meisten
Phäosporeen (besonders Chaetopteris plumosa) dagegen nur in
der Polarnacht, da deren Reproduktionsorgane nicht vor Ende
November und nicht länger als bis zum Ende des März aufge-
funden werden konnten.
Es ist dies eine sehr seltsame Erscheinung im Vergleich mit
der sonst die Periode der Lebenserscheinungen streng regulieren-
den Lichtwirkung, um so befremdlicher, als sie im höchsten be-
kannten Norden sich gezeigt hat; es lässt sich thatsächlich keine
andere Erscheinung nennen, welche bei ausdauernden Gewächsen so
aperiodisch sich verhielte, worauf schon oben (S. 18) hingewiesen
wurde. Von 27 Arten zeigten 22 im Winter die Entwickelung
von Fortpflanzungsorganen und verhielten sich augenscheinlich
gleichgültig gegen Wärme- und Lichtabnahme (G. J., VII, 174;
Bot. Zeitg. 1875, S. 771).
Während aber in Spitzbergen wenigstens kein den
Jahreszeiten folgender Wechsel des Bestandes an Arten
eintrat, ist dies das Gewöhnliche in wärmer tempe-
rierten Meeren, z. B. schon in der Regel an den skan-
dinavischen Küsten, ist noch besser und deutlicher im
Mittelmeer beobachtet, unter den Tropen aber leider —
so weit mir bekannt — noch nicht zum Gegenstand von
Beobachtungen gemacht.
Im Mittelmeer folgen im Laufe des Jahres an derselben
Oertlichkeit ganz verschiedene Formationen, lieber in diesem Falle
gesagt: Vegetationen, welche wahrscheinlich sich zu einer ein-
heitlichen Formation ergänzen, aufeinander, wie die bunten Blumen
einer Wiese in verschiedenen Jahreszeiten wechseln. Während an
der Oberfläche die Vegetationszeiten vorwiegend den Spätherbst,
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/586>, abgerufen am 24.11.2024.
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