Man könnte eine solche überhaupt nur in der heissen Zone suchen, wo Licht, Wärme und Feuchtigkeit bei günstiger Zusammenwirkung das ganze Jahr hindurch genügend vorhanden sein können; trotzdem aber gibt es auch hier ein rhythmisches Ansteigen oder Abfallen dieser zwei Fak- toren ein- oder zweimal im Jahre, und so sehr scheinen die Gewächse das Bedürfnis nach Unterscheidung von Wachstums- und Ruheperioden zu haben, dass sie sich günstigere Zeiten im Jahr zu den ersteren auswählen, um in den ungünstigeren zu ruhen, wenn auch die dort "ungünstigeren" Perioden für ausserhalb der Tropen lie- gende Klimate vielfältig eine nie gesehene Gunst der Verhältnisse bieten würden.
Welches der drei genannten geographisch wirksamen Agentien in der Hervorbringung der periodischen Er- scheinungen des Pflanzenlebens die grösste Rolle spielt, ist kaum möglich zu sagen; bald wird es die wechselnde Intensität des Lichtes, bald die zu- und abnehmende Temperatur, bald die auf bestimmte Jahreszeiten ent- fallende grössere Niederschlagsmenge, welche mit trocke- nen Perioden wechselt, sein, der das grösste Gewicht für ein gegebenes Land zufällt; immer aber liegt der Ur- grund der Periodizität im Jahresumlauf der Erde um die Sonne auf schiefgeneigter Bahn, und am häufigsten werden alle in dieser einen Hauptursache begründeten Einzelerscheinungen sich zum Hervorrufen der perio- dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens vereinigen.
So teilt sich jährlich das Pflanzenleben nach der äusserlichen (klimatisch begründeten) Gunst oder Ungunst der Verhältnisse in eine Vegetationsperiode und eine damit abwechselnde Ruheperiode, und jedes Land ist nicht nur scharf charakterisiert durch ein bestimmtes mittleres Maß, in Tageszahlen ausgedrückt, während welcher die Hauptmasse seiner Gewächse in Vegetationsthätigkeit sich befindet, sondern auch durch ein bestimmtes mittleres Datum, an welchem seine hervorragenden Vegetations- formen in die Vegetation eintreten und dieselbe be- schliessen. Theoretisch betrachtet kann es Länder geben, in welchen jährlich zwei Vegetationsperioden mit denen
Drude, Pflanzengeographie. 3
Vegetations- und Ruheperioden.
Man könnte eine solche überhaupt nur in der heissen Zone suchen, wo Licht, Wärme und Feuchtigkeit bei günstiger Zusammenwirkung das ganze Jahr hindurch genügend vorhanden sein können; trotzdem aber gibt es auch hier ein rhythmisches Ansteigen oder Abfallen dieser zwei Fak- toren ein- oder zweimal im Jahre, und so sehr scheinen die Gewächse das Bedürfnis nach Unterscheidung von Wachstums- und Ruheperioden zu haben, dass sie sich günstigere Zeiten im Jahr zu den ersteren auswählen, um in den ungünstigeren zu ruhen, wenn auch die dort „ungünstigeren“ Perioden für ausserhalb der Tropen lie- gende Klimate vielfältig eine nie gesehene Gunst der Verhältnisse bieten würden.
Welches der drei genannten geographisch wirksamen Agentien in der Hervorbringung der periodischen Er- scheinungen des Pflanzenlebens die grösste Rolle spielt, ist kaum möglich zu sagen; bald wird es die wechselnde Intensität des Lichtes, bald die zu- und abnehmende Temperatur, bald die auf bestimmte Jahreszeiten ent- fallende grössere Niederschlagsmenge, welche mit trocke- nen Perioden wechselt, sein, der das grösste Gewicht für ein gegebenes Land zufällt; immer aber liegt der Ur- grund der Periodizität im Jahresumlauf der Erde um die Sonne auf schiefgeneigter Bahn, und am häufigsten werden alle in dieser einen Hauptursache begründeten Einzelerscheinungen sich zum Hervorrufen der perio- dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens vereinigen.
So teilt sich jährlich das Pflanzenleben nach der äusserlichen (klimatisch begründeten) Gunst oder Ungunst der Verhältnisse in eine Vegetationsperiode und eine damit abwechselnde Ruheperiode, und jedes Land ist nicht nur scharf charakterisiert durch ein bestimmtes mittleres Maß, in Tageszahlen ausgedrückt, während welcher die Hauptmasse seiner Gewächse in Vegetationsthätigkeit sich befindet, sondern auch durch ein bestimmtes mittleres Datum, an welchem seine hervorragenden Vegetations- formen in die Vegetation eintreten und dieselbe be- schliessen. Theoretisch betrachtet kann es Länder geben, in welchen jährlich zwei Vegetationsperioden mit denen
Drude, Pflanzengeographie. 3
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Vegetations- und Ruheperioden.
Man könnte eine solche überhaupt nur in der heissen Zone
suchen, wo Licht, Wärme und Feuchtigkeit bei günstiger
Zusammenwirkung das ganze Jahr hindurch genügend
vorhanden sein können; trotzdem aber gibt es auch hier
ein rhythmisches Ansteigen oder Abfallen dieser zwei Fak-
toren ein- oder zweimal im Jahre, und so sehr scheinen
die Gewächse das Bedürfnis nach Unterscheidung von
Wachstums- und Ruheperioden zu haben, dass sie sich
günstigere Zeiten im Jahr zu den ersteren auswählen,
um in den ungünstigeren zu ruhen, wenn auch die dort
„ungünstigeren“ Perioden für ausserhalb der Tropen lie-
gende Klimate vielfältig eine nie gesehene Gunst der
Verhältnisse bieten würden.
Welches der drei genannten geographisch wirksamen
Agentien in der Hervorbringung der periodischen Er-
scheinungen des Pflanzenlebens die grösste Rolle spielt,
ist kaum möglich zu sagen; bald wird es die wechselnde
Intensität des Lichtes, bald die zu- und abnehmende
Temperatur, bald die auf bestimmte Jahreszeiten ent-
fallende grössere Niederschlagsmenge, welche mit trocke-
nen Perioden wechselt, sein, der das grösste Gewicht für
ein gegebenes Land zufällt; immer aber liegt der Ur-
grund der Periodizität im Jahresumlauf der Erde um die
Sonne auf schiefgeneigter Bahn, und am häufigsten
werden alle in dieser einen Hauptursache begründeten
Einzelerscheinungen sich zum Hervorrufen der perio-
dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens vereinigen.
So teilt sich jährlich das Pflanzenleben nach der
äusserlichen (klimatisch begründeten) Gunst oder Ungunst
der Verhältnisse in eine Vegetationsperiode und eine
damit abwechselnde Ruheperiode, und jedes Land ist nicht
nur scharf charakterisiert durch ein bestimmtes mittleres
Maß, in Tageszahlen ausgedrückt, während welcher die
Hauptmasse seiner Gewächse in Vegetationsthätigkeit sich
befindet, sondern auch durch ein bestimmtes mittleres
Datum, an welchem seine hervorragenden Vegetations-
formen in die Vegetation eintreten und dieselbe be-
schliessen. Theoretisch betrachtet kann es Länder geben,
in welchen jährlich zwei Vegetationsperioden mit denen
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/55>, abgerufen am 22.11.2024.
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