Kuppen der mitteldeutschen Gebirge oft (z. B. am Brocken) noch zahlreich, geht bis Kola und Samojedenland und endet am Ost- hange des Ural in Sibirien. Einige sporadische Fundstellen an der atlantischen Küste von Nordamerika sind als pflanzengeo- graphische Verschlagungen zu betrachten. Südwärts geht sie in den Gebirgsländern der mediterranen Halbinseln westwärts bis zu den Azoren (2000 m hoch).
Unter den Stauden sind von solchen Gattungen, welche das mitteleuropäische Gebiet mit denen des süd- lichen und südöstlichen Europas verbinden, besonders die zahlreich vertretenen Arten von Genista, Centaurea, Dian- thus, Silene zu nennen; die Zahl der Gattungen, welche z. B. die Flora von Mitteldeutschland besitzt, ohne dass dieselben auch in Sibirien und Kanada zu Hause wären, ist nicht unbeträchtlich neben den vielen gemeinsam- borealen Sippen, unter denen die Heidelbeersträucher die gemeinsten unter den formationsbildenden Gesträuchen sind.
Obgleich Mittel- und Nordeuropa bis zur Waldgrenze hin mit mehr oder weniger gutem Erfolge der Kultur seit lange unterthan gemacht sind, so haben sie doch keiner Kulturpflanze von Wichtigkeit als Ausgangspunkt gedient. Wir kultivieren also so gut wie ausschliesslich eingeführte Gewächse in unserer Feldwirtschaft, benutzen aber die natürlichen Hilfsquellen ausschliesslich in den Wiesen- und Waldformationen.
Selbst die Pflanzenarten, welche gleichzeitig wild und kultiviert in Mitteleuropa sich finden, scheinen in ihren Kulturspielarten eingeführt, nicht aber an Ort und Stelle veredelt zu sein. So namentlich der Apfel- und Birnbaum, welche beide ein grosses Areal vom südlichen Russland her als wilde Pflanzen haben, und von denen allerdings auch das ursprüngliche Indigenat in Zweifel gezogen, der Kaukasus und Orient als wirkliches Ur- sprungsland angesehen worden ist. Es lässt sich that- sächlich nicht immer zwischen Zurückdrängen durch Kultur und Verwildern aus der Kultur entscheiden. In Russland läuft die Polargrenze des Birnbaums, sowohl kultiviert als wild, von der Düna mitten durch die Gu- bernien Witebsk und Smolensk, durch das nördliche Ka- luga und südliche Moskau, dann in südöstlicher Richtung
2. Nord- und Mitteleuropa.
Kuppen der mitteldeutschen Gebirge oft (z. B. am Brocken) noch zahlreich, geht bis Kola und Samojedenland und endet am Ost- hange des Ural in Sibirien. Einige sporadische Fundstellen an der atlantischen Küste von Nordamerika sind als pflanzengeo- graphische Verschlagungen zu betrachten. Südwärts geht sie in den Gebirgsländern der mediterranen Halbinseln westwärts bis zu den Azoren (2000 m hoch).
Unter den Stauden sind von solchen Gattungen, welche das mitteleuropäische Gebiet mit denen des süd- lichen und südöstlichen Europas verbinden, besonders die zahlreich vertretenen Arten von Genista, Centaurea, Dian- thus, Silene zu nennen; die Zahl der Gattungen, welche z. B. die Flora von Mitteldeutschland besitzt, ohne dass dieselben auch in Sibirien und Kanada zu Hause wären, ist nicht unbeträchtlich neben den vielen gemeinsam- borealen Sippen, unter denen die Heidelbeersträucher die gemeinsten unter den formationsbildenden Gesträuchen sind.
Obgleich Mittel- und Nordeuropa bis zur Waldgrenze hin mit mehr oder weniger gutem Erfolge der Kultur seit lange unterthan gemacht sind, so haben sie doch keiner Kulturpflanze von Wichtigkeit als Ausgangspunkt gedient. Wir kultivieren also so gut wie ausschliesslich eingeführte Gewächse in unserer Feldwirtschaft, benutzen aber die natürlichen Hilfsquellen ausschliesslich in den Wiesen- und Waldformationen.
Selbst die Pflanzenarten, welche gleichzeitig wild und kultiviert in Mitteleuropa sich finden, scheinen in ihren Kulturspielarten eingeführt, nicht aber an Ort und Stelle veredelt zu sein. So namentlich der Apfel- und Birnbaum, welche beide ein grosses Areal vom südlichen Russland her als wilde Pflanzen haben, und von denen allerdings auch das ursprüngliche Indigenat in Zweifel gezogen, der Kaukasus und Orient als wirkliches Ur- sprungsland angesehen worden ist. Es lässt sich that- sächlich nicht immer zwischen Zurückdrängen durch Kultur und Verwildern aus der Kultur entscheiden. In Russland läuft die Polargrenze des Birnbaums, sowohl kultiviert als wild, von der Düna mitten durch die Gu- bernien Witebsk und Smolensk, durch das nördliche Ka- luga und südliche Moskau, dann in südöstlicher Richtung
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2. Nord- und Mitteleuropa.
Kuppen der mitteldeutschen Gebirge oft (z. B. am Brocken) noch
zahlreich, geht bis Kola und Samojedenland und endet am Ost-
hange des Ural in Sibirien. Einige sporadische Fundstellen an
der atlantischen Küste von Nordamerika sind als pflanzengeo-
graphische Verschlagungen zu betrachten. Südwärts geht sie in
den Gebirgsländern der mediterranen Halbinseln westwärts bis zu
den Azoren (2000 m hoch).
Unter den Stauden sind von solchen Gattungen,
welche das mitteleuropäische Gebiet mit denen des süd-
lichen und südöstlichen Europas verbinden, besonders die
zahlreich vertretenen Arten von Genista, Centaurea, Dian-
thus, Silene zu nennen; die Zahl der Gattungen, welche
z. B. die Flora von Mitteldeutschland besitzt, ohne dass
dieselben auch in Sibirien und Kanada zu Hause wären,
ist nicht unbeträchtlich neben den vielen gemeinsam-
borealen Sippen, unter denen die Heidelbeersträucher die
gemeinsten unter den formationsbildenden Gesträuchen sind.
Obgleich Mittel- und Nordeuropa bis zur Waldgrenze
hin mit mehr oder weniger gutem Erfolge der Kultur
seit lange unterthan gemacht sind, so haben sie doch
keiner Kulturpflanze von Wichtigkeit als Ausgangspunkt
gedient. Wir kultivieren also so gut wie ausschliesslich
eingeführte Gewächse in unserer Feldwirtschaft, benutzen
aber die natürlichen Hilfsquellen ausschliesslich in den
Wiesen- und Waldformationen.
Selbst die Pflanzenarten, welche gleichzeitig wild
und kultiviert in Mitteleuropa sich finden, scheinen in
ihren Kulturspielarten eingeführt, nicht aber an Ort und
Stelle veredelt zu sein. So namentlich der Apfel- und
Birnbaum, welche beide ein grosses Areal vom südlichen
Russland her als wilde Pflanzen haben, und von denen
allerdings auch das ursprüngliche Indigenat in Zweifel
gezogen, der Kaukasus und Orient als wirkliches Ur-
sprungsland angesehen worden ist. Es lässt sich that-
sächlich nicht immer zwischen Zurückdrängen durch
Kultur und Verwildern aus der Kultur entscheiden. In
Russland läuft die Polargrenze des Birnbaums, sowohl
kultiviert als wild, von der Düna mitten durch die Gu-
bernien Witebsk und Smolensk, durch das nördliche Ka-
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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