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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Die Gattung Acer als Beispiel.
aber hier ist die gewöhnliche Scheidung in westliches und öst-
liches Gebirge auch bei dieser gemeinsamen Gattung ausgeprägt,
indem nur 3 Arten über das ganze Gebirge verbreitet sind. Von
den 13 Sektionen der Gattung gehören 7 mit der stattlichen Zahl
von 20 Arten Japan allein an; 4 Arten charakterisieren den nörd-
lichen, 14 den südlichen Typus, ähnlich wie in Europa, und diese
zeigen stärkere Verwandtschaft sowohl zum Himalaya und Central-
asien als auch zum mittleren Nordamerika, da dessen pacifische
Länder 2 Sektionen, die atlantischen Staaten dagegen eine Art
mit Japan gemeinsam haben. Japan stellt sich also in den Mittel-
punkt der Acer-Systemgruppierung. -- Die fossilen Funde der
Gattung haben dem Verfasser nach Ausschluss der mangelhaft er-
haltenen doch schon 8 Sektionen als in der Tertiärzeit vorkom-
mend erwiesen; sie beginnen im unteren Tertiär, werden im Miocen
häufiger und entwickeln im oberen Tertiär eine Reihe die jetzige
Lebewelt repräsentierende Formen. Dabei wird der circumpolare
Ursprung bestimmt erwiesen: "im Oligocen lebte auf Grönland,
Island, Spitzbergen eine reiche Ahornflora, welche im Miocen um
viele Breitegrade südwärts gewandert ist; im Pliocen erscheint
diese Südwanderung noch vollkommener. Während der Tertiär-
zeit war die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich gleich-
mäßige und bleibt es bis durch das Pliocen; eine weitgehende
Störung derselben hat demnach erst nach dieser Periode stattge-
funden, deren Ursachen also mit grosser Wahrscheinlichkeit in
dem Beginne der Eiszeit zu suchen sind." Die Blätter der Ahorn-
arten lassen sich mit verhältnismäßiger Deutlichkeit auch im
fossilen Zustande erkennen; es ist daher das Beispiel zugleich als
eines jener Fundamente aufgeführt, auf welche unsere florenent-
wickelungsgeschichtlichen Anschauungen der borealen Florengruppe
zurückgreifen.

Geologische Florenentwickelung. Die Einheit-
lichkeit im allgemeinen Charakter der Flora dieses weiten
Länderkreises vom Nordpol bis zur Nordgrenze der Tropen
("Einheitlichkeit" natürlich nur in Hinsicht auf die herr-
schenden Familien, auf viele Gattungen und vereinzelte
Arten aufgefasst), lässt sich geologisch auf zwei Haupt-
umwälzungen zurückführen, welche die allgemeine vor-
tertiäre, unbestimmter ausgeprägte Flora abgelöst haben:
Im älteren und mittleren Tertiär begann ein neues Floren-
element vom hohen Norden her, wie es scheint sehr
gleichmäßig sowohl in Amerika als in Asien und Europa,
südwärts sich zu verbreiten und einen Stamm der jetzigen
borealen Florengruppe zu bilden; dieses Florenelement
bezeichnen wir mit Engler als "arktotertiär", und das-
selbe musste nach allgemeinen descendenztheoretisch be-

Die Gattung Acer als Beispiel.
aber hier ist die gewöhnliche Scheidung in westliches und öst-
liches Gebirge auch bei dieser gemeinsamen Gattung ausgeprägt,
indem nur 3 Arten über das ganze Gebirge verbreitet sind. Von
den 13 Sektionen der Gattung gehören 7 mit der stattlichen Zahl
von 20 Arten Japan allein an; 4 Arten charakterisieren den nörd-
lichen, 14 den südlichen Typus, ähnlich wie in Europa, und diese
zeigen stärkere Verwandtschaft sowohl zum Himalaya und Central-
asien als auch zum mittleren Nordamerika, da dessen pacifische
Länder 2 Sektionen, die atlantischen Staaten dagegen eine Art
mit Japan gemeinsam haben. Japan stellt sich also in den Mittel-
punkt der Acer-Systemgruppierung. — Die fossilen Funde der
Gattung haben dem Verfasser nach Ausschluss der mangelhaft er-
haltenen doch schon 8 Sektionen als in der Tertiärzeit vorkom-
mend erwiesen; sie beginnen im unteren Tertiär, werden im Miocen
häufiger und entwickeln im oberen Tertiär eine Reihe die jetzige
Lebewelt repräsentierende Formen. Dabei wird der circumpolare
Ursprung bestimmt erwiesen: „im Oligocen lebte auf Grönland,
Island, Spitzbergen eine reiche Ahornflora, welche im Miocen um
viele Breitegrade südwärts gewandert ist; im Pliocen erscheint
diese Südwanderung noch vollkommener. Während der Tertiär-
zeit war die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich gleich-
mäßige und bleibt es bis durch das Pliocen; eine weitgehende
Störung derselben hat demnach erst nach dieser Periode stattge-
funden, deren Ursachen also mit grosser Wahrscheinlichkeit in
dem Beginne der Eiszeit zu suchen sind.“ Die Blätter der Ahorn-
arten lassen sich mit verhältnismäßiger Deutlichkeit auch im
fossilen Zustande erkennen; es ist daher das Beispiel zugleich als
eines jener Fundamente aufgeführt, auf welche unsere florenent-
wickelungsgeschichtlichen Anschauungen der borealen Florengruppe
zurückgreifen.

Geologische Florenentwickelung. Die Einheit-
lichkeit im allgemeinen Charakter der Flora dieses weiten
Länderkreises vom Nordpol bis zur Nordgrenze der Tropen
(„Einheitlichkeit“ natürlich nur in Hinsicht auf die herr-
schenden Familien, auf viele Gattungen und vereinzelte
Arten aufgefasst), lässt sich geologisch auf zwei Haupt-
umwälzungen zurückführen, welche die allgemeine vor-
tertiäre, unbestimmter ausgeprägte Flora abgelöst haben:
Im älteren und mittleren Tertiär begann ein neues Floren-
element vom hohen Norden her, wie es scheint sehr
gleichmäßig sowohl in Amerika als in Asien und Europa,
südwärts sich zu verbreiten und einen Stamm der jetzigen
borealen Florengruppe zu bilden; dieses Florenelement
bezeichnen wir mit Engler als „arktotertiär“, und das-
selbe musste nach allgemeinen descendenztheoretisch be-

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[342/0372] Die Gattung Acer als Beispiel. aber hier ist die gewöhnliche Scheidung in westliches und öst- liches Gebirge auch bei dieser gemeinsamen Gattung ausgeprägt, indem nur 3 Arten über das ganze Gebirge verbreitet sind. Von den 13 Sektionen der Gattung gehören 7 mit der stattlichen Zahl von 20 Arten Japan allein an; 4 Arten charakterisieren den nörd- lichen, 14 den südlichen Typus, ähnlich wie in Europa, und diese zeigen stärkere Verwandtschaft sowohl zum Himalaya und Central- asien als auch zum mittleren Nordamerika, da dessen pacifische Länder 2 Sektionen, die atlantischen Staaten dagegen eine Art mit Japan gemeinsam haben. Japan stellt sich also in den Mittel- punkt der Acer-Systemgruppierung. — Die fossilen Funde der Gattung haben dem Verfasser nach Ausschluss der mangelhaft er- haltenen doch schon 8 Sektionen als in der Tertiärzeit vorkom- mend erwiesen; sie beginnen im unteren Tertiär, werden im Miocen häufiger und entwickeln im oberen Tertiär eine Reihe die jetzige Lebewelt repräsentierende Formen. Dabei wird der circumpolare Ursprung bestimmt erwiesen: „im Oligocen lebte auf Grönland, Island, Spitzbergen eine reiche Ahornflora, welche im Miocen um viele Breitegrade südwärts gewandert ist; im Pliocen erscheint diese Südwanderung noch vollkommener. Während der Tertiär- zeit war die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich gleich- mäßige und bleibt es bis durch das Pliocen; eine weitgehende Störung derselben hat demnach erst nach dieser Periode stattge- funden, deren Ursachen also mit grosser Wahrscheinlichkeit in dem Beginne der Eiszeit zu suchen sind.“ Die Blätter der Ahorn- arten lassen sich mit verhältnismäßiger Deutlichkeit auch im fossilen Zustande erkennen; es ist daher das Beispiel zugleich als eines jener Fundamente aufgeführt, auf welche unsere florenent- wickelungsgeschichtlichen Anschauungen der borealen Florengruppe zurückgreifen. Geologische Florenentwickelung. Die Einheit- lichkeit im allgemeinen Charakter der Flora dieses weiten Länderkreises vom Nordpol bis zur Nordgrenze der Tropen („Einheitlichkeit“ natürlich nur in Hinsicht auf die herr- schenden Familien, auf viele Gattungen und vereinzelte Arten aufgefasst), lässt sich geologisch auf zwei Haupt- umwälzungen zurückführen, welche die allgemeine vor- tertiäre, unbestimmter ausgeprägte Flora abgelöst haben: Im älteren und mittleren Tertiär begann ein neues Floren- element vom hohen Norden her, wie es scheint sehr gleichmäßig sowohl in Amerika als in Asien und Europa, südwärts sich zu verbreiten und einen Stamm der jetzigen borealen Florengruppe zu bilden; dieses Florenelement bezeichnen wir mit Engler als „arktotertiär“, und das- selbe musste nach allgemeinen descendenztheoretisch be-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/372>, abgerufen am 24.11.2024.