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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Die Pflanzengeographie ein
der physikalischen Geographie tief berühren und sich dort
in unlöslichen Zusammenhang mit ihr setzen; sie tritt
endlich hervor als eine Disziplin, welche, durch den geo-
graphischen Gesichtspunkt selbst angeregt, Fragen auf-
wirft und Methoden ersinnt, die zunächst der abstrakte
Botaniker nicht im Rahmen seiner Gedanken vorfindet und
die daher auf wirklich geographische Gebiete überführen.
Alles in allem stellt sich also die Pflanzengeographie als
eine die reine Botanik mit der reinen physikalischen Geo-
graphie verbindende selbständige Disziplin dar, und es
könnte die Frage aufgeworfen werden, wie denn in einer
Sammlung "geographischer Handbücher" die Interessen
der Geographie zu wahren und vor Beeinträchtigung
durch die botanischen Gesichtspunkte zu schützen seien.
Gegen solche Zerteilung aber wehrt sich die Einheit der
jeder selbständigen Disziplin unterliegenden Grundgedanken,
welche nicht auf andere Weise frei und befruchtend aus-
gebildet werden können, als wenn sie jede ängstliche
Rücksichtnahme auf eine herkömmliche Einteilung der
Wissenschaften, welche nicht in allen Stücken eine not-
wendige ist, vermeidet. Mit dem Bewusstsein völliger
innerer Uebereinstimmung möge hier auf Ratzels erstes
Handbuch dieser von ihm veranstalteten Sammlung (An-
thropo-Geographie,
S. 12, 13) hingewiesen werden, auf die
Bemerkung, dass bei diesen logischen Klassifikationen
die Wissenschaften nicht gefasst werden, wie sie wirklich
sind und betrieben werden, sondern wie sie im Geiste
sich gegeneinander abgrenzen.

"Ueberhaupt, wieviel von der Grenzausdehnung einer
Wissenschaft hängt nur von der Thätigkeit ab, welche auf
ihrem Gebiete entwickelt wird! Darum haben die Grenz-
fragen, unphilosophisch und im Detail aufgefasst, etwas
Müssiges, was kräftige Geister abstösst. Von den streitigen
Gebieten, die jede Wissenschaft an ihren Grenzen besitzt,
gilt dies durchaus."

Es wird daher auch in diesem pflanzengeographischen
Handbuche der Grundsatz gelten, dass kein von der
Wissenschaft selbst rechtmässig geforderter Gesichtspunkt
ausser acht bleibt, unbekümmert um seine Dependenz
von der einen oder der anderen botanischen Richtung,

Die Pflanzengeographie ein
der physikalischen Geographie tief berühren und sich dort
in unlöslichen Zusammenhang mit ihr setzen; sie tritt
endlich hervor als eine Disziplin, welche, durch den geo-
graphischen Gesichtspunkt selbst angeregt, Fragen auf-
wirft und Methoden ersinnt, die zunächst der abstrakte
Botaniker nicht im Rahmen seiner Gedanken vorfindet und
die daher auf wirklich geographische Gebiete überführen.
Alles in allem stellt sich also die Pflanzengeographie als
eine die reine Botanik mit der reinen physikalischen Geo-
graphie verbindende selbständige Disziplin dar, und es
könnte die Frage aufgeworfen werden, wie denn in einer
Sammlung „geographischer Handbücher“ die Interessen
der Geographie zu wahren und vor Beeinträchtigung
durch die botanischen Gesichtspunkte zu schützen seien.
Gegen solche Zerteilung aber wehrt sich die Einheit der
jeder selbständigen Disziplin unterliegenden Grundgedanken,
welche nicht auf andere Weise frei und befruchtend aus-
gebildet werden können, als wenn sie jede ängstliche
Rücksichtnahme auf eine herkömmliche Einteilung der
Wissenschaften, welche nicht in allen Stücken eine not-
wendige ist, vermeidet. Mit dem Bewusstsein völliger
innerer Uebereinstimmung möge hier auf Ratzels erstes
Handbuch dieser von ihm veranstalteten Sammlung (An-
thropo-Geographie,
S. 12, 13) hingewiesen werden, auf die
Bemerkung, dass bei diesen logischen Klassifikationen
die Wissenschaften nicht gefasst werden, wie sie wirklich
sind und betrieben werden, sondern wie sie im Geiste
sich gegeneinander abgrenzen.

„Ueberhaupt, wieviel von der Grenzausdehnung einer
Wissenschaft hängt nur von der Thätigkeit ab, welche auf
ihrem Gebiete entwickelt wird! Darum haben die Grenz-
fragen, unphilosophisch und im Detail aufgefasst, etwas
Müssiges, was kräftige Geister abstösst. Von den streitigen
Gebieten, die jede Wissenschaft an ihren Grenzen besitzt,
gilt dies durchaus.“

Es wird daher auch in diesem pflanzengeographischen
Handbuche der Grundsatz gelten, dass kein von der
Wissenschaft selbst rechtmässig geforderter Gesichtspunkt
ausser acht bleibt, unbekümmert um seine Dependenz
von der einen oder der anderen botanischen Richtung,

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[12/0034] Die Pflanzengeographie ein der physikalischen Geographie tief berühren und sich dort in unlöslichen Zusammenhang mit ihr setzen; sie tritt endlich hervor als eine Disziplin, welche, durch den geo- graphischen Gesichtspunkt selbst angeregt, Fragen auf- wirft und Methoden ersinnt, die zunächst der abstrakte Botaniker nicht im Rahmen seiner Gedanken vorfindet und die daher auf wirklich geographische Gebiete überführen. Alles in allem stellt sich also die Pflanzengeographie als eine die reine Botanik mit der reinen physikalischen Geo- graphie verbindende selbständige Disziplin dar, und es könnte die Frage aufgeworfen werden, wie denn in einer Sammlung „geographischer Handbücher“ die Interessen der Geographie zu wahren und vor Beeinträchtigung durch die botanischen Gesichtspunkte zu schützen seien. Gegen solche Zerteilung aber wehrt sich die Einheit der jeder selbständigen Disziplin unterliegenden Grundgedanken, welche nicht auf andere Weise frei und befruchtend aus- gebildet werden können, als wenn sie jede ängstliche Rücksichtnahme auf eine herkömmliche Einteilung der Wissenschaften, welche nicht in allen Stücken eine not- wendige ist, vermeidet. Mit dem Bewusstsein völliger innerer Uebereinstimmung möge hier auf Ratzels erstes Handbuch dieser von ihm veranstalteten Sammlung (An- thropo-Geographie, S. 12, 13) hingewiesen werden, auf die Bemerkung, dass bei diesen logischen Klassifikationen die Wissenschaften nicht gefasst werden, wie sie wirklich sind und betrieben werden, sondern wie sie im Geiste sich gegeneinander abgrenzen. „Ueberhaupt, wieviel von der Grenzausdehnung einer Wissenschaft hängt nur von der Thätigkeit ab, welche auf ihrem Gebiete entwickelt wird! Darum haben die Grenz- fragen, unphilosophisch und im Detail aufgefasst, etwas Müssiges, was kräftige Geister abstösst. Von den streitigen Gebieten, die jede Wissenschaft an ihren Grenzen besitzt, gilt dies durchaus.“ Es wird daher auch in diesem pflanzengeographischen Handbuche der Grundsatz gelten, dass kein von der Wissenschaft selbst rechtmässig geforderter Gesichtspunkt ausser acht bleibt, unbekümmert um seine Dependenz von der einen oder der anderen botanischen Richtung,

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/34>, abgerufen am 28.03.2024.