allerdings überhaupt der Moorbestände und Sümpfe, ihre Vegetationsperiode sehr spät nach dem Einzuge des Früh- lings beginnen zu lassen. In dieser Beziehung bilden sie den schärfsten Gegensatz zu den Grassteppen, welche am frühesten, früher und rascher vorübergehend als die normalen Wiesen, zu treiben beginnen und die Neben- bestandteile ihrer bunten Blumen entwickeln, wie sie ja überhaupt als trockene Formationen die feuchte Früh- lingszeit ausnutzen müssen. Ihre Gegenwart in einem Lande hängt daher von der dortigen Verteilung der Nie- derschläge ab, welche nach dem Fortschaffen des stän- digen, fliessenden oder stehenden Wassers infolge von Ausfüllung allein den Grasrasen netzen und grün er- halten; im trockenen Klima geht also ein Wiesenmoor allmählich in eine Grassteppe über, während es im feuchten Klima sich entweder dauernd erhält oder mit Moosmoo- ren wechselt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, kann die südrussische schwarze Steppenrasenerde aus Moor- und Wiesenmoor-Formationen sich ableiten 1). Aehn- lich denkt sich Brendel die Entstehung der nordameri- kanischen Prairieen (siehe G. J. X. 176).
Die Grassteppen stehen dem Namen und Wesen nach den später zu besprechenden Steppenformationen nahe, aber auch nicht mehr. Sie unterscheiden sich von den Wiesen durch die lockere und nach Einzelbüscheln vielfach getrennte Rasenbildung, zwischen welchen anstatt der saftigen Wiesenhochstauden nunmehr aromatische, Dürre ertragende, zuweilen stachelige und wollige Stau- den aus der rasenbildenden oder hochstengelbildenden Grundform wachsen, oder rascher vergängliche Frühlings- blüher und Zwiebelgewächse. Aber die Grasflur herrscht als weitaus überwiegende, und im Aeusseren einer trocke- neren Wiese deshalb gleichende Bestandesform vor und gibt den Grundton zu dem Bilde, dessen Ausschmückung neben den Stauden auch viele annuelle Gewächse über- nehmen. Die volle Lebensthätigkeit der Grassteppen ist
1) Siehe Ruprecht, Ueber den Ursprung des Tschornosjom im Bull. Acad. St. Petersburg 1863, 1864 u. 1865.
Charakter der Grassteppen.
allerdings überhaupt der Moorbestände und Sümpfe, ihre Vegetationsperiode sehr spät nach dem Einzuge des Früh- lings beginnen zu lassen. In dieser Beziehung bilden sie den schärfsten Gegensatz zu den Grassteppen, welche am frühesten, früher und rascher vorübergehend als die normalen Wiesen, zu treiben beginnen und die Neben- bestandteile ihrer bunten Blumen entwickeln, wie sie ja überhaupt als trockene Formationen die feuchte Früh- lingszeit ausnutzen müssen. Ihre Gegenwart in einem Lande hängt daher von der dortigen Verteilung der Nie- derschläge ab, welche nach dem Fortschaffen des stän- digen, fliessenden oder stehenden Wassers infolge von Ausfüllung allein den Grasrasen netzen und grün er- halten; im trockenen Klima geht also ein Wiesenmoor allmählich in eine Grassteppe über, während es im feuchten Klima sich entweder dauernd erhält oder mit Moosmoo- ren wechselt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, kann die südrussische schwarze Steppenrasenerde aus Moor- und Wiesenmoor-Formationen sich ableiten 1). Aehn- lich denkt sich Brendel die Entstehung der nordameri- kanischen Prairieen (siehe G. J. X. 176).
Die Grassteppen stehen dem Namen und Wesen nach den später zu besprechenden Steppenformationen nahe, aber auch nicht mehr. Sie unterscheiden sich von den Wiesen durch die lockere und nach Einzelbüscheln vielfach getrennte Rasenbildung, zwischen welchen anstatt der saftigen Wiesenhochstauden nunmehr aromatische, Dürre ertragende, zuweilen stachelige und wollige Stau- den aus der rasenbildenden oder hochstengelbildenden Grundform wachsen, oder rascher vergängliche Frühlings- blüher und Zwiebelgewächse. Aber die Grasflur herrscht als weitaus überwiegende, und im Aeusseren einer trocke- neren Wiese deshalb gleichende Bestandesform vor und gibt den Grundton zu dem Bilde, dessen Ausschmückung neben den Stauden auch viele annuelle Gewächse über- nehmen. Die volle Lebensthätigkeit der Grassteppen ist
1) Siehe Ruprecht, Ueber den Ursprung des Tschornosjom im Bull. Acad. St. Petersburg 1863, 1864 u. 1865.
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Charakter der Grassteppen.
allerdings überhaupt der Moorbestände und Sümpfe, ihre
Vegetationsperiode sehr spät nach dem Einzuge des Früh-
lings beginnen zu lassen. In dieser Beziehung bilden
sie den schärfsten Gegensatz zu den Grassteppen, welche
am frühesten, früher und rascher vorübergehend als die
normalen Wiesen, zu treiben beginnen und die Neben-
bestandteile ihrer bunten Blumen entwickeln, wie sie ja
überhaupt als trockene Formationen die feuchte Früh-
lingszeit ausnutzen müssen. Ihre Gegenwart in einem
Lande hängt daher von der dortigen Verteilung der Nie-
derschläge ab, welche nach dem Fortschaffen des stän-
digen, fliessenden oder stehenden Wassers infolge von
Ausfüllung allein den Grasrasen netzen und grün er-
halten; im trockenen Klima geht also ein Wiesenmoor
allmählich in eine Grassteppe über, während es im feuchten
Klima sich entweder dauernd erhält oder mit Moosmoo-
ren wechselt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
kann die südrussische schwarze Steppenrasenerde aus
Moor- und Wiesenmoor-Formationen sich ableiten 1). Aehn-
lich denkt sich Brendel die Entstehung der nordameri-
kanischen Prairieen (siehe G. J. X. 176).
Die Grassteppen stehen dem Namen und Wesen
nach den später zu besprechenden Steppenformationen
nahe, aber auch nicht mehr. Sie unterscheiden sich von
den Wiesen durch die lockere und nach Einzelbüscheln
vielfach getrennte Rasenbildung, zwischen welchen anstatt
der saftigen Wiesenhochstauden nunmehr aromatische,
Dürre ertragende, zuweilen stachelige und wollige Stau-
den aus der rasenbildenden oder hochstengelbildenden
Grundform wachsen, oder rascher vergängliche Frühlings-
blüher und Zwiebelgewächse. Aber die Grasflur herrscht
als weitaus überwiegende, und im Aeusseren einer trocke-
neren Wiese deshalb gleichende Bestandesform vor und
gibt den Grundton zu dem Bilde, dessen Ausschmückung
neben den Stauden auch viele annuelle Gewächse über-
nehmen. Die volle Lebensthätigkeit der Grassteppen ist
1) Siehe Ruprecht, Ueber den Ursprung des Tschornosjom im
Bull. Acad. St. Petersburg 1863, 1864 u. 1865.
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/324>, abgerufen am 16.02.2025.
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