Wipfel kaum zu den untersten Zweigen des Hauptwaldes heranreichen; es sind dies schattenliebende Arten, welche zugleich den Nachwuchs der hohen Bäume zurückhalten, bis durch Zusammenstürzen einiger Waldriesen Licht und Luft frei wird. Unter diesem niederen Walde findet sich dann oft erst der Unterwuchs aus kleinen, 2--3 m hohen dikotylen Bäumchen, niederen Palmen und gigantischen Farnen, so dass, wenn nun noch der Erdboden selbst nicht vegetationslos mit Trümmern von Holz und Laub- werk bedeckt daliegt, sondern noch Selaginella-Arten und krautige Dikotylen, Moose oder schattenliebende Humus- pflanzen (Saprophyten als chlorophylllose Vegetationsform) aufnimmt, das sprichwörtlich gewordene Bild von den vier Vegetationsschichten des Tropenwaldes ausgeprägt ist.
Hinsichtlich der Blüten, von denen man sich im landschaftlichen Eindruck der Tropenvegetation eine zu grosse Vorstellung im Anschluss an gewisse herrliche Zierblumen der Gartenkultur zu machen pflegt, stellt schon Wallace die allgemeine Regel auf, dass im Durch- schnitt die Blüten um so mehr zurückstehen, je reicher die Vegetationsfülle ist; die hocharktischen und hoch- alpinen Formationen sind es, welche auf kleinblätterigem Rasen die leuchtendsten Blumen hervorbringen, wenngleich hier die Kontrastwirkung der sich wenig verkleinernden Blumen mit den auf winzige Maße herabschwindenden Blättern als eine Täuschwirkung mit in Rechnung zu ziehen ist. Thatsächlich aber geben aufmerksame Reisende übereinstimmend an, dass sie in den grossen, feuchtheis- sen Urwäldern von Blüten wenig Eindruck empfangen haben; die meisten Arten haben unansehnliche, grünliche oder weisse Blüten, und grosse Massen auffälliger Blu- men sind selten, obgleich immerhin einzelne Arten von Bäumen und Sträuchern in glänzenden Farben prangen, noch mehr die Lianen oder einzelne Epiphyten (siehe oben S. 60). Um so mehr Gewicht wird auf die Aus- bildung grosser Früchte gelegt, welche oft mit den Blu- men in gar keinem richtigen Verhältnis zu stehen schei- nen, welche aber auch längst nicht alle schon in einer Vegetationsperiode reifen. Die Palme Lodoicea Sechella-
Blüte und Frucht der Tropenbäume.
Wipfel kaum zu den untersten Zweigen des Hauptwaldes heranreichen; es sind dies schattenliebende Arten, welche zugleich den Nachwuchs der hohen Bäume zurückhalten, bis durch Zusammenstürzen einiger Waldriesen Licht und Luft frei wird. Unter diesem niederen Walde findet sich dann oft erst der Unterwuchs aus kleinen, 2—3 m hohen dikotylen Bäumchen, niederen Palmen und gigantischen Farnen, so dass, wenn nun noch der Erdboden selbst nicht vegetationslos mit Trümmern von Holz und Laub- werk bedeckt daliegt, sondern noch Selaginella-Arten und krautige Dikotylen, Moose oder schattenliebende Humus- pflanzen (Saprophyten als chlorophylllose Vegetationsform) aufnimmt, das sprichwörtlich gewordene Bild von den vier Vegetationsschichten des Tropenwaldes ausgeprägt ist.
Hinsichtlich der Blüten, von denen man sich im landschaftlichen Eindruck der Tropenvegetation eine zu grosse Vorstellung im Anschluss an gewisse herrliche Zierblumen der Gartenkultur zu machen pflegt, stellt schon Wallace die allgemeine Regel auf, dass im Durch- schnitt die Blüten um so mehr zurückstehen, je reicher die Vegetationsfülle ist; die hocharktischen und hoch- alpinen Formationen sind es, welche auf kleinblätterigem Rasen die leuchtendsten Blumen hervorbringen, wenngleich hier die Kontrastwirkung der sich wenig verkleinernden Blumen mit den auf winzige Maße herabschwindenden Blättern als eine Täuschwirkung mit in Rechnung zu ziehen ist. Thatsächlich aber geben aufmerksame Reisende übereinstimmend an, dass sie in den grossen, feuchtheis- sen Urwäldern von Blüten wenig Eindruck empfangen haben; die meisten Arten haben unansehnliche, grünliche oder weisse Blüten, und grosse Massen auffälliger Blu- men sind selten, obgleich immerhin einzelne Arten von Bäumen und Sträuchern in glänzenden Farben prangen, noch mehr die Lianen oder einzelne Epiphyten (siehe oben S. 60). Um so mehr Gewicht wird auf die Aus- bildung grosser Früchte gelegt, welche oft mit den Blu- men in gar keinem richtigen Verhältnis zu stehen schei- nen, welche aber auch längst nicht alle schon in einer Vegetationsperiode reifen. Die Palme Lodoicea Sechella-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0276"n="246"/><fwplace="top"type="header">Blüte und Frucht der Tropenbäume.</fw><lb/>
Wipfel kaum zu den untersten Zweigen des Hauptwaldes<lb/>
heranreichen; es sind dies schattenliebende Arten, welche<lb/>
zugleich den Nachwuchs der hohen Bäume zurückhalten,<lb/>
bis durch Zusammenstürzen einiger Waldriesen Licht und<lb/>
Luft frei wird. Unter diesem niederen Walde findet sich<lb/>
dann oft erst der Unterwuchs aus kleinen, 2—3 m hohen<lb/>
dikotylen Bäumchen, niederen Palmen und gigantischen<lb/>
Farnen, so dass, wenn nun noch der Erdboden selbst<lb/>
nicht vegetationslos mit Trümmern von Holz und Laub-<lb/>
werk bedeckt daliegt, sondern noch Selaginella-Arten und<lb/>
krautige Dikotylen, Moose oder schattenliebende Humus-<lb/>
pflanzen (<hirendition="#i">Saprophyten</hi> als chlorophylllose Vegetationsform)<lb/>
aufnimmt, das sprichwörtlich gewordene Bild von den<lb/>
vier Vegetationsschichten des Tropenwaldes ausgeprägt ist.</p><lb/><p>Hinsichtlich der Blüten, von denen man sich im<lb/>
landschaftlichen Eindruck der Tropenvegetation eine zu<lb/>
grosse Vorstellung im Anschluss an gewisse herrliche<lb/>
Zierblumen der Gartenkultur zu machen pflegt, stellt<lb/>
schon Wallace die allgemeine Regel auf, dass im Durch-<lb/>
schnitt die Blüten um so mehr zurückstehen, je reicher<lb/>
die Vegetationsfülle ist; die hocharktischen und hoch-<lb/>
alpinen Formationen sind es, welche auf kleinblätterigem<lb/>
Rasen die leuchtendsten Blumen hervorbringen, wenngleich<lb/>
hier die Kontrastwirkung der sich wenig verkleinernden<lb/>
Blumen mit den auf winzige Maße herabschwindenden<lb/>
Blättern als eine Täuschwirkung mit in Rechnung zu<lb/>
ziehen ist. Thatsächlich aber geben aufmerksame Reisende<lb/>
übereinstimmend an, dass sie in den grossen, feuchtheis-<lb/>
sen Urwäldern von Blüten wenig Eindruck empfangen<lb/>
haben; die meisten Arten haben unansehnliche, grünliche<lb/>
oder weisse Blüten, und grosse Massen auffälliger Blu-<lb/>
men sind selten, obgleich immerhin einzelne Arten von<lb/>
Bäumen und Sträuchern in glänzenden Farben prangen,<lb/>
noch mehr die Lianen oder einzelne Epiphyten (siehe<lb/>
oben S. 60). Um so mehr Gewicht wird auf die Aus-<lb/>
bildung grosser Früchte gelegt, welche oft mit den Blu-<lb/>
men in gar keinem richtigen Verhältnis zu stehen schei-<lb/>
nen, welche aber auch längst nicht alle schon in einer<lb/>
Vegetationsperiode reifen. Die Palme <hirendition="#i">Lodoicea Sechella-</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[246/0276]
Blüte und Frucht der Tropenbäume.
Wipfel kaum zu den untersten Zweigen des Hauptwaldes
heranreichen; es sind dies schattenliebende Arten, welche
zugleich den Nachwuchs der hohen Bäume zurückhalten,
bis durch Zusammenstürzen einiger Waldriesen Licht und
Luft frei wird. Unter diesem niederen Walde findet sich
dann oft erst der Unterwuchs aus kleinen, 2—3 m hohen
dikotylen Bäumchen, niederen Palmen und gigantischen
Farnen, so dass, wenn nun noch der Erdboden selbst
nicht vegetationslos mit Trümmern von Holz und Laub-
werk bedeckt daliegt, sondern noch Selaginella-Arten und
krautige Dikotylen, Moose oder schattenliebende Humus-
pflanzen (Saprophyten als chlorophylllose Vegetationsform)
aufnimmt, das sprichwörtlich gewordene Bild von den
vier Vegetationsschichten des Tropenwaldes ausgeprägt ist.
Hinsichtlich der Blüten, von denen man sich im
landschaftlichen Eindruck der Tropenvegetation eine zu
grosse Vorstellung im Anschluss an gewisse herrliche
Zierblumen der Gartenkultur zu machen pflegt, stellt
schon Wallace die allgemeine Regel auf, dass im Durch-
schnitt die Blüten um so mehr zurückstehen, je reicher
die Vegetationsfülle ist; die hocharktischen und hoch-
alpinen Formationen sind es, welche auf kleinblätterigem
Rasen die leuchtendsten Blumen hervorbringen, wenngleich
hier die Kontrastwirkung der sich wenig verkleinernden
Blumen mit den auf winzige Maße herabschwindenden
Blättern als eine Täuschwirkung mit in Rechnung zu
ziehen ist. Thatsächlich aber geben aufmerksame Reisende
übereinstimmend an, dass sie in den grossen, feuchtheis-
sen Urwäldern von Blüten wenig Eindruck empfangen
haben; die meisten Arten haben unansehnliche, grünliche
oder weisse Blüten, und grosse Massen auffälliger Blu-
men sind selten, obgleich immerhin einzelne Arten von
Bäumen und Sträuchern in glänzenden Farben prangen,
noch mehr die Lianen oder einzelne Epiphyten (siehe
oben S. 60). Um so mehr Gewicht wird auf die Aus-
bildung grosser Früchte gelegt, welche oft mit den Blu-
men in gar keinem richtigen Verhältnis zu stehen schei-
nen, welche aber auch längst nicht alle schon in einer
Vegetationsperiode reifen. Die Palme Lodoicea Sechella-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.