eines Landes wird erkannt nach dem Systemcha- rakter, die Vegetation nach den biologischen Merkmalen seiner Bürger; die Geselligkeit be- stimmter Arten mit bestimmten biologischen Er- scheinungen ist maßgebend für die Landesphy- siognomie und findet ihren wissenschaftlichen Ausdruck in den Formationen. Die Geselligkeit, welche für die Bedeckung der Erdoberfläche und seichten Küsten mit dichtem oder lockerem Pflanzenteppich sorgt, ist, insoweit natürliche Einflüsse ihr zu Grunde liegen (besonders in Beeinflussung der biologischen Eigenschaften durch Klima und Bewässerung), ein Vergleichsmoment der Landschaften, welches die sonst parallel laufende Tiergeographie nicht in dieser Weise kennt und welches der Pflanzengeographie eine ungemein tiefer dringende geographische Bedeutung sichert. So allein ist es mög- lich, dass Landschaftsbilder so leicht ihren Ursprung durch Ueberblicke über die Vegetation ungefähr beurteilen lassen, obgleich kaum eine einzige Pflanzenart deutlich "zum Bestimmen" hervortritt.
Die für die Formationen zur Verfügung stehen- den Hauptcharaktere. Die Wichtigkeit dessen, was für die Pflanzengeographie die Lehre von den Vegetations- formationen zu bedeuten hat, und die Begründung des in ihnen liegenden eigenen Einteilungsprinzipes wird sich aus dem Vorhergehenden ergeben haben; es handelt sich jetzt darum, zu prüfen, welche Charaktere botanischer und geographischer Art sich benutzen lassen, um den Pflanzenteppich der Erde nach Formationen wissenschaft- lich zu gliedern, und welchen Rang diese Charaktere etwa in gegenseitiger Abschätzung ihres Wertes ein- nehmen. Fünf Hauptpunkte, welche als Maßstab an jede einzelne Pflanzenart hinsichtlich deren Bedeutung für die Vegetationsformationen angelegt werden können, ergeben sich hier, nämlich a) der Grad der Häufigkeit, in welchem sie auftritt; b) die Wachstumsform, unter welcher sie im Anschluss an die Jahresperiode im erwachsenen Zustande sich zeigt, und welche zugleich ihr Aussehen im Land-
Grundlage der Pflanzenphysiognomik.
eines Landes wird erkannt nach dem Systemcha- rakter, die Vegetation nach den biologischen Merkmalen seiner Bürger; die Geselligkeit be- stimmter Arten mit bestimmten biologischen Er- scheinungen ist maßgebend für die Landesphy- siognomie und findet ihren wissenschaftlichen Ausdruck in den Formationen. Die Geselligkeit, welche für die Bedeckung der Erdoberfläche und seichten Küsten mit dichtem oder lockerem Pflanzenteppich sorgt, ist, insoweit natürliche Einflüsse ihr zu Grunde liegen (besonders in Beeinflussung der biologischen Eigenschaften durch Klima und Bewässerung), ein Vergleichsmoment der Landschaften, welches die sonst parallel laufende Tiergeographie nicht in dieser Weise kennt und welches der Pflanzengeographie eine ungemein tiefer dringende geographische Bedeutung sichert. So allein ist es mög- lich, dass Landschaftsbilder so leicht ihren Ursprung durch Ueberblicke über die Vegetation ungefähr beurteilen lassen, obgleich kaum eine einzige Pflanzenart deutlich „zum Bestimmen“ hervortritt.
Die für die Formationen zur Verfügung stehen- den Hauptcharaktere. Die Wichtigkeit dessen, was für die Pflanzengeographie die Lehre von den Vegetations- formationen zu bedeuten hat, und die Begründung des in ihnen liegenden eigenen Einteilungsprinzipes wird sich aus dem Vorhergehenden ergeben haben; es handelt sich jetzt darum, zu prüfen, welche Charaktere botanischer und geographischer Art sich benutzen lassen, um den Pflanzenteppich der Erde nach Formationen wissenschaft- lich zu gliedern, und welchen Rang diese Charaktere etwa in gegenseitiger Abschätzung ihres Wertes ein- nehmen. Fünf Hauptpunkte, welche als Maßstab an jede einzelne Pflanzenart hinsichtlich deren Bedeutung für die Vegetationsformationen angelegt werden können, ergeben sich hier, nämlich a) der Grad der Häufigkeit, in welchem sie auftritt; b) die Wachstumsform, unter welcher sie im Anschluss an die Jahresperiode im erwachsenen Zustande sich zeigt, und welche zugleich ihr Aussehen im Land-
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Grundlage der Pflanzenphysiognomik.
eines Landes wird erkannt nach dem Systemcha-
rakter, die Vegetation nach den biologischen
Merkmalen seiner Bürger; die Geselligkeit be-
stimmter Arten mit bestimmten biologischen Er-
scheinungen ist maßgebend für die Landesphy-
siognomie und findet ihren wissenschaftlichen
Ausdruck in den Formationen. Die Geselligkeit,
welche für die Bedeckung der Erdoberfläche und seichten
Küsten mit dichtem oder lockerem Pflanzenteppich sorgt,
ist, insoweit natürliche Einflüsse ihr zu Grunde liegen
(besonders in Beeinflussung der biologischen Eigenschaften
durch Klima und Bewässerung), ein Vergleichsmoment
der Landschaften, welches die sonst parallel laufende
Tiergeographie nicht in dieser Weise kennt und welches
der Pflanzengeographie eine ungemein tiefer dringende
geographische Bedeutung sichert. So allein ist es mög-
lich, dass Landschaftsbilder so leicht ihren Ursprung
durch Ueberblicke über die Vegetation ungefähr beurteilen
lassen, obgleich kaum eine einzige Pflanzenart deutlich
„zum Bestimmen“ hervortritt.
Die für die Formationen zur Verfügung stehen-
den Hauptcharaktere. Die Wichtigkeit dessen, was für
die Pflanzengeographie die Lehre von den Vegetations-
formationen zu bedeuten hat, und die Begründung des
in ihnen liegenden eigenen Einteilungsprinzipes wird sich
aus dem Vorhergehenden ergeben haben; es handelt sich
jetzt darum, zu prüfen, welche Charaktere botanischer
und geographischer Art sich benutzen lassen, um den
Pflanzenteppich der Erde nach Formationen wissenschaft-
lich zu gliedern, und welchen Rang diese Charaktere
etwa in gegenseitiger Abschätzung ihres Wertes ein-
nehmen. Fünf Hauptpunkte, welche als Maßstab an jede
einzelne Pflanzenart hinsichtlich deren Bedeutung für die
Vegetationsformationen angelegt werden können, ergeben
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sie auftritt; b) die Wachstumsform, unter welcher sie im
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/252>, abgerufen am 31.07.2024.
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