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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Wachstumsverhältnisse der Coniferen.
derum die einzelne ungemischte Art sich zum Herrn der
Vegetationsformation macht. Ob nun gleich die 34 Gat-
tungen mit 350 Arten zählende Gruppe durchaus nicht
zu den besonders umfangreichen im Pflanzenreich gehört,
so ist ihre Bedeutung in dem Vegetationskleide der Erde
und in den Rückbeziehungen der Pflanzenwelt auf den
Menschen doch eine sehr grosse, wenngleich von ganz
überwiegender Bedeutung nur für die borealen Floren
und einige kleine Abschnitte auf der südlichen kälteren
Erdhälfte. Physiognomisch stehen die Coniferen sehr
wohl charakterisiert da: ein schlanker, gerade und auf-
wärts gerichtet sich verjüngender Stamm ist so regel-
mäßig wie die immergrüne, entweder in Nadel- oder in
klein anliegenden Schuppenblättern entwickelte, harzduf-
tende Belaubung. Ausnahmen sind wohl bekannt; die
alten Kiefern erscheinen knorrig gewachsen, der Gingko
hat breite, flache Blätter und wirft wie die Lärche im
Herbste ab; auch stellen sich die Blätter der amerikani-
schen Araucarien sehr anders dar als unsere Tannen-
nadeln, und Dammara-Zweige erinnern an Cycas; aber
der Grundton in dieser kräftigen, eigenartigen Physiog-
nomie bleibt doch erhalten und lässt selbst für Laien
kaum jemals Verwechslungen mit anderen Gehölzen zu;
so dass bei der leichten systematischen Uebersichtlichkeit
der Gruppe, von welcher nur die Gattung Pinus eine
Ausnahme macht, die Geographie von jeher in den Stand
gesetzt worden ist, in den Coniferen wichtige Anhalts-
punkte zur Beurteilung des Florencharakters zu erhalten.
Infolge dieser Verhältnisse sind denn auch die Areale der
meisten Coniferen als Arten sehr wohl bekannt geworden.

Während sie in den winterkalten, genügend mit
periodischen Niederschlägen versehenen Landschaften ein
starkes Uebergewicht bei zunehmenden Schwierigkeiten
des allgemeinen Baumlebens erhalten, scheuen sie die
feuchtheissen Tropen und mischen sich überhaupt niemals
in die unten zu besprechenden Formationen der tropisch-
immergrünen Regenwälder. Es kann daher die von Brown
in den Geographischen Mitteilungen veröffentlichte Karte
mit ihrer nach Ausschluss des tropischen Afrika fast das

Wachstumsverhältnisse der Coniferen.
derum die einzelne ungemischte Art sich zum Herrn der
Vegetationsformation macht. Ob nun gleich die 34 Gat-
tungen mit 350 Arten zählende Gruppe durchaus nicht
zu den besonders umfangreichen im Pflanzenreich gehört,
so ist ihre Bedeutung in dem Vegetationskleide der Erde
und in den Rückbeziehungen der Pflanzenwelt auf den
Menschen doch eine sehr grosse, wenngleich von ganz
überwiegender Bedeutung nur für die borealen Floren
und einige kleine Abschnitte auf der südlichen kälteren
Erdhälfte. Physiognomisch stehen die Coniferen sehr
wohl charakterisiert da: ein schlanker, gerade und auf-
wärts gerichtet sich verjüngender Stamm ist so regel-
mäßig wie die immergrüne, entweder in Nadel- oder in
klein anliegenden Schuppenblättern entwickelte, harzduf-
tende Belaubung. Ausnahmen sind wohl bekannt; die
alten Kiefern erscheinen knorrig gewachsen, der Gingko
hat breite, flache Blätter und wirft wie die Lärche im
Herbste ab; auch stellen sich die Blätter der amerikani-
schen Araucarien sehr anders dar als unsere Tannen-
nadeln, und Dammara-Zweige erinnern an Cycas; aber
der Grundton in dieser kräftigen, eigenartigen Physiog-
nomie bleibt doch erhalten und lässt selbst für Laien
kaum jemals Verwechslungen mit anderen Gehölzen zu;
so dass bei der leichten systematischen Uebersichtlichkeit
der Gruppe, von welcher nur die Gattung Pinus eine
Ausnahme macht, die Geographie von jeher in den Stand
gesetzt worden ist, in den Coniferen wichtige Anhalts-
punkte zur Beurteilung des Florencharakters zu erhalten.
Infolge dieser Verhältnisse sind denn auch die Areale der
meisten Coniferen als Arten sehr wohl bekannt geworden.

Während sie in den winterkalten, genügend mit
periodischen Niederschlägen versehenen Landschaften ein
starkes Uebergewicht bei zunehmenden Schwierigkeiten
des allgemeinen Baumlebens erhalten, scheuen sie die
feuchtheissen Tropen und mischen sich überhaupt niemals
in die unten zu besprechenden Formationen der tropisch-
immergrünen Regenwälder. Es kann daher die von Brown
in den Geographischen Mitteilungen veröffentlichte Karte
mit ihrer nach Ausschluss des tropischen Afrika fast das

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[181/0211] Wachstumsverhältnisse der Coniferen. derum die einzelne ungemischte Art sich zum Herrn der Vegetationsformation macht. Ob nun gleich die 34 Gat- tungen mit 350 Arten zählende Gruppe durchaus nicht zu den besonders umfangreichen im Pflanzenreich gehört, so ist ihre Bedeutung in dem Vegetationskleide der Erde und in den Rückbeziehungen der Pflanzenwelt auf den Menschen doch eine sehr grosse, wenngleich von ganz überwiegender Bedeutung nur für die borealen Floren und einige kleine Abschnitte auf der südlichen kälteren Erdhälfte. Physiognomisch stehen die Coniferen sehr wohl charakterisiert da: ein schlanker, gerade und auf- wärts gerichtet sich verjüngender Stamm ist so regel- mäßig wie die immergrüne, entweder in Nadel- oder in klein anliegenden Schuppenblättern entwickelte, harzduf- tende Belaubung. Ausnahmen sind wohl bekannt; die alten Kiefern erscheinen knorrig gewachsen, der Gingko hat breite, flache Blätter und wirft wie die Lärche im Herbste ab; auch stellen sich die Blätter der amerikani- schen Araucarien sehr anders dar als unsere Tannen- nadeln, und Dammara-Zweige erinnern an Cycas; aber der Grundton in dieser kräftigen, eigenartigen Physiog- nomie bleibt doch erhalten und lässt selbst für Laien kaum jemals Verwechslungen mit anderen Gehölzen zu; so dass bei der leichten systematischen Uebersichtlichkeit der Gruppe, von welcher nur die Gattung Pinus eine Ausnahme macht, die Geographie von jeher in den Stand gesetzt worden ist, in den Coniferen wichtige Anhalts- punkte zur Beurteilung des Florencharakters zu erhalten. Infolge dieser Verhältnisse sind denn auch die Areale der meisten Coniferen als Arten sehr wohl bekannt geworden. Während sie in den winterkalten, genügend mit periodischen Niederschlägen versehenen Landschaften ein starkes Uebergewicht bei zunehmenden Schwierigkeiten des allgemeinen Baumlebens erhalten, scheuen sie die feuchtheissen Tropen und mischen sich überhaupt niemals in die unten zu besprechenden Formationen der tropisch- immergrünen Regenwälder. Es kann daher die von Brown in den Geographischen Mitteilungen veröffentlichte Karte mit ihrer nach Ausschluss des tropischen Afrika fast das

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/211>, abgerufen am 30.04.2024.