Ländergebiete haben, bei Aufrechthaltung ihrer Abge- schlossenheit, eine eigenartige Flora zur Entwickelung gebracht; die beigemischten gleichartigen Züge, welche als Verbindungsglieder fremder Floren auftreten, sind entweder den gleichartigen Ausgängen zu verdanken, welche die Pflanzenwelt in älteren Erdperioden besass, oder der Wanderungsmöglichkeit unter Zuhilfenahme von Verschlagungen aller Art, welche in selteneren Fällen sehr weite geographische Entfernungen überbrückt.
Um diese Grundsätze richtig anzuwenden, vergleicht man zweckmäßig gewisse weite und reich gegliederte, aber geographisch weit entlegene Ländergebiete, in denen man bei ihrer Vielgestaltigkeit des Bodens mit wechseln- der Geneigtheit und Niederschlags-Empfänglichkeit nicht ängstlich zu fragen braucht, ob wirklich die äusseren klimatischen Bedingungen gleichartig sind und früher gewesen sind. Solche Länder sind z. B. Mexiko bis zum tropischen Centralamerika hin, der Orient von Griechen- land bis Turkestan und zu den indischen Grenzgebirgen, endlich Australien mit Ausschluss des eigentlichen Tropen- anteils; alle diese 3 Länder vermitteln in wechselnder Gestaltung zwischen dürren Steppen oder Wüsten und reichen Tropengebieten. Aber nach Hemsleys Zusammen- stellungen sind von 1100 Gattungen der höheren Gewächse des Orients weniger als 400, und von den zugehörigen 9500 Arten des Orients weniger als 350 überhaupt in Amerika. Sind in diesen beiden Vergleichsgebieten wenigstens noch die meisten Ordnungen der Mono- und Dikotylen die gleichen, so wird der Unterschied noch stärker beim Vergleich mit Australien: 50 mexikanische Ordnungen fehlen daselbst. Die absoluten Verschieden- heiten in der Flora steigern sich natürlich mit dem Grade der nicht gemeinsam vorhandenen Sippen; die höchsten Verschiedenheiten drücken sich aus im ungleichen Auf- treten der Mehrzahl von Ordnungen, deren Verschieden- heit an sich schon die Möglichkeit gleicher Gattungen und Arten ausschliesst; dann folgt die besonders in den Gattungen liegende Verschiedenheit bei einer Hauptsumme gleicher Ordnungen; der geringste Grad eigenartiger
Geographische Isolierung der Sippen.
Ländergebiete haben, bei Aufrechthaltung ihrer Abge- schlossenheit, eine eigenartige Flora zur Entwickelung gebracht; die beigemischten gleichartigen Züge, welche als Verbindungsglieder fremder Floren auftreten, sind entweder den gleichartigen Ausgängen zu verdanken, welche die Pflanzenwelt in älteren Erdperioden besass, oder der Wanderungsmöglichkeit unter Zuhilfenahme von Verschlagungen aller Art, welche in selteneren Fällen sehr weite geographische Entfernungen überbrückt.
Um diese Grundsätze richtig anzuwenden, vergleicht man zweckmäßig gewisse weite und reich gegliederte, aber geographisch weit entlegene Ländergebiete, in denen man bei ihrer Vielgestaltigkeit des Bodens mit wechseln- der Geneigtheit und Niederschlags-Empfänglichkeit nicht ängstlich zu fragen braucht, ob wirklich die äusseren klimatischen Bedingungen gleichartig sind und früher gewesen sind. Solche Länder sind z. B. Mexiko bis zum tropischen Centralamerika hin, der Orient von Griechen- land bis Turkestan und zu den indischen Grenzgebirgen, endlich Australien mit Ausschluss des eigentlichen Tropen- anteils; alle diese 3 Länder vermitteln in wechselnder Gestaltung zwischen dürren Steppen oder Wüsten und reichen Tropengebieten. Aber nach Hemsleys Zusammen- stellungen sind von 1100 Gattungen der höheren Gewächse des Orients weniger als 400, und von den zugehörigen 9500 Arten des Orients weniger als 350 überhaupt in Amerika. Sind in diesen beiden Vergleichsgebieten wenigstens noch die meisten Ordnungen der Mono- und Dikotylen die gleichen, so wird der Unterschied noch stärker beim Vergleich mit Australien: 50 mexikanische Ordnungen fehlen daselbst. Die absoluten Verschieden- heiten in der Flora steigern sich natürlich mit dem Grade der nicht gemeinsam vorhandenen Sippen; die höchsten Verschiedenheiten drücken sich aus im ungleichen Auf- treten der Mehrzahl von Ordnungen, deren Verschieden- heit an sich schon die Möglichkeit gleicher Gattungen und Arten ausschliesst; dann folgt die besonders in den Gattungen liegende Verschiedenheit bei einer Hauptsumme gleicher Ordnungen; der geringste Grad eigenartiger
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[116/0138]
Geographische Isolierung der Sippen.
Ländergebiete haben, bei Aufrechthaltung ihrer Abge-
schlossenheit, eine eigenartige Flora zur Entwickelung
gebracht; die beigemischten gleichartigen Züge, welche
als Verbindungsglieder fremder Floren auftreten, sind
entweder den gleichartigen Ausgängen zu verdanken,
welche die Pflanzenwelt in älteren Erdperioden besass,
oder der Wanderungsmöglichkeit unter Zuhilfenahme von
Verschlagungen aller Art, welche in selteneren Fällen
sehr weite geographische Entfernungen überbrückt.
Um diese Grundsätze richtig anzuwenden, vergleicht
man zweckmäßig gewisse weite und reich gegliederte,
aber geographisch weit entlegene Ländergebiete, in denen
man bei ihrer Vielgestaltigkeit des Bodens mit wechseln-
der Geneigtheit und Niederschlags-Empfänglichkeit nicht
ängstlich zu fragen braucht, ob wirklich die äusseren
klimatischen Bedingungen gleichartig sind und früher
gewesen sind. Solche Länder sind z. B. Mexiko bis zum
tropischen Centralamerika hin, der Orient von Griechen-
land bis Turkestan und zu den indischen Grenzgebirgen,
endlich Australien mit Ausschluss des eigentlichen Tropen-
anteils; alle diese 3 Länder vermitteln in wechselnder
Gestaltung zwischen dürren Steppen oder Wüsten und
reichen Tropengebieten. Aber nach Hemsleys Zusammen-
stellungen sind von 1100 Gattungen der höheren Gewächse
des Orients weniger als 400, und von den zugehörigen
9500 Arten des Orients weniger als 350 überhaupt in
Amerika. Sind in diesen beiden Vergleichsgebieten
wenigstens noch die meisten Ordnungen der Mono- und
Dikotylen die gleichen, so wird der Unterschied noch
stärker beim Vergleich mit Australien: 50 mexikanische
Ordnungen fehlen daselbst. Die absoluten Verschieden-
heiten in der Flora steigern sich natürlich mit dem Grade
der nicht gemeinsam vorhandenen Sippen; die höchsten
Verschiedenheiten drücken sich aus im ungleichen Auf-
treten der Mehrzahl von Ordnungen, deren Verschieden-
heit an sich schon die Möglichkeit gleicher Gattungen
und Arten ausschliesst; dann folgt die besonders in den
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/138>, abgerufen am 24.11.2024.
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