Beilager gehalten werden, welches der König zugleich als das Fest der Vereinigung aller Hellenen und als die gemeinsame Weihe für den Perserkrieg mit der höchsten Pracht zu feiern beschloß, damit die Völker staunend erkennten, er sei der Held, den die Götter zum siegreichen Kriege gegen das Morgenland erkoren hätten; denn das Orakel hatte ihm geantwortet: "Siehe der Stier ist gekränzt; nun endet's; bereit ist der Opfrer." Philipp stand in der Scheitelhöhe seines Glückes; er vergaß, daß keines Menschen Leben bis an das Ziel seiner Wünsche reicht, und daß, sobald das letzte Warum, das Mysterium des Daseins, offen- bar wird, der Staub dem Staube verfallen ist.
Unter den Leibwächtern des Königs war Pausanias, aus der Landschaft Orestis, ausgezeichnet durch seine Schönheit und des Königs hohe Gunst; er hatte, da er noch Edelknabe war, Enteh- rendes von Attalus erlitten, er verlangte Rache an dem Schänder seiner Ehre zu nehmen; nicht ohne Lächeln hatte der König des entrüsteten Knaben Klage gehört, ihn reich beschenkt, ihn in die Schaar seiner Leibwächter aufgenommen, vor allen andern ihn hoch geehrt, aber ihn nicht gerächt. Darauf vermählte sich Philipp mit Attalus Nichte, Attalus mit Parmenions Tochter; Pausanias sah keine Hoffnung sich zu rächen; desto tiefer nagte der Gram und das Verlangen nach Rache und der Haß gegen den, der ihn um sie betrogen. In seinem Hasse war er nicht allein; die Lynkesti- schen Brüder hatten nicht vergessen, was ihr Vater, was ihr Bru- der gewesen war; ohne besondere Auszeichnung an Philipps Hofe knüpften sie geheime Verbindung mit dem Perserkönige an, und wa- ren um desto gefährlicher, je weniger sie es schienen 34). Im Stillen fanden sich mehr und mehr Unzufriedene zusammen, Her- mokrates der Sophist schürte die Gluth mit der argen Kunst seiner Rede; er gewann Pausanias Vertrauen. "Wie erlangt man den höchsten Ruhm?" fragte der Jüngling. ""Ermorde den, der das Höchste vollbracht hat,"" war des Sophisten Antwort 34a).
34)Arrian II. 14. I. 25.
34a) Nach Diod. XVI. 94. und Val. Maxim. VIII. 14. Plutarch erzählt die Anekdote in Beziehung auf Alexander; cf. Arist. Polit. p. 1311. b. 1. ed. Beck.
Beilager gehalten werden, welches der König zugleich als das Feſt der Vereinigung aller Hellenen und als die gemeinſame Weihe für den Perſerkrieg mit der höchſten Pracht zu feiern beſchloß, damit die Völker ſtaunend erkennten, er ſei der Held, den die Götter zum ſiegreichen Kriege gegen das Morgenland erkoren hätten; denn das Orakel hatte ihm geantwortet: „Siehe der Stier iſt gekränzt; nun endet’s; bereit iſt der Opfrer.“ Philipp ſtand in der Scheitelhöhe ſeines Glückes; er vergaß, daß keines Menſchen Leben bis an das Ziel ſeiner Wünſche reicht, und daß, ſobald das letzte Warum, das Myſterium des Daſeins, offen- bar wird, der Staub dem Staube verfallen iſt.
Unter den Leibwächtern des Königs war Pauſanias, aus der Landſchaft Oreſtis, ausgezeichnet durch ſeine Schönheit und des Königs hohe Gunſt; er hatte, da er noch Edelknabe war, Enteh- rendes von Attalus erlitten, er verlangte Rache an dem Schänder ſeiner Ehre zu nehmen; nicht ohne Lächeln hatte der König des entrüſteten Knaben Klage gehört, ihn reich beſchenkt, ihn in die Schaar ſeiner Leibwächter aufgenommen, vor allen andern ihn hoch geehrt, aber ihn nicht gerächt. Darauf vermählte ſich Philipp mit Attalus Nichte, Attalus mit Parmenions Tochter; Pauſanias ſah keine Hoffnung ſich zu rächen; deſto tiefer nagte der Gram und das Verlangen nach Rache und der Haß gegen den, der ihn um ſie betrogen. In ſeinem Haſſe war er nicht allein; die Lynkeſti- ſchen Brüder hatten nicht vergeſſen, was ihr Vater, was ihr Bru- der geweſen war; ohne beſondere Auszeichnung an Philipps Hofe knüpften ſie geheime Verbindung mit dem Perſerkönige an, und wa- ren um deſto gefährlicher, je weniger ſie es ſchienen 34). Im Stillen fanden ſich mehr und mehr Unzufriedene zuſammen, Her- mokrates der Sophiſt ſchürte die Gluth mit der argen Kunſt ſeiner Rede; er gewann Pauſanias Vertrauen. „Wie erlangt man den höchſten Ruhm?“ fragte der Jüngling. „„Ermorde den, der das Höchſte vollbracht hat,““ war des Sophiſten Antwort 34a).
34)Arrian II. 14. I. 25.
34a) Nach Diod. XVI. 94. und Val. Maxim. VIII. 14. Plutarch erzählt die Anekdote in Beziehung auf Alexander; cf. Arist. Polit. p. 1311. b. 1. ed. Beck.
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die Völker ſtaunend erkennten, er ſei der Held, den die Götter zum
ſiegreichen Kriege gegen das Morgenland erkoren hätten; denn das
Orakel hatte ihm geantwortet:
„Siehe der Stier iſt gekränzt; nun endet’s; bereit iſt der
Opfrer.“
Philipp ſtand in der Scheitelhöhe ſeines Glückes; er vergaß, daß
keines Menſchen Leben bis an das Ziel ſeiner Wünſche reicht, und
daß, ſobald das letzte Warum, das Myſterium des Daſeins, offen-
bar wird, der Staub dem Staube verfallen iſt.
Unter den Leibwächtern des Königs war Pauſanias, aus der
Landſchaft Oreſtis, ausgezeichnet durch ſeine Schönheit und des
Königs hohe Gunſt; er hatte, da er noch Edelknabe war, Enteh-
rendes von Attalus erlitten, er verlangte Rache an dem Schänder
ſeiner Ehre zu nehmen; nicht ohne Lächeln hatte der König des
entrüſteten Knaben Klage gehört, ihn reich beſchenkt, ihn in die
Schaar ſeiner Leibwächter aufgenommen, vor allen andern ihn hoch
geehrt, aber ihn nicht gerächt. Darauf vermählte ſich Philipp mit
Attalus Nichte, Attalus mit Parmenions Tochter; Pauſanias ſah
keine Hoffnung ſich zu rächen; deſto tiefer nagte der Gram und
das Verlangen nach Rache und der Haß gegen den, der ihn um
ſie betrogen. In ſeinem Haſſe war er nicht allein; die Lynkeſti-
ſchen Brüder hatten nicht vergeſſen, was ihr Vater, was ihr Bru-
der geweſen war; ohne beſondere Auszeichnung an Philipps Hofe
knüpften ſie geheime Verbindung mit dem Perſerkönige an, und wa-
ren um deſto gefährlicher, je weniger ſie es ſchienen 34). Im
Stillen fanden ſich mehr und mehr Unzufriedene zuſammen, Her-
mokrates der Sophiſt ſchürte die Gluth mit der argen Kunſt ſeiner
Rede; er gewann Pauſanias Vertrauen. „Wie erlangt man den
höchſten Ruhm?“ fragte der Jüngling. „„Ermorde den, der das
Höchſte vollbracht hat,““ war des Sophiſten Antwort 34a).
34) Arrian II. 14. I. 25.
34a) Nach Diod. XVI. 94. und
Val. Maxim. VIII. 14. Plutarch erzählt die Anekdote in Beziehung
auf Alexander; cf. Arist. Polit. p. 1311. b. 1. ed. Beck.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/66>, abgerufen am 23.11.2024.
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