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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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diesem die Listen aller verwendeten Summen und der betheilig-
ten Namen ein; Demosthenes war unter diesen nicht 81). Ent-
weder im Gefühl seiner Unschuld, oder um desto sicherer zu sein,
beeilte er sich, dem Volke ein Dekret in Vorschlag zu bringen,
des Inhaltes: daß auf das Strengste untersucht werden sollte,
wer Geld vom Harpalus empfangen, daß dem Areopag Voll-
macht zu allen Nachforschungen gegeben werden, daß die schuldig
Befundenen mit dem Tode bestraft werden sollten. So begann
jene merkwürdige Reihe Harpalischer Prozesse, in denen die be-
rühmtesten Namen des damaligen Athen verwickelt waren. Sechs
Monate währten die Nachforschungen und Haussuchungen des
Areopag, auch Demosthenes Name wurde in den überreichen Ka-
talog der Schuldigen eingetragen; mochten die Beweise seiner
Schuld nicht unwiderleglich und das Verfahren gegen ihn über-
haupt zu summarisch sein 82), jedenfalls hatte er keine Rechen-
schaft über die unter seiner Obhut deponirten Gelder abgelegt.
Dann wurde ein Heliastengericht von tausendfünfhundert Ge-
schworenen niedergesetzt; als Kläger traten Pytheas, Hyperides,
Mnesächmus, Himeräus und Stratokles auf 83); nach dem Ge-

81) Pausanias in der oben erwähnten Stelle glaubt hierin
den sichersten Beweis für Demosthenes Unschuld zu finden; Mög-
lichkeiten, wie Beides vereinbar, z. B. daß der Sklav nur bei Har-
palus erstem Versuch um ihn gewesen und nachher in Tänarum bei
den Schätzen geblieben sei, will ich nicht weiter aufzählen. Auf
diesen Sklaven bezieht sich Dinarch, wenn er (p. 165.) "von den
Sklaven, die jetzt zu Alexander hinaufgebracht sind", spricht.
82) So wird in dem zweiten der angeblich Demosthenischen Briefe
behauptet (p. 636.); gegen seine Aechtheit spricht ein kleiner Irr-
thum, den Demosthenes selbst nicht hätte niederschreiben können;
er sagt: "sein Unglück sei gewesen, daß er als der erste aufgetre-
ten sei; und was habe er denn ungesagt gelassen, was doch, von
den Späteren vorgebracht, zu ihrer Rettung hingereicht". Daß vor
ihm schon mehrere gerichtet, bezeugt Dinarch p. 170. und nach
ihm wurde Demades (Dinarch. p. 182.) und Aristogiton (Dinarch.
p.
184.) verurtheilt.
83) Plutarch X Orat. Dem.; statt die-
ses Stratokles, auf den sich Dinarch in seinen Reden mehrere Male

dieſem die Liſten aller verwendeten Summen und der betheilig-
ten Namen ein; Demoſthenes war unter dieſen nicht 81). Ent-
weder im Gefuͤhl ſeiner Unſchuld, oder um deſto ſicherer zu ſein,
beeilte er ſich, dem Volke ein Dekret in Vorſchlag zu bringen,
des Inhaltes: daß auf das Strengſte unterſucht werden ſollte,
wer Geld vom Harpalus empfangen, daß dem Areopag Voll-
macht zu allen Nachforſchungen gegeben werden, daß die ſchuldig
Befundenen mit dem Tode beſtraft werden ſollten. So begann
jene merkwuͤrdige Reihe Harpaliſcher Prozeſſe, in denen die be-
ruͤhmteſten Namen des damaligen Athen verwickelt waren. Sechs
Monate waͤhrten die Nachforſchungen und Hausſuchungen des
Areopag, auch Demoſthenes Name wurde in den uͤberreichen Ka-
talog der Schuldigen eingetragen; mochten die Beweiſe ſeiner
Schuld nicht unwiderleglich und das Verfahren gegen ihn uͤber-
haupt zu ſummariſch ſein 82), jedenfalls hatte er keine Rechen-
ſchaft uͤber die unter ſeiner Obhut deponirten Gelder abgelegt.
Dann wurde ein Heliaſtengericht von tauſendfuͤnfhundert Ge-
ſchworenen niedergeſetzt; als Klaͤger traten Pytheas, Hyperides,
Mneſaͤchmus, Himeraͤus und Stratokles auf 83); nach dem Ge-

81) Pauſanias in der oben erwaͤhnten Stelle glaubt hierin
den ſicherſten Beweis fuͤr Demoſthenes Unſchuld zu finden; Moͤg-
lichkeiten, wie Beides vereinbar, z. B. daß der Sklav nur bei Har-
palus erſtem Verſuch um ihn geweſen und nachher in Taͤnarum bei
den Schaͤtzen geblieben ſei, will ich nicht weiter aufzaͤhlen. Auf
dieſen Sklaven bezieht ſich Dinarch, wenn er (p. 165.) „von den
Sklaven, die jetzt zu Alexander hinaufgebracht ſind“, ſpricht.
82) So wird in dem zweiten der angeblich Demoſtheniſchen Briefe
behauptet (p. 636.); gegen ſeine Aechtheit ſpricht ein kleiner Irr-
thum, den Demoſthenes ſelbſt nicht haͤtte niederſchreiben koͤnnen;
er ſagt: „ſein Ungluͤck ſei geweſen, daß er als der erſte aufgetre-
ten ſei; und was habe er denn ungeſagt gelaſſen, was doch, von
den Spaͤteren vorgebracht, zu ihrer Rettung hingereicht“. Daß vor
ihm ſchon mehrere gerichtet, bezeugt Dinarch p. 170. und nach
ihm wurde Demades (Dinarch. p. 182.) und Ariſtogiton (Dinarch.
p.
184.) verurtheilt.
83) Plutarch X Orat. Dem.; ſtatt die-
ſes Stratokles, auf den ſich Dinarch in ſeinen Reden mehrere Male
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[533/0547] dieſem die Liſten aller verwendeten Summen und der betheilig- ten Namen ein; Demoſthenes war unter dieſen nicht 81). Ent- weder im Gefuͤhl ſeiner Unſchuld, oder um deſto ſicherer zu ſein, beeilte er ſich, dem Volke ein Dekret in Vorſchlag zu bringen, des Inhaltes: daß auf das Strengſte unterſucht werden ſollte, wer Geld vom Harpalus empfangen, daß dem Areopag Voll- macht zu allen Nachforſchungen gegeben werden, daß die ſchuldig Befundenen mit dem Tode beſtraft werden ſollten. So begann jene merkwuͤrdige Reihe Harpaliſcher Prozeſſe, in denen die be- ruͤhmteſten Namen des damaligen Athen verwickelt waren. Sechs Monate waͤhrten die Nachforſchungen und Hausſuchungen des Areopag, auch Demoſthenes Name wurde in den uͤberreichen Ka- talog der Schuldigen eingetragen; mochten die Beweiſe ſeiner Schuld nicht unwiderleglich und das Verfahren gegen ihn uͤber- haupt zu ſummariſch ſein 82), jedenfalls hatte er keine Rechen- ſchaft uͤber die unter ſeiner Obhut deponirten Gelder abgelegt. Dann wurde ein Heliaſtengericht von tauſendfuͤnfhundert Ge- ſchworenen niedergeſetzt; als Klaͤger traten Pytheas, Hyperides, Mneſaͤchmus, Himeraͤus und Stratokles auf 83); nach dem Ge- 81) Pauſanias in der oben erwaͤhnten Stelle glaubt hierin den ſicherſten Beweis fuͤr Demoſthenes Unſchuld zu finden; Moͤg- lichkeiten, wie Beides vereinbar, z. B. daß der Sklav nur bei Har- palus erſtem Verſuch um ihn geweſen und nachher in Taͤnarum bei den Schaͤtzen geblieben ſei, will ich nicht weiter aufzaͤhlen. Auf dieſen Sklaven bezieht ſich Dinarch, wenn er (p. 165.) „von den Sklaven, die jetzt zu Alexander hinaufgebracht ſind“, ſpricht. 82) So wird in dem zweiten der angeblich Demoſtheniſchen Briefe behauptet (p. 636.); gegen ſeine Aechtheit ſpricht ein kleiner Irr- thum, den Demoſthenes ſelbſt nicht haͤtte niederſchreiben koͤnnen; er ſagt: „ſein Ungluͤck ſei geweſen, daß er als der erſte aufgetre- ten ſei; und was habe er denn ungeſagt gelaſſen, was doch, von den Spaͤteren vorgebracht, zu ihrer Rettung hingereicht“. Daß vor ihm ſchon mehrere gerichtet, bezeugt Dinarch p. 170. und nach ihm wurde Demades (Dinarch. p. 182.) und Ariſtogiton (Dinarch. p. 184.) verurtheilt. 83) Plutarch X Orat. Dem.; ſtatt die- ſes Stratokles, auf den ſich Dinarch in ſeinen Reden mehrere Male

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/547>, abgerufen am 04.05.2024.