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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sprechen, die Getreuen wachten vor seinem Schloß, sie vollstreckten
seine Befehle, die Rädelsführer des Aufruhrs im Tigris zu er-
tränken 50). So den ersten, so den zweiten Tag. Indeß hatte
in dem Lager der Macedonier die Verwirrung einen gefährlichen
Grad erreicht; schnell und furchtbar zeigten sich die Folgen der
Meuterei und des Unglücks, das sinnlos Geforderte im Uebermaaß
erreicht zu haben; ihrem Schicksale und ihrer Schande überlassen,
ohnmächtig und haltungslos, da ihnen nicht widerstanden worden,
ohne Entschluß zu wollen, ohne Kraft zu handeln, ohne Recht
und Hoffnung, was konnten sie beginnen, wenn sie nicht Hunger
oder Verzweiflung zur offenbaren Gewalt trieb 51). -- Alexan-
der mußte sich vor einem Aeußersten schützen; zugleich wollte er
einen letzten und freilich gewagtesten Versuch machen, die Mace-
donier zur Reue zu bringen und vollkommen zu demüthigen; zu
dem Ende beschloß er, sich ganz den Asiatischen Truppen anzuver-
trauen, sie nach dem Gebrauch des Macedonischen Heeres zu ord-
nen, sie mit allen Ehren, die einst die Macedonier gehabt hatten,
auszuzeichnen; er durfte hoffen, daß diese Maaßregel auf die Ma-
cedonier den tiefsten Eindruck hervorbringen müßte, und daß, wenn
sie so das letzte Band zwischen sich und dem Könige zerrissen sä-
hen, sie entweder reuig um Vergebung flehen, oder bis zur Wuth
empört zu den Waffen greifen würden; er war gewiß, daß er
dann an der Spitze seiner kampfbegierigen Epigonen über den
führerlosen Haufen den Sieg davon tragen würde; die Ergeben-

50) Curtius X. 4. 2.
51) Dieses ohne speciellere Ueber-
lieferungen; was das Heer in den drei traurigen Tagen gethan,
wird von Niemand angegeben; nur Diodor XVII. 109. sagt: in-
dem sich der Hader sehr vermehrte. Uebrigens hatten offenbar
alle Macedonischen Truppen bis auf einen Theil der Hypaspisten
(Arrian VII. 8. 6.) und selbst die Mehrzahl der Offiziere, mit Aus-
schluß der nächsten Umgebung des Königs, (Arrian VII. 11. 4.) an
der Meuterei Antheil. Der Aufstand scheint in den Denkwürdig-
keiten der Generale, die nach Alexanders Tode ein Interesse hat-
ten, diesen Schandfleck in der Geschichte des Macedonischen Hec-
res möglichst zu verdecken, nicht ohne vielfache Milderung und
Beschönigung berichtet gewesen zu sein.

ſprechen, die Getreuen wachten vor ſeinem Schloß, ſie vollſtreckten
ſeine Befehle, die Raͤdelsfuͤhrer des Aufruhrs im Tigris zu er-
traͤnken 50). So den erſten, ſo den zweiten Tag. Indeß hatte
in dem Lager der Macedonier die Verwirrung einen gefaͤhrlichen
Grad erreicht; ſchnell und furchtbar zeigten ſich die Folgen der
Meuterei und des Ungluͤcks, das ſinnlos Geforderte im Uebermaaß
erreicht zu haben; ihrem Schickſale und ihrer Schande uͤberlaſſen,
ohnmaͤchtig und haltungslos, da ihnen nicht widerſtanden worden,
ohne Entſchluß zu wollen, ohne Kraft zu handeln, ohne Recht
und Hoffnung, was konnten ſie beginnen, wenn ſie nicht Hunger
oder Verzweiflung zur offenbaren Gewalt trieb 51). — Alexan-
der mußte ſich vor einem Aeußerſten ſchuͤtzen; zugleich wollte er
einen letzten und freilich gewagteſten Verſuch machen, die Mace-
donier zur Reue zu bringen und vollkommen zu demuͤthigen; zu
dem Ende beſchloß er, ſich ganz den Aſiatiſchen Truppen anzuver-
trauen, ſie nach dem Gebrauch des Macedoniſchen Heeres zu ord-
nen, ſie mit allen Ehren, die einſt die Macedonier gehabt hatten,
auszuzeichnen; er durfte hoffen, daß dieſe Maaßregel auf die Ma-
cedonier den tiefſten Eindruck hervorbringen muͤßte, und daß, wenn
ſie ſo das letzte Band zwiſchen ſich und dem Koͤnige zerriſſen ſaͤ-
hen, ſie entweder reuig um Vergebung flehen, oder bis zur Wuth
empoͤrt zu den Waffen greifen wuͤrden; er war gewiß, daß er
dann an der Spitze ſeiner kampfbegierigen Epigonen uͤber den
fuͤhrerloſen Haufen den Sieg davon tragen wuͤrde; die Ergeben-

50) Curtius X. 4. 2.
51) Dieſes ohne ſpeciellere Ueber-
lieferungen; was das Heer in den drei traurigen Tagen gethan,
wird von Niemand angegeben; nur Diodor XVII. 109. ſagt: in-
dem ſich der Hader ſehr vermehrte. Uebrigens hatten offenbar
alle Macedoniſchen Truppen bis auf einen Theil der Hypaspiſten
(Arrian VII. 8. 6.) und ſelbſt die Mehrzahl der Offiziere, mit Aus-
ſchluß der naͤchſten Umgebung des Koͤnigs, (Arrian VII. 11. 4.) an
der Meuterei Antheil. Der Aufſtand ſcheint in den Denkwuͤrdig-
keiten der Generale, die nach Alexanders Tode ein Intereſſe hat-
ten, dieſen Schandfleck in der Geſchichte des Macedoniſchen Hec-
res moͤglichſt zu verdecken, nicht ohne vielfache Milderung und
Beſchoͤnigung berichtet geweſen zu ſein.
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[514/0528] ſprechen, die Getreuen wachten vor ſeinem Schloß, ſie vollſtreckten ſeine Befehle, die Raͤdelsfuͤhrer des Aufruhrs im Tigris zu er- traͤnken 50). So den erſten, ſo den zweiten Tag. Indeß hatte in dem Lager der Macedonier die Verwirrung einen gefaͤhrlichen Grad erreicht; ſchnell und furchtbar zeigten ſich die Folgen der Meuterei und des Ungluͤcks, das ſinnlos Geforderte im Uebermaaß erreicht zu haben; ihrem Schickſale und ihrer Schande uͤberlaſſen, ohnmaͤchtig und haltungslos, da ihnen nicht widerſtanden worden, ohne Entſchluß zu wollen, ohne Kraft zu handeln, ohne Recht und Hoffnung, was konnten ſie beginnen, wenn ſie nicht Hunger oder Verzweiflung zur offenbaren Gewalt trieb 51). — Alexan- der mußte ſich vor einem Aeußerſten ſchuͤtzen; zugleich wollte er einen letzten und freilich gewagteſten Verſuch machen, die Mace- donier zur Reue zu bringen und vollkommen zu demuͤthigen; zu dem Ende beſchloß er, ſich ganz den Aſiatiſchen Truppen anzuver- trauen, ſie nach dem Gebrauch des Macedoniſchen Heeres zu ord- nen, ſie mit allen Ehren, die einſt die Macedonier gehabt hatten, auszuzeichnen; er durfte hoffen, daß dieſe Maaßregel auf die Ma- cedonier den tiefſten Eindruck hervorbringen muͤßte, und daß, wenn ſie ſo das letzte Band zwiſchen ſich und dem Koͤnige zerriſſen ſaͤ- hen, ſie entweder reuig um Vergebung flehen, oder bis zur Wuth empoͤrt zu den Waffen greifen wuͤrden; er war gewiß, daß er dann an der Spitze ſeiner kampfbegierigen Epigonen uͤber den fuͤhrerloſen Haufen den Sieg davon tragen wuͤrde; die Ergeben- 50) Curtius X. 4. 2. 51) Dieſes ohne ſpeciellere Ueber- lieferungen; was das Heer in den drei traurigen Tagen gethan, wird von Niemand angegeben; nur Diodor XVII. 109. ſagt: in- dem ſich der Hader ſehr vermehrte. Uebrigens hatten offenbar alle Macedoniſchen Truppen bis auf einen Theil der Hypaspiſten (Arrian VII. 8. 6.) und ſelbſt die Mehrzahl der Offiziere, mit Aus- ſchluß der naͤchſten Umgebung des Koͤnigs, (Arrian VII. 11. 4.) an der Meuterei Antheil. Der Aufſtand ſcheint in den Denkwuͤrdig- keiten der Generale, die nach Alexanders Tode ein Intereſſe hat- ten, dieſen Schandfleck in der Geſchichte des Macedoniſchen Hec- res moͤglichſt zu verdecken, nicht ohne vielfache Milderung und Beſchoͤnigung berichtet geweſen zu ſein.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/528>, abgerufen am 22.11.2024.