Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

ein Mandat erlassen, daß Niemand ihm einen goldenen Ehren-
kranz weihen dürfe, ohne zugleich der Maitresse, daß man vor ihr
anbeten, sie mit dem Namen Königin begrüßen solle, kurz alle
Ehre, die nur der Königin Mutter oder der Gemahlin Alexan-
ders gebühren würde, vergeude der Großmeister vom Schatzamt
an die Attische Dirne 29)." Diese und ähnliche Berichte waren
an den König gekommen; er hatte sie anfangs für unglaublich
oder übertrieben gehalten, überzeugt, daß Harpalus nicht auf so
wahnsinnige Weise die schon einmal verscherzte Gnade seines Ge-
bieters aufs Spiel setzen werde 30); bald genug bestätigte Har-
palus selbst alle jene Beschuldigungen durch seine Flucht. Er hatte
sich darauf verlassen, daß Alexander nie zurückkehren werde; jetzt
sah er das strenge Gericht des Königs gegen die, welche sich durch
denselben Irrthum hatten verführen lassen; er verzweifelte daran,
Verzeihung bei seinem Herrn zu erlangen. Deshalb raffte er alles
an Schätzen, was er konnte, es war die ungeheuere Summe von
fünftausend Talenten, zusammen, warb sich sech[s]tausend Söldner,
zog von diesen begleitet, mit seiner Glycera und dem Töchterchen,
das ihm Pythionice geboren hatte 31), durch Kleinasien an das Ae-
gäische Meer hinab, und schiffte sich auf dreißig Schiffen ein, um
nach Attika überzusetzen; Ehrenbürger von Athen, mit den ange-
sehensten Männern der Stadt befreundet und durch reiche Getrei-
despenden bei dem Volke sehr beliebt, zweifelte er nicht mit sei-

29) Athen XIII. p. 586 und 595.; dieses Sendschreiben heißt
bald e pros Alexandron episole bald pros Al. sumboulai, der
in demselben verklagte Theokrit (Athen VI. p. 230 f.) ist der Rhe-
tor aus Chios, dessen Strabo XIV. p. 183. als politischen Gegner
des Theopomp erwähnt, und der den Vers vom "purpurnen Tode"
so bitter auf Alexander anwendete. Plut. de puer. educ. c. 16. und
Suid. v. Theokritos; cf. Ilgen. scol. Graecorum p. 162. Auch Ari-
stoteles blieb von seinem Spotte nicht verschont, s. das Epigramm
in Eusebius praep. evang. XV. p. 793 a.
30) Darauf bezieht
sich die Angabe Plutarchs, daß Ephialtes und Kissos, welche die
erste Nachricht von Harpalus Flucht brachten, als falsche Angeber
festgenommen wurden; Plut. Alex. 41.
31) Plut. Phocion 22.

ein Mandat erlaſſen, daß Niemand ihm einen goldenen Ehren-
kranz weihen duͤrfe, ohne zugleich der Maitreſſe, daß man vor ihr
anbeten, ſie mit dem Namen Koͤnigin begruͤßen ſolle, kurz alle
Ehre, die nur der Koͤnigin Mutter oder der Gemahlin Alexan-
ders gebuͤhren wuͤrde, vergeude der Großmeiſter vom Schatzamt
an die Attiſche Dirne 29).“ Dieſe und aͤhnliche Berichte waren
an den Koͤnig gekommen; er hatte ſie anfangs fuͤr unglaublich
oder uͤbertrieben gehalten, uͤberzeugt, daß Harpalus nicht auf ſo
wahnſinnige Weiſe die ſchon einmal verſcherzte Gnade ſeines Ge-
bieters aufs Spiel ſetzen werde 30); bald genug beſtaͤtigte Har-
palus ſelbſt alle jene Beſchuldigungen durch ſeine Flucht. Er hatte
ſich darauf verlaſſen, daß Alexander nie zuruͤckkehren werde; jetzt
ſah er das ſtrenge Gericht des Koͤnigs gegen die, welche ſich durch
denſelben Irrthum hatten verfuͤhren laſſen; er verzweifelte daran,
Verzeihung bei ſeinem Herrn zu erlangen. Deshalb raffte er alles
an Schaͤtzen, was er konnte, es war die ungeheuere Summe von
fuͤnftauſend Talenten, zuſammen, warb ſich ſech[s]tauſend Soͤldner,
zog von dieſen begleitet, mit ſeiner Glycera und dem Toͤchterchen,
das ihm Pythionice geboren hatte 31), durch Kleinaſien an das Ae-
gaͤiſche Meer hinab, und ſchiffte ſich auf dreißig Schiffen ein, um
nach Attika uͤberzuſetzen; Ehrenbuͤrger von Athen, mit den ange-
ſehenſten Maͤnnern der Stadt befreundet und durch reiche Getrei-
deſpenden bei dem Volke ſehr beliebt, zweifelte er nicht mit ſei-

29) Athen XIII. p. 586 und 595.; dieſes Sendſchreiben heißt
bald ἠ πρὸς Αλέξανδρον ἐπιςολή bald πρὸς Αλ. συμβουλαὶ, der
in demſelben verklagte Theokrit (Athen VI. p. 230 f.) iſt der Rhe-
tor aus Chios, deſſen Strabo XIV. p. 183. als politiſchen Gegner
des Theopomp erwaͤhnt, und der den Vers vom „purpurnen Tode“
ſo bitter auf Alexander anwendete. Plut. de puer. educ. c. 16. und
Suid. v. Θεόκριτος; cf. Ilgen. scol. Graecorum p. 162. Auch Ari-
ſtoteles blieb von ſeinem Spotte nicht verſchont, ſ. das Epigramm
in Eusebius praep. evang. XV. p. 793 a.
30) Darauf bezieht
ſich die Angabe Plutarchs, daß Ephialtes und Kiſſos, welche die
erſte Nachricht von Harpalus Flucht brachten, als falſche Angeber
feſtgenommen wurden; Plut. Alex. 41.
31) Plut. Phocion 22.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0508" n="494"/>
ein Mandat erla&#x017F;&#x017F;en, daß Niemand ihm einen goldenen Ehren-<lb/>
kranz weihen du&#x0364;rfe, ohne zugleich der Maitre&#x017F;&#x017F;e, daß man vor ihr<lb/>
anbeten, &#x017F;ie mit dem Namen Ko&#x0364;nigin begru&#x0364;ßen &#x017F;olle, kurz alle<lb/>
Ehre, die nur der Ko&#x0364;nigin Mutter oder der Gemahlin Alexan-<lb/>
ders gebu&#x0364;hren wu&#x0364;rde, vergeude der Großmei&#x017F;ter vom Schatzamt<lb/>
an die Atti&#x017F;che Dirne <note place="foot" n="29)"><hi rendition="#aq">Athen XIII. p.</hi> 586 und 595.; die&#x017F;es Send&#x017F;chreiben heißt<lb/>
bald &#x1F20; &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x0391;&#x03BB;&#x03AD;&#x03BE;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B4;&#x03C1;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C2;&#x03BF;&#x03BB;&#x03AE; bald &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x0391;&#x03BB;. &#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BB;&#x03B1;&#x1F76;, der<lb/>
in dem&#x017F;elben verklagte Theokrit (<hi rendition="#aq">Athen VI. p. 230 f.</hi>) i&#x017F;t der Rhe-<lb/>
tor aus Chios, de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Strabo XIV. p.</hi> 183. als politi&#x017F;chen Gegner<lb/>
des Theopomp erwa&#x0364;hnt, und der den Vers vom &#x201E;purpurnen Tode&#x201C;<lb/>
&#x017F;o bitter auf Alexander anwendete. <hi rendition="#aq">Plut. de puer. educ. c.</hi> 16. und<lb/><hi rendition="#aq">Suid. v.</hi> &#x0398;&#x03B5;&#x03CC;&#x03BA;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2;; <hi rendition="#aq">cf. Ilgen. scol. Graecorum p.</hi> 162. Auch Ari-<lb/>
&#x017F;toteles blieb von &#x017F;einem Spotte nicht ver&#x017F;chont, &#x017F;. das Epigramm<lb/>
in <hi rendition="#aq">Eusebius praep. evang. XV. p. 793 a.</hi></note>.&#x201C; Die&#x017F;e und a&#x0364;hnliche Berichte waren<lb/>
an den Ko&#x0364;nig gekommen; er hatte &#x017F;ie anfangs fu&#x0364;r unglaublich<lb/>
oder u&#x0364;bertrieben gehalten, u&#x0364;berzeugt, daß Harpalus nicht auf &#x017F;o<lb/>
wahn&#x017F;innige Wei&#x017F;e die &#x017F;chon einmal ver&#x017F;cherzte Gnade &#x017F;eines Ge-<lb/>
bieters aufs Spiel &#x017F;etzen werde <note place="foot" n="30)">Darauf bezieht<lb/>
&#x017F;ich die Angabe Plutarchs, daß Ephialtes und Ki&#x017F;&#x017F;os, welche die<lb/>
er&#x017F;te Nachricht von Harpalus Flucht brachten, als fal&#x017F;che Angeber<lb/>
fe&#x017F;tgenommen wurden; <hi rendition="#aq">Plut. Alex.</hi> 41.</note>; bald genug be&#x017F;ta&#x0364;tigte Har-<lb/>
palus &#x017F;elb&#x017F;t alle jene Be&#x017F;chuldigungen durch &#x017F;eine Flucht. Er hatte<lb/>
&#x017F;ich darauf verla&#x017F;&#x017F;en, daß Alexander nie zuru&#x0364;ckkehren werde; jetzt<lb/>
&#x017F;ah er das &#x017F;trenge Gericht des Ko&#x0364;nigs gegen die, welche &#x017F;ich durch<lb/>
den&#x017F;elben Irrthum hatten verfu&#x0364;hren la&#x017F;&#x017F;en; er verzweifelte daran,<lb/>
Verzeihung bei &#x017F;einem Herrn zu erlangen. Deshalb raffte er alles<lb/>
an Scha&#x0364;tzen, was er konnte, es war die ungeheuere Summe von<lb/>
fu&#x0364;nftau&#x017F;end Talenten, zu&#x017F;ammen, warb &#x017F;ich &#x017F;ech<supplied>s</supplied>tau&#x017F;end So&#x0364;ldner,<lb/>
zog von die&#x017F;en begleitet, mit &#x017F;einer Glycera und dem To&#x0364;chterchen,<lb/>
das ihm Pythionice geboren hatte <note place="foot" n="31)"><hi rendition="#aq">Plut. Phocion</hi> 22.</note>, durch Kleina&#x017F;ien an das Ae-<lb/>
ga&#x0364;i&#x017F;che Meer hinab, und &#x017F;chiffte &#x017F;ich auf dreißig Schiffen ein, um<lb/>
nach Attika u&#x0364;berzu&#x017F;etzen; Ehrenbu&#x0364;rger von Athen, mit den ange-<lb/>
&#x017F;ehen&#x017F;ten Ma&#x0364;nnern der Stadt befreundet und durch reiche Getrei-<lb/>
de&#x017F;penden bei dem Volke &#x017F;ehr beliebt, zweifelte er nicht mit &#x017F;ei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[494/0508] ein Mandat erlaſſen, daß Niemand ihm einen goldenen Ehren- kranz weihen duͤrfe, ohne zugleich der Maitreſſe, daß man vor ihr anbeten, ſie mit dem Namen Koͤnigin begruͤßen ſolle, kurz alle Ehre, die nur der Koͤnigin Mutter oder der Gemahlin Alexan- ders gebuͤhren wuͤrde, vergeude der Großmeiſter vom Schatzamt an die Attiſche Dirne 29).“ Dieſe und aͤhnliche Berichte waren an den Koͤnig gekommen; er hatte ſie anfangs fuͤr unglaublich oder uͤbertrieben gehalten, uͤberzeugt, daß Harpalus nicht auf ſo wahnſinnige Weiſe die ſchon einmal verſcherzte Gnade ſeines Ge- bieters aufs Spiel ſetzen werde 30); bald genug beſtaͤtigte Har- palus ſelbſt alle jene Beſchuldigungen durch ſeine Flucht. Er hatte ſich darauf verlaſſen, daß Alexander nie zuruͤckkehren werde; jetzt ſah er das ſtrenge Gericht des Koͤnigs gegen die, welche ſich durch denſelben Irrthum hatten verfuͤhren laſſen; er verzweifelte daran, Verzeihung bei ſeinem Herrn zu erlangen. Deshalb raffte er alles an Schaͤtzen, was er konnte, es war die ungeheuere Summe von fuͤnftauſend Talenten, zuſammen, warb ſich ſechstauſend Soͤldner, zog von dieſen begleitet, mit ſeiner Glycera und dem Toͤchterchen, das ihm Pythionice geboren hatte 31), durch Kleinaſien an das Ae- gaͤiſche Meer hinab, und ſchiffte ſich auf dreißig Schiffen ein, um nach Attika uͤberzuſetzen; Ehrenbuͤrger von Athen, mit den ange- ſehenſten Maͤnnern der Stadt befreundet und durch reiche Getrei- deſpenden bei dem Volke ſehr beliebt, zweifelte er nicht mit ſei- 29) Athen XIII. p. 586 und 595.; dieſes Sendſchreiben heißt bald ἠ πρὸς Αλέξανδρον ἐπιςολή bald πρὸς Αλ. συμβουλαὶ, der in demſelben verklagte Theokrit (Athen VI. p. 230 f.) iſt der Rhe- tor aus Chios, deſſen Strabo XIV. p. 183. als politiſchen Gegner des Theopomp erwaͤhnt, und der den Vers vom „purpurnen Tode“ ſo bitter auf Alexander anwendete. Plut. de puer. educ. c. 16. und Suid. v. Θεόκριτος; cf. Ilgen. scol. Graecorum p. 162. Auch Ari- ſtoteles blieb von ſeinem Spotte nicht verſchont, ſ. das Epigramm in Eusebius praep. evang. XV. p. 793 a. 30) Darauf bezieht ſich die Angabe Plutarchs, daß Ephialtes und Kiſſos, welche die erſte Nachricht von Harpalus Flucht brachten, als falſche Angeber feſtgenommen wurden; Plut. Alex. 41. 31) Plut. Phocion 22.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/508
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/508>, abgerufen am 04.05.2024.