Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

nen und Weinbergen bedeckten Gestade Karamaniens; jetzt war
die Noth vorüber, jetzt nahte man der langersehnten Einfahrt in
das Persische Meer, man war in befreundetem Gebiet. An der
schönen Küste Harmozia und an der Mündung des Anamisstro-
mes landete die Flotte, und das Schiffsvolk lagerte an den Strom-
ufern, nach so vielen Mühen sich auszuruhen, und sich der über-
standenen Gefahren zu erinnern, denen zu entkommen Mancher
verzweifelt haben mochte; von dem Landheere wußte man nichts,
seit der Küste der Ichthyophagen hatte man alle Spur von dem-
selben verloren 13). Da geschah es, daß Einige von Nearchs
Leuten, die ein wenig landein gegangen waren, um Lebensmittel zu
suchen, in der Ferne einen Menschen in Hellenischer Tracht sahen;
sie eilten auf ihn zu und erkannten sich unter Freudenthränen als
Hellenische Männer; sie fragten ihn, woher er käme? wer er
wäre? er antwortete, er wäre vom Lager Alexanders abgekommen,
der König sei nicht ferne von hier; jauchzend und frohlockend
führten sie ihn zu Nearch, dem er dann angab, daß Alexander
etwa fünf Tage weit ins Land hinauf stehe, und sich zugleich er-
bot, ihn zum Hyparchen der Gegend zu bringen; das geschah;
Nearch überlegte mit diesem, wie er zum Könige hinauf kommen
möchte. Während er sodann zu den Schiffen zurückkehrte, um
hier Alles zu ordnen und das Lager verschanzen zu lassen, war
der Hyparch, in der Hoffnung, durch die erste Nachricht von der
glücklichen Ankunft der Flotte des Königs Gunst zu gewinnen,
auf dem kürzesten Wege in das innere Land hinauf gereist, und
hatte dort jene Botschaft an den König gebracht, die ihm selbst
so viel Leid zuzog, da deren Bestätigung ausblieb. Endlich war
Nearch mit seinen Einrichtungen für die Flotte und das Lager so
weit gediehen, daß er mit Archias, dem zweiten Befehlshaber der
Flotte, und mit fünf oder sechs Begleitern von dem Lager auf-
brach, und ins Innere wanderte. Diesen begegneten auf dem

Wege
13) Ich wage nicht nach Vincents trefflichen Untersuchungen
über das Einzelne dieser Fahrt Näheres hinzu zu fügen; ein Ver-
such der Art würde überdieß mehr Ausführlichkeit, als hier erlaubt
ist, fordern.

nen und Weinbergen bedeckten Geſtade Karamaniens; jetzt war
die Noth voruͤber, jetzt nahte man der langerſehnten Einfahrt in
das Perſiſche Meer, man war in befreundetem Gebiet. An der
ſchoͤnen Kuͤſte Harmozia und an der Muͤndung des Anamisſtro-
mes landete die Flotte, und das Schiffsvolk lagerte an den Strom-
ufern, nach ſo vielen Muͤhen ſich auszuruhen, und ſich der uͤber-
ſtandenen Gefahren zu erinnern, denen zu entkommen Mancher
verzweifelt haben mochte; von dem Landheere wußte man nichts,
ſeit der Kuͤſte der Ichthyophagen hatte man alle Spur von dem-
ſelben verloren 13). Da geſchah es, daß Einige von Nearchs
Leuten, die ein wenig landein gegangen waren, um Lebensmittel zu
ſuchen, in der Ferne einen Menſchen in Helleniſcher Tracht ſahen;
ſie eilten auf ihn zu und erkannten ſich unter Freudenthraͤnen als
Helleniſche Maͤnner; ſie fragten ihn, woher er kaͤme? wer er
waͤre? er antwortete, er waͤre vom Lager Alexanders abgekommen,
der Koͤnig ſei nicht ferne von hier; jauchzend und frohlockend
fuͤhrten ſie ihn zu Nearch, dem er dann angab, daß Alexander
etwa fuͤnf Tage weit ins Land hinauf ſtehe, und ſich zugleich er-
bot, ihn zum Hyparchen der Gegend zu bringen; das geſchah;
Nearch uͤberlegte mit dieſem, wie er zum Koͤnige hinauf kommen
moͤchte. Waͤhrend er ſodann zu den Schiffen zuruͤckkehrte, um
hier Alles zu ordnen und das Lager verſchanzen zu laſſen, war
der Hyparch, in der Hoffnung, durch die erſte Nachricht von der
gluͤcklichen Ankunft der Flotte des Koͤnigs Gunſt zu gewinnen,
auf dem kuͤrzeſten Wege in das innere Land hinauf gereiſt, und
hatte dort jene Botſchaft an den Koͤnig gebracht, die ihm ſelbſt
ſo viel Leid zuzog, da deren Beſtaͤtigung ausblieb. Endlich war
Nearch mit ſeinen Einrichtungen fuͤr die Flotte und das Lager ſo
weit gediehen, daß er mit Archias, dem zweiten Befehlshaber der
Flotte, und mit fuͤnf oder ſechs Begleitern von dem Lager auf-
brach, und ins Innere wanderte. Dieſen begegneten auf dem

Wege
13) Ich wage nicht nach Vincents trefflichen Unterſuchungen
uͤber das Einzelne dieſer Fahrt Naͤheres hinzu zu fuͤgen; ein Ver-
ſuch der Art wuͤrde uͤberdieß mehr Ausfuͤhrlichkeit, als hier erlaubt
iſt, fordern.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0494" n="480"/>
nen und Weinbergen bedeckten Ge&#x017F;tade Karamaniens; jetzt war<lb/>
die Noth voru&#x0364;ber, jetzt nahte man der langer&#x017F;ehnten Einfahrt in<lb/>
das Per&#x017F;i&#x017F;che Meer, man war in befreundetem Gebiet. An der<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Ku&#x0364;&#x017F;te Harmozia und an der Mu&#x0364;ndung des Anamis&#x017F;tro-<lb/>
mes landete die Flotte, und das Schiffsvolk lagerte an den Strom-<lb/>
ufern, nach &#x017F;o vielen Mu&#x0364;hen &#x017F;ich auszuruhen, und &#x017F;ich der u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;tandenen Gefahren zu erinnern, denen zu entkommen Mancher<lb/>
verzweifelt haben mochte; von dem Landheere wußte man nichts,<lb/>
&#x017F;eit der Ku&#x0364;&#x017F;te der Ichthyophagen hatte man alle Spur von dem-<lb/>
&#x017F;elben verloren <note place="foot" n="13)">Ich wage nicht nach Vincents trefflichen Unter&#x017F;uchungen<lb/>
u&#x0364;ber das Einzelne die&#x017F;er Fahrt Na&#x0364;heres hinzu zu fu&#x0364;gen; ein Ver-<lb/>
&#x017F;uch der Art wu&#x0364;rde u&#x0364;berdieß mehr Ausfu&#x0364;hrlichkeit, als hier erlaubt<lb/>
i&#x017F;t, fordern.</note>. Da ge&#x017F;chah es, daß Einige von Nearchs<lb/>
Leuten, die ein wenig landein gegangen waren, um Lebensmittel zu<lb/>
&#x017F;uchen, in der Ferne einen Men&#x017F;chen in Helleni&#x017F;cher Tracht &#x017F;ahen;<lb/>
&#x017F;ie eilten auf ihn zu und erkannten &#x017F;ich unter Freudenthra&#x0364;nen als<lb/>
Helleni&#x017F;che Ma&#x0364;nner; &#x017F;ie fragten ihn, woher er ka&#x0364;me? wer er<lb/>
wa&#x0364;re? er antwortete, er wa&#x0364;re vom Lager Alexanders abgekommen,<lb/>
der Ko&#x0364;nig &#x017F;ei nicht ferne von hier; jauchzend und frohlockend<lb/>
fu&#x0364;hrten &#x017F;ie ihn zu Nearch, dem er dann angab, daß Alexander<lb/>
etwa fu&#x0364;nf Tage weit ins Land hinauf &#x017F;tehe, und &#x017F;ich zugleich er-<lb/>
bot, ihn zum Hyparchen der Gegend zu bringen; das ge&#x017F;chah;<lb/>
Nearch u&#x0364;berlegte mit die&#x017F;em, wie er zum Ko&#x0364;nige hinauf kommen<lb/>
mo&#x0364;chte. Wa&#x0364;hrend er &#x017F;odann zu den Schiffen zuru&#x0364;ckkehrte, um<lb/>
hier Alles zu ordnen und das Lager ver&#x017F;chanzen zu la&#x017F;&#x017F;en, war<lb/>
der Hyparch, in der Hoffnung, durch die er&#x017F;te Nachricht von der<lb/>
glu&#x0364;cklichen Ankunft der Flotte des Ko&#x0364;nigs Gun&#x017F;t zu gewinnen,<lb/>
auf dem ku&#x0364;rze&#x017F;ten Wege in das innere Land hinauf gerei&#x017F;t, und<lb/>
hatte dort jene Bot&#x017F;chaft an den Ko&#x0364;nig gebracht, die ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o viel Leid zuzog, da deren Be&#x017F;ta&#x0364;tigung ausblieb. Endlich war<lb/>
Nearch mit &#x017F;einen Einrichtungen fu&#x0364;r die Flotte und das Lager &#x017F;o<lb/>
weit gediehen, daß er mit Archias, dem zweiten Befehlshaber der<lb/>
Flotte, und mit fu&#x0364;nf oder &#x017F;echs Begleitern von dem Lager auf-<lb/>
brach, und ins Innere wanderte. Die&#x017F;en begegneten auf dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wege</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0494] nen und Weinbergen bedeckten Geſtade Karamaniens; jetzt war die Noth voruͤber, jetzt nahte man der langerſehnten Einfahrt in das Perſiſche Meer, man war in befreundetem Gebiet. An der ſchoͤnen Kuͤſte Harmozia und an der Muͤndung des Anamisſtro- mes landete die Flotte, und das Schiffsvolk lagerte an den Strom- ufern, nach ſo vielen Muͤhen ſich auszuruhen, und ſich der uͤber- ſtandenen Gefahren zu erinnern, denen zu entkommen Mancher verzweifelt haben mochte; von dem Landheere wußte man nichts, ſeit der Kuͤſte der Ichthyophagen hatte man alle Spur von dem- ſelben verloren 13). Da geſchah es, daß Einige von Nearchs Leuten, die ein wenig landein gegangen waren, um Lebensmittel zu ſuchen, in der Ferne einen Menſchen in Helleniſcher Tracht ſahen; ſie eilten auf ihn zu und erkannten ſich unter Freudenthraͤnen als Helleniſche Maͤnner; ſie fragten ihn, woher er kaͤme? wer er waͤre? er antwortete, er waͤre vom Lager Alexanders abgekommen, der Koͤnig ſei nicht ferne von hier; jauchzend und frohlockend fuͤhrten ſie ihn zu Nearch, dem er dann angab, daß Alexander etwa fuͤnf Tage weit ins Land hinauf ſtehe, und ſich zugleich er- bot, ihn zum Hyparchen der Gegend zu bringen; das geſchah; Nearch uͤberlegte mit dieſem, wie er zum Koͤnige hinauf kommen moͤchte. Waͤhrend er ſodann zu den Schiffen zuruͤckkehrte, um hier Alles zu ordnen und das Lager verſchanzen zu laſſen, war der Hyparch, in der Hoffnung, durch die erſte Nachricht von der gluͤcklichen Ankunft der Flotte des Koͤnigs Gunſt zu gewinnen, auf dem kuͤrzeſten Wege in das innere Land hinauf gereiſt, und hatte dort jene Botſchaft an den Koͤnig gebracht, die ihm ſelbſt ſo viel Leid zuzog, da deren Beſtaͤtigung ausblieb. Endlich war Nearch mit ſeinen Einrichtungen fuͤr die Flotte und das Lager ſo weit gediehen, daß er mit Archias, dem zweiten Befehlshaber der Flotte, und mit fuͤnf oder ſechs Begleitern von dem Lager auf- brach, und ins Innere wanderte. Dieſen begegneten auf dem Wege 13) Ich wage nicht nach Vincents trefflichen Unterſuchungen uͤber das Einzelne dieſer Fahrt Naͤheres hinzu zu fuͤgen; ein Ver- ſuch der Art wuͤrde uͤberdieß mehr Ausfuͤhrlichkeit, als hier erlaubt iſt, fordern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/494
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/494>, abgerufen am 27.04.2024.